Goslarer Rat feiert Youtube-Premiere mit einem Klimastreit

Ansicht einer Ratssitzung: Wer will, kann live in der Totale einen Blick auf die versammelten Goslarer Ratsmitglieder werfen. Screenshot: Youtube
Die insgesamt 340 Livestream-Nutzer auf dem Youtube-Kanal haben am späten Dienstagnachmittag eine vergleichsweise unspektakuläre und mit nicht einmal anderthalb Stunden Dauer auch kurze Ratssitzung gesehen. Der große Aufreger war ein Klimastreit.
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Goslar. Laut Stadt-Sprecherin Daniela Siegl waren in der Spitze 109 Zuschauer zeitgleich dabei, als sich Goslars Ratspolitiker unter anderem über das Klima der Welt, die Auswirkungen vor Ort und den Beitritt zum Bündnis Allianza del Clima die Köpfe zerbrachen. Und zwar im konkreten Fall mit dem Ergebnis, die schon mehrfach im Fachgremium kontrovers diskutierte Frage von der Tagesordnung zu nehmen und sich noch einmal neu zu sammeln. Vielleicht gar nicht schlecht im Hinblick auf eine neue Live-Gefolgschaft, die auf Serien-Formate steht?
„Greenwashing, das wir nicht wollen“
Wie auch immer: In der Sache ging es um die nach Geschäftsordnung korrekte Art und Weise, wie ein Ursprungsantrag zum Bündnisbeitritt und ein Änderungsantrag zur Wiederaufforstung des Goslarer Waldes verbunden werden können, die auf den ersten Blick so gar nichts miteinander zu tun haben und womöglich doch beide zum Tragen kommen sollen. Ausgerechnet der alte FDP-Fahrensmann Christian Rehse, gerade erst für ein halbes Ratsjahrhundert geehrt, nutzte als Erster die Chance für eine Grundsatz-Fensterrede, die ohne Youtube vielleicht kompakter ausgefallen wäre. Er sprach von einem „Greenwashing, das wir nicht wollen“, wenn sich die Stadt Goslar auf Ziele verpflichte, ohne sie konsequent zu verfolgen. Bei der „Bedeutung des Waldes um uns herum“ gehe es nicht zuletzt um die „Generationengerechtigkeit“.
Vorher hatte Martin Mahnkopf die SPD-Sympathie für beide Anträge kundgetan – mit der Vorgabe, nach einem Jahr eine Bilanz zum Agieren im Klima-Bündnis vorgelegt zu bekommen. „Nicht überall, wo Klimaschutz draufsteht, ist Klimaschutz drin“, warnte dagegen Henning Wehrmann (Bürgerliste). Er vermisste Transparenz und hatte stattdessen Allgemeinplätze und „vollmundige Absichtserklärungen“ ausgemacht. Auf der anderen Seite seien nicht die 382 Euro Jahresbeitrag entscheidend, sondern eine glaubwürdige Umwelt- und Klimastrategie, „die es in Goslar nach wie vor nicht gibt“. Was wiederum Norbert Schecke (CDU) nicht ganz so stehen lassen wollte: „Wir sind regional unterwegs, müssen es nur schneller und schlagkräftiger machen.“
Wer hat eigentlich das Sagen?
Sabine Seifarth von der Grünen Partei42 war „angenervt“. Rehse habe beim Wald zwar recht, aber es gebe eben limitierende Faktoren wie die Verfügbarkeit von Jungpflanzen, das Wetter und fehlende Fachkräfte. „Die Forstverwaltung tut, was sie kann“, betonte Seifarth. Es folgte noch ein kurzer Schlagabtausch zwischen Seifarth und Rehse zur Frage, wer dem mit einem hohen Fördergeld-Anteil finanzierten Goslarer Klimamanager Mario Schmid eigentlich die Aufgaben vorschreiben darf. Sind sie von außen definiert und mehr oder weniger vorgeschrieben? Oder darf Goslars Verwaltungsspitze dies tun? Vielleicht kann auch dieser Punkt bei der Neubehandlung des Themas geklärt werden – Fortsetzung folgt.
Das restliche Programm mit viel Einigkeit
Ob nun das Prüfen von „Park& Ride“-Stellflächen an der Immenröder Straße in Höhe der B 6-Ausfahrt, auf dem früheren Lokschuppen an der Riechenberger Spange und weiteren Standorten etwa an den A 36-Auffahrten. Oder das möglichst zügige Instandsetzen des Antriebsrades an der Lohmühle. Oder das Aufheben zweier Sperrvermerke für Stellen im Goslarer Stadtarchiv. Der Rat war sich sonst bei seiner Live-Premiere sehr oft einig in der Sache.
Verbalen Gegenwind gab es lediglich bei einem Antrag der Grünen Partei 42, nach dem die Verwaltung die Auflage eines kommunalen Förderprogramms für Photovoltaik-Anlagen in der Goslarer Altstadt einschließlich der Welterbe-Pufferzone prüfen soll. Stoßrichtung sei es, erklärte Fraktionschefin Sabine Seifarth, die Bürger in jenem Umfang finanziell zu entlasten, um den das Bauen solcher Anlagen im Welterbe teurer werde. Im Klartext: „Der Nachteil muss weg.“ Bis auf CDU und AfD gingen in dieser Frage auch alle anderen Fraktionen mit. Bengt Kreibohm mutmaßte jedoch für die CDU, dass eine fünfstellige Summe schnell erreicht sei. Passende Förderkulissen gebe es bei N- und KfW-Bank.
Kommunales Fördern sei auch deshalb nicht nötig, weil dem Aufwand kein spürbarer Nutzen gegenüberstehe und es einen enormen Personalaufwand in der Verwaltung bedeute. Kurzum: „Ich befürchte ein Fass ohne Boden.“ Der fraktionslose Niklas Prause sprach noch einmal das schon lange stiefmütterlich behandelte Archiv an und war froh, dass sein gemeinsamer Antrag mit den Linken doch noch zum Zuge komme. Vielleicht müsse es aber „in Goslar immer erst richtig brennen, bevor gehandelt wird“. Genauso übrigens wie beim Kita-Personal: Die Frage wird am 12. März in der Arbeitsgruppe Kita-Grundsatzfragen diskutiert und rückt am 11. April wieder auf die Tagesordnung des Ausschusses für Bildung, Familie und Soziales.