Warum Diebe Solarmodule stehlen

Ein Solarpark soll auf einer Fläche von 26 Hektar östlich des Zollbaums zwischen Brucher Schleusenfleth und Neuenwegfleth entstehen.
Sie stehlen große Mengen Holz, pumpen Benzin aus Tanks und neuerdings werden auch Photovoltaik-Anlagen zum Ziel vieler Diebe: Die aktuelle Energiekrise verändert auch die Ziele von Einbrechern. Die Polizei gibt Tipps zur Sicherung der Anlagen.
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Diebe hebeln die Eingangstür einer Gartenhütte auf und stehlen daraus das technische Herzstück – den Wechselrichter einer Solaranlage. Wert: 200 Euro. Ein weißer Transporter fährt an die Tankstelle, ein Mensch steigt aus, tankt für 123 Euro, steigt wieder ein, fährt los, ohne zu zahlen. Auf einer Großbaustelle fehlen plötzlich 81 Heizkörper im Wert von 17.000 Euro – Unbekannte haben sie abtransportiert.
Das sind nur drei von vielen Fällen in den vergangenen Monaten, die aufhorchen lassen. Entwickelt sich mit der Energiekrise ein neues begehrtes Diebesgut? Tendenziell gibt es tatsächlich neue Tatorte für Diebe, wie eine Umfrage unserer Redaktion bei Landeskriminalämtern ergeben hat. „Mit dem Fernseher schleppt sich keiner mehr ab“, sagt Patrick Martin von der Landespolizeidirektion Thüringen. Begehrt seien stattdessen Photovoltaik-Anlagen. Teilweise räumten die Kriminellen sogar große Photovoltaik-Felder komplett leer, berichtet Martin. „Sie nehmen die Module, die Kabel, alles mit.“ Den Beamten verwundert das nicht – wegen der, wie er sagt, „Rohstoffmangellage“.
Nachrüstungen
Angesichts andauernder Lieferengpässe durch die Corona-Pandemie sind Materialien knapp, Lieferungen bleiben aus. Die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs lässt Öl-, Gas-, auch Strompreise stark steigen. Hausbesitzer rüsten ihre Immobilien nach, wollen sich eine moderne Heizung oder Photovoltaik-Anlage anschaffen. Das hat alles seinen Preis und lockt Diebe an. Gleichzeitig seien gerade Solarpanels stark gefragt.
Zum Beispiel in Sachsen. Dort registrierte die Polizei allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 34 Fälle, in denen Diebe es auf Photovoltaik-Anlagen und Solartechnik abgesehen hatten. 28 Mal waren sie dabei erfolgreich und verursachten so einen Schaden von insgesamt knapp 253.000 Euro. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 lag der Schaden durch ähnliche Delikte nur bei fast 90.000 Euro. Die Täter plünderten vor allem Solarmodule von Dächern größerer Hallen und Lager, aus Solarparks und von Solarfeldern. Mittlerweile klauen sie diese auch gezielt von privaten Grundstücken. Meistens handelt es sich um Profis, berichtet die Polizei. Die Diebe kämen vermutlich nachts, seien oft sehr gut organisiert und würden das Diebesgut mit kleinen Transportern oder Lastwagen wegfahren.
Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt macht nicht nur bei Photovoltaik-Anlagen einen „aktuellen Anstieg der Fallzahlen“ aus, sondern auch bei Kraftstoffen. Seit Benzin und Diesel deutlich teurer geworden sind, werden mehr Tankbetrüger registriert. Sprit zapfen und wegfahren – diese Methode nimmt auch in Brandenburg zu, berichtet das zuständige Landeskriminalamt. Die Kennzeichen der Autos, mit denen die Diebe vorfahren, seien oft gefälscht – entsprechend schwer könnten die Täter ermittelt werden.
Spritbetrug oder Solaranlagenklau — dabei bleibt es nicht. Carola Jeschke, Sprecherin des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein, rechnet „generell mit einem Anstieg der Kriminalität“ rund um die Energieversorgung, auch wenn im nördlichsten Bundesland bislang „insgesamt noch keine signifikante Steigerung festgestellt“ worden sei. Anders sei dies jedoch bei Brennholz. Da gebe es „eine leicht ansteigende Tendenz“, sagte Jeschke. Bei Brennholz macht auch das Landeskriminalamt Hessen bis Ende August im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eine „geringfügige Steigerung“ aus.
Wer einen Kamin hat, will sich derzeit mit Brennholz gegen die hohen Energiepreise wappnen. Es ist stark gefragt. Egal, ob es sich um abgebrochene Äste, geschnittene Holzscheite, umgeknickte Bäume oder nur kleine Mengen handelt – gerne wird Holz mitunter im nächstgelegenen Wald gesammelt. Doch Vorsicht: Im Wald darf sich niemand einfach so bedienen. „Jeder Wald gehört jemandem. Meistens ist er in Privatbesitz oder Eigentum der Gemeinden, des Bundes oder der Länder“, sagt Michael Rempel, Jurist bei der R + V Versicherung. Das Sammeln von Holz für den heimischen Kamin ist daher nur gestattet, wenn eine Erlaubnis der Gemeinde dazu vorliegt. Rempel rät, sich beim zuständigen Forstamt oder der Gemeindeverwaltung zu erkundigen.
Manche Bundesländer haben noch keine signifikante Zunahme oder Verschiebung der Delikte im Zuge der Energiekrise registriert. Dazu zählen Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Berlin, Rheinland-Pfalz und Saarland erfassen dazu keine gesonderten Daten.
Nicht zu leicht machen
Die Bürgerinnen und Bürger können aber zumindest versuchen, es den Dieben schwerer zu machen. „Je mehr Aufwand der Diebstahl erfordert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter von seinem Handeln absieht“, sagt der Hamburger Polizeisprecher Sören Zimbal. „Wer eine Solaranlage auf dem Dach hat, sollte zum Beispiel Mülltonnen, Gartenmöbel, Leitern wegschließen, um es den Dieben nicht zu leicht zu machen hochzuklettern.“ Holz und Holzpellets sollten möglichst „in umfriedetem Besitztum“ gelagert werden. Und, so der Polizeisprecher: Alle, die etwas Verdächtiges wahrnehmen, sollten ihre Nachbarn und die Polizei informieren. Hanna Gersmann, Funke Medien Gruppe