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Diskussionsrunde in Goslar

Gewalt gegen Einsatzkräfte: „99,9 Prozent der Bevölkerung schätzen unsere Arbeit“

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (3. v. l.) wird von Annett Eine (l.) befragt. An der Diskussion über zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte und das Cannabis-Gesetz beteiligen sich außerdem (v. l.): Carl Schierarndt von der Polizei Goslar, Manon Luther, Spitzenkandidatin des SPD-Bezirks Braunschweig zur Europawahl, stellvertretender Kreisbrandmeister Udo Löprich, Anna Pielken-Rieger, Leiterin der Drogenberatung Drobs in Goslar, und Goslars Stadtbrandmeister Christian Hellmeier.  Foto: Stade

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (3. v. l.) wird von Annett Eine (l.) befragt. An der Diskussion über zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte und das Cannabis-Gesetz beteiligen sich außerdem (v. l.): Carl Schierarndt von der Polizei Goslar, Manon Luther, Spitzenkandidatin des SPD-Bezirks Braunschweig zur Europawahl, stellvertretender Kreisbrandmeister Udo Löprich, Anna Pielken-Rieger, Leiterin der Drogenberatung Drobs in Goslar, und Goslars Stadtbrandmeister Christian Hellmeier. Foto: Stade

Während bundesweit die Zahl der Übergriffe auf Rettungskräfte steigt, zeigen sich Einsatzkräfte im Landkreis Goslar besonnen. Sie berichten zwar von vereinzelten Anfeindungen, betonen aber gleichzeitig den Rückhalt der Bevölkerung.

Von Oliver Stade Freitag, 26.04.2024, 08:00 Uhr

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Goslar. Eine Diskussion des SPD-Unterbezirks Goslar über die vielfach beklagte zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte hat eine überraschende Wendung genommen – die Betroffenen selbst äußern sich gelassen. Einig war sich die Runde zudem bei einem Thema, das gar nicht auf der Einladung stand: Das Cannabis-Gesetz der Ampelregierung lehnten die Vertreter von Politik, Polizei und Drogenberatung ab.

Seit den Übergriffen gegen Polizei und Rettungskräften Silvester 2022/2023 wird bundesweit mit Sorge wahrgenommen, dass sich solche Fälle häufen. Zuletzt berichteten Feuerwehrleute im Landkreis Goslar beim Weihnachtshochwasser 2023 von Beleidigungen. Die aktuelle Statistik der Polizei Goslar weist bei der „Gewalt gegen Polizeibeamte“ einen weiteren Anstieg auf.

„Hurensohn“ keine Beleidigung?

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD), die an einer Diskussion im Forum der Goslarschen Höfe teilnahm, und zuvor mit Fußballvereinen und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) wegen Ausschreitungen in Stadien im Gespräch war, berichtete, dass auch die Sprache immer gewalttätiger werde. So werte der DFB das Wort „Hurensohn“ in Stadien nicht als Beleidigung. Behrens sagte: „Das zeigt, was wir uns zumuten.“

Innenministerin Behrens fordert härteres Vorgehen

Die Ministerin plädierte in der Runde, die von SPD-Unterbezirkschefin Annett Eine moderiert wurde, strenger vorzugehen: „Da arbeiten wir mit dem Justizministerium dran. Wir sind der Meinung da könnte man härter vorgehen.“

Es war Goslars Ortsbrandmeister Udo Löprich, der zwar eine „latente Gewalt“ in der Bevölkerung wahrnahm, aber ebenso sagte: „Ich finde auch, man darf darüber sprechen, was Positives passiert hier im Landkreis.“ Er erwähnte einen Gastronomen, der sein Lokal für Einsatzkräfte öffnet sowie Anwohner, die Brote schmieren und Tee kochen. „Das vergessen wir manchmal bei all den Dingen.“ Dabei seien diese Gesten der Dankbarkeit „viel wichtiger“.

„Latente Gewalt“ in der Bevölkerung

Ähnlich äußerte sich Goslars Stadtbrandmeister Christian Hellmeier. Es dürfe nicht passieren, dass die Feuerwehr rausfahre und von der Polizei beschützt werden müsse. Aber bei den meisten unangenehmen Begegnungen schimpfe jemand oder zeige den Stinkefinger. „Das sind oft Menschen, die überlastet sind.“ Solche Situationen seien aber die Ausnahme. „99,9 Prozent der Bevölkerung schätzen unsere Arbeit.“ Eine größere Gefahr für die Arbeit der Feuerwehr sah Hellmeier darin, dass die Einsatzzahlen „explodiert sind“. Der Klimawandel führe vermutlich zu noch mehr „Großschadenslagen“ und noch mehr Einsätzen. Vor diesem Hintergrund müsse gefragt werden, wie die Arbeit der Feuerwehren durch Ehrenamtliche weiter gewährleistet werden könne. Landrat Alexander Saipa äußerte sich mit Blick auf Zwischenfälle bei Einsätzen ähnlich wie Löprich und Hellmeier: Zuletzt seien pro Jahr 7 beziehungsweise 10 gemeldet worden. Angesichts der Vielzahl der Einsätze falle das kaum ins Gewicht.

Einigkeit beim Thema Cannabis

Einigkeit herrschte zum Thema Cannabis. Alle lehnen die Liberalisierung ab. Anna Pielken-Rieger, Leiterin der Goslarer Drogenberatung Drobs, sprach von einer erschreckenden Cannabis-Abhängigkeit, die Zahl der Drogen-Beratungen insgesamt sei zuletzt von 433 auf 541 gestiegen. Cannabis spielt in der Drobs-Statistik eine große Rolle. Die aktuelle Situation nach der Legalisierung nehme sie als „Ruhe vor dem Sturm“ wahr. „Es ist ganz viel ungeklärt.“ Sie beklagte zudem, dass vom Bund zwar Geld an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung fließe, aber nicht an die Beratungsstellen. Dabei benötigten diese angesichts von Kostensteigerungen und zunehmender Fallzahlen mehr Geld. Zudem bezweifelt Pielken-Rieger, dass durch die Teillegalisierung der Schwarzmarkt ausgetrocknet werde. Innenministerin Behrens bezeichnete diesen Gedanken sogar als „Unsinn“.

Innenministerin Behrens: „Ein richtig schlechtes Gesetz“

Behrens sprach von einem „richtig schlechten Gesetz“. Sie sagte: „Wir haben derzeit mehr Fragen als Antworten.“ Das Land wolle prüfen, wie es die Finanzierungslücke der Drogenberatungen schließen könne.

Carl Schierarndt von der Polizeiinspektion Goslar erwartet „Konsequenzen im Straßenverkehr“. Cannabis baue sich im Blut „unregelmäßig“ ab und zeige auch nach ein bis zwei Tagen noch Wirkung. „Wir werden mehr Kontrollen machen müssen.“ Diese müssten auch darauf ausgerichtet sein, ob Cannabis legal oder illegal erworben wurde oder ob Kiffer die Abstände zu Schulen und Kitas einhalten.

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