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„Reale Sorge und kein Hirngespinst“

Kein Notarzt mehr in Clausthal: Schulleiter haben Bauchweh

Die Schulleiter sind besorgt darüber, dass es bald keinen Notarzt mehr in Clausthal-Zellerfeld geben soll. Foto: Neuendorf/Collage: GZ

Die Schulleiter sind besorgt darüber, dass es bald keinen Notarzt mehr in Clausthal-Zellerfeld geben soll. Foto: Neuendorf/Collage: GZ

Die Entscheidung, den Notarzt aus Clausthal-Zellerfeld abzuziehen, bereitet den Schulleitern Bauchschmerzen. Sie fürchten, dass Kinder nicht schnell genug medizinisch versorgt werden können. Am Dienstag befasst sich auch die Politik mit dem Thema.

Von Corinna Knoke Dienstag, 07.11.2023, 05:58 Uhr

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Clausthal-Zellerfeld. Dass es ab Dezember keinen Notarzt mehr in Clausthal-Zellerfeld geben soll, beschäftigt die Oberharzer nach wie vor. Der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Goslar versuchte bereits, die besorgten Bürger zu beruhigen. Er beschrieb beispielsweise, wie gut die Notfallsanitäter ausgebildet seien und was sie alles dürften. Die Intubation von Kindern gehöre allerdings nicht dazu, das dürfe ausschließlich der Notarzt. Die Schulleiter aus Clausthal-Zellerfeld, die tagtäglich mit Kindern zu tun haben, äußern jetzt gegenüber der GZ ihre Sorge um die medizinische Versorgung.

Oliver Bollmann, Leiter der Haupt- und Realschule (HRS) Clausthal-Zellerfeld, kann die Entscheidung, den Notarzt ausgerechnet aus Clausthal-Zellerfeld abzuziehen, nicht nachvollziehen. Schließlich habe Clausthal-Zellerfeld ja kein Krankenhaus mehr – im Gegensatz zu Bad Harzburg. Aber der Schulleiter sei daran interessiert, eine Lösung zu finden. Darum befürwortet er die Idee der Clausthaler Patientenbeauftragten, dass der Telenotfallarzt doch in Clausthal-Zellerfeld stationiert werden könnte (GZ berichtete). So könne er sich zum einen per Videotelefonie zu Einsätzen in anderen Orten hinzuschalten, sei aber zum anderen auch gleich in Clausthal-Zellerfeld vor Ort. Gerade für schlechte Wetterlagen wie im Winter hält Bollmann das für essenziell.

„Die Lehrer übernehmen die Verantwortung der Eltern“

Regelmäßig gibt es laut dem HRS-Leiter Rettungseinsätze an seiner Schule. In Anbetracht der Tatsache, dass es beispielsweise auch Kinder, die an schweren epileptischen Anfällen leiden würden, an der HRS gebe, wäre es für Bollmann beruhigend zu wissen, dass ein Notarzt direkt im Ort stationiert sei. Bei manchen Schülern, die ein bestimmtes Krankheitsbild aufweisen, sei die Schule zudem angewiesen, bei einem Notfall gleich immer einen Notarzt anzufordern. „Und da halten wir uns natürlich dran“, sagt Bollmann. Ihm zufolge ist es dann verschenkte Zeit, wenn der Mediziner erst mehr als 20 Minuten unterwegs ist.

Gunnar Demuth, Leiter der Robert-Koch-Schule (RKS), begründet seine Sorge mit einem weiteren Punkt: „Während die Kinder in der Schule sind, übernehmen wir die Verantwortung der Eltern“, sagt er. Umso wichtiger sei es daher für die Schulen, dass sie sich keine Sorgen um die medizinische Versorgung machen müssten. Mit Blick auf die vergangenen Jahre teilt Demuth seinen Eindruck: Die Rettungseinsätze an seiner Schule hätten zugenommen. Er relativiert aber auch, dass nicht immer ein Notarzt gebraucht worden sei, beispielsweise wenn sich ein Kind im Sportunterricht das Bein bricht. Aber auch Einsätze mit einem Bedarf an einem Mediziner habe es an der RKS gegeben. Demuth spricht von schweren Asthmaanfällen. Eltern wüssten vielleicht, dass es nicht so schlimm sei und ein Asthmaspray ausreiche. Lehrer seien jedoch verunsichert und würden im Zweifelsfall lieber einmal zu viel den Rettungsdienst alarmieren. „Und die Fälle werden ja nicht weniger“, sagt Demuth. Nach seiner Beobachtung haben auch die körperlichen Beschwerden der Kinder zugenommen. Darum sieht der Schulleiter seine Gedanken als „reale Sorge und kein Hirngespinst“.

Kind stürzt vom Reck und zieht sich blutende Platzwunde zu

Tatjana Gewecke, Leiterin der Grundschule Clausthal, zeigt sich im GZ-Gespräch besorgt, dass es an ihrer Schule in Zukunft Situationen gebe, an denen schwer verletzte Kinder länger auf einen Notarzt warten müssten. Gerade in Situationen, in denen es auf jede Minute ankomme, könne das fatal ein. Gewecke erinnert sich an Rettungseinsätze an ihrer Grundschule zurück, an denen sie froh war, dass gleich ein Notarzt zur Stelle war und das Kind untersucht hat. Ein Schüler sei beispielsweise von der Reckstange gestürzt und habe sich eine große blutende Platzwunde zugezogen. Oder ein anderes Kind sei mit dem Finger in einem Gullydeckel stecken geblieben und habe ein Großaufgebot von Einsatzkräften ausgelöst. „Und wir haben Kinder, die hoch allergisch sind“, sagt sie. Sie wolle sich nicht ausmalen, was passiert, wenn ein solches Kind in der Schule einen anaphylaktischen Schock bekomme und womöglich schnell intubiert werden müsse. Das dürfe ein Notfallsanitäter trotz umfangreicher dreijähriger Ausbildung nicht.

Karin Meybom, Leiterin der Grundschule Zellerfeld, war am Montag nicht erreichbar.

AUSSCHUSS TAGT AM DIENSTAG

Der Ausschuss für Ordnung, Rettungswesen, Gesundheit und Verbraucherschutz tagt am Dienstag, 7. November, um 16 Uhr in der Feuerwache in Bad Harzburg. In einer Drucksache soll es um die probeweise Nicht-Besetzung des in Clausthal-Zellerfeld stationierten Notarzteinsatzfahrzeuges gehen. Vorher wird Dr. Tobias Steffen, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes, einen Vortrag über das Rettungswesen halten und erklären, wie der Rettungsdienst funktioniert – auch in Bezug auf die Telemedizin im Landkreis Goslar. Der Landrat wird nach GZ-Informationen auf die fachliche Expertise des ärztlichen Dienstes verweisen, der den Rückzug aus Clausthal-Zellerfeld empfiehlt.

In zwei Einwohnerfragestunden besteht für Interessierte die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Es heißt aber, dass Fragen in Bezug auf einzelne Notärzte nicht beantwortet werden, also beispielsweise, welcher Notarzt wie viel zu tun hat. Eine generelle Einsatzstatistik soll jedoch präsentiert werden.

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