Mehr als 1400 Ukrainer haben in Niedersachsen einen Job gefunden

Das Logo der Bundesagentur für Arbeit.
Seit dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine und der damit verbundenen Flucht haben in ganz Niedersachsen 1400 ukrainische Geflüchtete einen Job gefunden. Die Bundesagentur nennt das einen „tollen Erfolg“. Größte Hürde sind die Sprachkenntnisse.
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Die Hoffnung, dass unter den geflüchteten Ukrainern und Ukrainerinnen viele Friseurinnen, Köche und Pfleger seien, die habe sich wohl zerschlagen, sagt Andre Volke lakonisch. Der Sporttextil-Unternehmer aus Wolfenbüttel engagiert sich ehrenamtlich für geflüchtete Ukrainer und kennt nach eigenen Angaben persönlich rund 350. Er hat in der Stadt einen Stammtisch mit aufgebaut, der später auch das Ziel hatte, Ukrainer mit Betrieben in der Region zusammenzubringen. Das Jobcenter vor Ort sei eine große Hilfe dabei gewesen. Aber laut Volke sind „viele der Ukrainer überqualifiziert“.
Und zwar wohl für Jobs, die das Jobcenter Braunschweig auf Anfrage unserer Zeitung nennt, in denen geflüchtete Ukrainer aktuell vor allem arbeiten würden: Als Helfer in der Lagerwirtschaft oder im Transport, in der Gebäudereinigung, in der Gastronomie, als Küchenhelfer, als Aushilfen im Hotel, als Auslieferungsfahrer, in der Pflege oder in metallverarbeitenden Berufen.
Ihm seien allein drei Doktoranden der Psychologie bekannt und eine Doktorin der Gastroenterologie, berichtet Volke. „Viele haben in der Ukraine auch gut verdient“, sagt der Unternehmer und nennt eine Produktmanagerin mit einem Netto-Verdienst von gut 3000 Euro monatlich als Beispiel. Eine der Psychologinnen sei inzwischen über die Awo als Therapeutin tätig für geflüchtete Landsmänner und -frauen.
Sprachkenntnisse fehlen
Auch das Jobcenter Goslar berichtet auf Anfrage, dass Ukrainer mit Deutschkenntnisse häufig Beschäftigungen zur Unterstützung anderer Flüchtlinge ausübten, etwa dolmetschten, coachten oder im öffentlich Dienst arbeiteten. „Sie sind wirklich willig zu arbeiten“, ist Volkes Eindruck von den geflüchteten Menschen.
Einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom März zufolge, ist das Qualifikationsniveau der Migrantinnen und Migranten aus der Ukraine recht hoch: Rund die Hälfte habe in der Vergangenheit über eine abgeschlossene Hochschulausbildung und vergleichbare Abschlüsse verfügt, 14 Prozent über berufsbildende Abschlüsse und weitere
26 Prozent über eine höhere Schulbildung.
Dennoch sieht der Wolfenbütteler Volke auch viele Hürden für Ukrainer hier – die erste und größte sei die fehlende Sprachkenntnis. Auch das Jobcenter Braunschweig erklärt zu den oben genannten Arbeitsstellen: „Es handelt sich größtenteils um Tätigkeiten, welche keine qualifizierte Ausbildung voraussetzen.“ Fehlende Deutschkenntnisse spielten dabei ein große Rolle. Und für den Stammtisch-Initiator Volke fängt da auch schon das zweite Problem an: „Es gibt zu wenig Sprachkurs-Angebote“, sagt er. Viele Kurse seien sofort ausgebucht.
Hürde: die Zertifikate
Eine weitere Schwierigkeit laut Volke: Vorhandene Abschlüsse und Zertifikate werden hierzulande nicht anerkannt. Zumindest dauert es lang, bestätigt Ingo Schrader, Geschäftsführer des Jobcenters Wolfsburg. Er erklärte: „Eine große Zahl der Flüchtlinge verfügt über gute bis sehr gute Bildungsabschlüsse. Die Verfahren zur Anerkennung dieser Bildungsabschlüsse sind zeitintensiv und nicht in wenigen Wochen zu bewerkstelligen.“
Dem Wolfenbütteler Volke zufolge sei außerdem vielen Betrieben in unserer Region offenbar noch nicht bewusst, dass sie geflüchtete Ukrainer und Ukrainerinnen wie jeden anderen Hartz-Vier-Empfänger auch anstellen können. „Sie dürfen sofort arbeiten“, erklärt Volke die Sonderregelung der Bundesregierung für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Sie erhalten sofort eine Aufenthaltsgenehmigung und damit Zugang zum Arbeitsmarkt
Trotz dieser Hürden – die übrigens auch Geflüchtete aus vielen anderen Regionen dieser Welt in Deutschland erleben dürften und überwinden müssen – haben nach Angaben der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesarbeitsagentur in Niedersachsen mehr als 1400 Menschen aus der Ukraine seit März eine Stelle gefunden. „Das ist ein toller Erfolg und freut uns.“, erklärte dazu Johannes Pfeiffer, der Chef der Regionaldirektion. Arbeitslos gemeldet waren im September landesweit mehr als 21.600.
In unserer Region haben nach Angaben derselben Direktion 187 der geflüchteten Ukrainer eine Arbeit gefunden. Arbeitslos gemeldet sind aktuell knapp 3800 Ukrainer. Laut dem Wolfsburger Jobcenter-Chef Schrader verfüge die große Masse der ukrainischen Flüchtlinge eben noch nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse, um sie erfolgreich am Arbeitsmarkt unterzubringen. „Daneben ist es natürlich das Ziel des Jobcenters, die Personen bildungsadäquat am Arbeitsmarkt unterzubringen“, betonte er.
Von den 3800 arbeitslos gemeldeten Ukrainern in unserer Region sind fast 2800 Frauen. Der Leiter des Forschungsbereichs Migration des IAB, Herbert Brücker, erklärte kürzlich gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass viele Frauen alleine mit minderjährigen Kindern einträfen, die Betreuung benötigten. Nach IAB-Angaben vom Juli sind 67 Prozent der Menschen aus der Ukraine Frauen,
38 Prozent seien Kinder oder Jugendliche. Der Wolfenbütteler Unternehmer Volke berichtet von zwei Frauen, die mit ihren schon erwachsenen Kindern hergekommen seien und nun als Küchenhilfen arbeiteten und unter anderem das Catering für Hochzeits- und andere Feiern im Rittergut Lucklum vorbereiteten. Und einen Koch zumindest, den kenne er auch, sagt Volke. Der Ukrainer sei schon zu verschiedenen Probearbeits-Terminen eingeladen worden.
Von Hannah Schmitz, Funke Medien Gruppe