Stress und Depressionen: Psyche vieler Bad Harzburger stark belastet

Der Weg zur Beratungsstelle: Bad Harzburger Einwohner haben mit einigen Sorgen und Ängsten zu kämpfen. Symbolfoto: Pexels
Sorgen und soziale Ängste in der Gesellschaft: Die Beratungsstelle Bad Harzburg berät zunehmend Multiproblemfamilien. Die Psychologin Claudia Brümmer spricht außerdem von steigenden depressiven Tendenzen und finanziellen Problemen.
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Bad Harzburg. Kriege, Energie-Krise, Inflation und Naturkatastrophen machen vielen Menschen Angst. „Die Krisenstimmung ist in meinen Beratungen deutlich erkennbar“, sagt Psychologin und Psychotherapeutin Claudia Brümmer von der Beratungsstelle Bad Harzburg. Verunsicherung und Sorgen seien in der vergangenen Zeit bei ihren Klienten zunehmend gestiegen.
Die Ratsuchenden gehen freiwillig zu der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche. Das macht es für Claudia Brümmer deutlich einfacher, sie bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Oft gehe es in den Gesprächen um konfliktreiche Beziehungen zwischen den Elternteilen oder den Umgang mit Kindern bei Trennungen, wie die Gesamtleiterin der Standorte Goslar, Bad Harzburg und Clausthal-Zellerfeld erzählt.
Familien in der Krise
Weitere Gründe für Anmeldungen bei der Beratungsstelle seien Auffälligkeiten im Sozialverhalten der Kinder oder schulische Probleme wie Lern- und Leistungsbeeinträchtigungen oder Konzentrationsprobleme. Während der Beratung würden sich häufig ganz verschiedene Ursachen für die vermeintlichen Probleme der Kinder herausstellen. „Oft zeigt sich, dass eher die Eltern in einer Krise stecken oder persönlich Probleme haben, die sie wiederum auf das Kind übertragen“, erklärt Brümmer. Auch mit Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern habe sie tagtäglich zu tun.
Schweigepflicht im Notfall brechen
Insgesamt seien laut der Psychologin Unsicherheiten und soziale Ängste bei den Klienten deutlich zu spüren. Was in der vergangenen Zeit auffällig zugenommen habe, seien die Beratungen für Jugendliche. „Entweder haben sie viel mehr Probleme und Sorgen, oder sie gehen mittlerweile offener damit um“, vermutet sie. Die Jugendlichen in ihrer Beratung seien unsicher, hätten Zukunftsängste oder eine Selbstfindungsstörung. Auch Suizidgedanken werden häufiger geäußert, in solchen Notfällen breche Brümmer dann ihre Schweigepflicht. „Es kann sein, dass ich das Vertrauen des Jugendlichen verliere, aber da geht die Gesundheit einfach vor“, erklärt sie.

Claudia Brümmer: „Die Krisenstimmung ist in meinen Beratungen deutlich erkennbar.“ Foto: Jenzora
Allerdings würde sie das Thema zum Anfang der Beratung immer offen ansprechen, sodass sich die Klienten nicht hintergangen fühlen. Dass sich dadurch jemand verschließen oder nicht komplett ehrlich sein würde, davor habe die Psychologin keine Angst: „Die Klienten kommen freiwillig zu mir, also wollen sie die Hilfe. Außerdem merke ich in den Gesprächen, wenn jemand gefährdet ist“. Die Schweigepflicht werde ebenfalls gebrochen, wenn Kindeswohlgefährdung oder Fremdgefährdung im Raum stehe. Aber auch da würde sie transparent handeln und ihre nächsten Schritte den Klienten offen darlegen.
Depressive Tendenzen
Auch Depressionen und depressive Tendenzen nehme sie bei den Erwachsenen zunehmend wahr, da Eltern durch verschiedenste Herausforderungen psychisch belastet seien. „Bei vielen sind die Grenzen erreicht, vor allem finanziell. Zum Beispiel sind diese Familien mittlerweile gezwungen, die Tafel aufzusuchen, das belastet sie sehr.“
Früher habe es oft lange Beratungsphasen gegeben, wo auch nur ein Problem behandelt wurde. „Heute sind es Multiproblemfamilien“, erklärt Brümmer. Wenn ein Kind angemeldet wird, stelle sich am Ende heraus, dass es viel mehr Bedarf in der ganzen Familie gebe. Auch die Regelmäßigkeit der Besuche sei gestiegen. Klienten würden in längeren oder kürzeren Abständen immer wieder die Hilfe der Beratungsstelle mit jeder Art von Problemen aufsuchen.
Wartezeit von sechs Montaten
Durch personelle Engpässe ist die Terminvergabe laut Brümmer aber oft nicht leicht. Im letzten Jahr habe ein Klient eine Wartezeit von sechs Monaten gehabt. „Das können wir eigentlich gar nicht verantworten“. Seit Januar ist die Beratungsstelle allerdings besser aufgestellt. Klienten müssten nun ein Vierteljahr auf einen Termin warten. „Jugendliche ziehen wir immer vor, die dürfen nicht warten. Aber auch bei häuslicher Gewalt, Pflegefamilien und Suizidgedanken machen wir Ausnahmen“, schildert die Psychologin. „Das ist zwar ungerecht denjenigen gegenüber, die in der Warteliste stehen, aber mehr als arbeiten können wir auch nicht.“
Ein Angebot, das sie daher gerne empfiehlt, ist die bke-Onlineberatung. Das professionelle Angebot für Jugendliche und Eltern ist anonym, kostenfrei und datensicher. Dort könne man jederzeit in verschiedenen Themenchats Hilfe suchen.