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Energiekrise

Sorge um Sicherheit der Gasspeicher

Im niedersächsischen Elsfleth wird Gas gespeichert.

Im niedersächsischen Elsfleth wird Gas gespeichert.

Die kritische Infrastruktur ist im Visier von Sabotage und Angriffen. Nachdem an den Nord-Stream-Pipelines Manipulationen vorgenommen wurden, sorgen sich die Behörden hierzulande auch um das Gasnetz in Deutschland. Viele sehen die Politik in der Pflicht.

Donnerstag, 20.10.2022, 11:30 Uhr

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Erst der Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee, dann die Sabotage des Funknetzes der Deutschen Bahn. Die deutschen Sicherheitsbehörden sind alarmiert, die kritische Infrastruktur ist ins Visier geraten. Attacken auf das Telekommunikationsnetz sowie auf die Energieversorgung gelten als reale Gefahr. Weitere Angriffe gegen ebendiese Einrichtungen, „möglicherweise auch in quantitativ und gegebenenfalls auch qualitativ gesteigerter Form“, seien in Betracht zu ziehen, heißt es einer internen Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamts (BKA), die unserer Redaktion vorliegt.

„Wir leben in einer Zeit, in der wir mit hybriden Angriffen auf unsere Daseinsvorsorge von Wasser über Strom, Verkehr bis hin zu bestimmten Lebensmitteln rechnen müssen“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) unserer Redaktion. „Gaspipelines, Erdgasspeicher und auch die neuen Flüssiggasterminals in Niedersachsen kommen als potenzielle Ziele natürlich infrage und müssen besonders geschützt werden.“ Das Gas ist in diesem Winter infolge des Konflikts mit Russland ohnehin schon Mangelware in Deutschland. Wie gut ist die Gasinfrastruktur gegen Anschläge gesichert?

50 sind unterirdisch

Knapp 50 unterirdische Gasspeicher sind über ganz Deutschland verteilt, hinzu kommen Übergabe- und Verdichterstationen, Regel- und Messanlagen. Außerdem zieht sich ein dichtes Leitungsnetz mit einer Gesamtlänge von rund 540.000 Kilometern durch das Land. Aneinandergelegt würden die Leitungen etwa 13 Mal um den Erdball reichen.

Als sehr sicher gelten die Gasspeicher, die sich weit unter der Erdoberfläche in einer Tiefe von einem bis anderthalb Kilometern befinden. Um die Speicher zu beschädigen, wäre schweres Gerät erforderlich, wie es im Bergbau zum Einsatz kommt. Eine solcher Angriff würde kaum unbemerkt bleiben.

Ein möglicher Schwachpunkt sind die oberirdischen Anlagen. Ein Betreiber eines Erdgasspeichers will „aus nachvollziehbaren Gründen“ keine Auskunft über die Sicherheitsmaßnahmen geben. Das Unternehmen astora, das den größten deutschen Erdgasspeicher im niedersächsischen Rehden betreibt, teilt unserer Redaktion mit: „Strenge Zutrittskontrollen sowie eine Videoüberwachung des gesamten Perimeters der technischen Anlage sorgen dafür, dass das Risiko eines Anschlages auf ein Minimum reduziert wird.“ Gleichwohl sei man sich „der besonderen und erhöhten Gefahrenlage durch die derzeitige Situation“ bewusst: „Aus diesem Grund wurden die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Erdgasspeichers noch einmal erhöht.“

Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW), Gerald Linke, hält die überirdischen Anlagen der Gasinfrastruktur in der Regel für gut geschützt: „Hier ist eine Beschädigung schwer durchzuführen.“ Allerdings habe jede Infrastruktur „ihre Schwachpunkte“ fügt er hinzu und nennt als Beispiel die Zuleitungen zu einem Speicher oder zu einer Verdichterstation. Auch das verzweigte Leitungsnetz mit einer Gesamtlänge von mehr als einer halben Million Kilometern könne „nicht an Ort und Stelle überwacht werden“, sagt Linke.

Leitungen mit Detektoren

Die gute Nachricht: Geschützt sind die Pipelines dadurch, dass sie einen Meter oder tiefer in der Erde liegen. Wer sich an den Röhren mit einer Wanddicke von ein bis zwei Zentimetern zu schaffen machen will, braucht mindestens einen Bagger. Einige Leitungen sind zudem durch Detektoren gesichert, die im Fall von Manipulationen einen Alarm auslösen. Außerdem können die an Land verlegten Leitungen im Gegensatz zu tief auf dem Meeresgrund liegenden Gasröhren laut DVGW-Chef Linke „innerhalb von Tagen“ repariert werden. „Aber vor terroristischen Attacken lässt sich keine Infrastruktur schützen.“

In Sorge sind die Sicherheitsbehörden daher auch um Projekte, die derzeit erst im Bau sind. Deutschland bemüht sich gerade darum, im Eiltempo unabhängig von russischem Gas zu werden. Dafür wird unter anderem im niedersächsischen Wilhelmshaven ein Importterminal für mit dem Schiff angeliefertes Flüssiggas (LNG) gebaut. Ende Dezember könnte das Terminal in Betrieb gehen. „Die Polizei und die Betreiber arbeiten sehr eng zusammen, um etwaige Angriffe abzuwehren zu können“, berichtet Landesinnenminister Pistorius. Für die Flüssiggasinfrastruktur in Niedersachsen gilt eine „abstrakte Gefährdungsstufe“. Pistorius sieht den Staat „auf allen Ebenen gefordert, gemeinsam mit den Betreibern von kritischer Infrastruktur alle Anstrengungen zu unternehmen, um Angriffe abzuwehren“.

Politik in der Pflicht

Für den DVGW-Vorstandsvorsitzenden Linke sind vor allem Politik und Behörden in der Pflicht, für den Schutz der Gasinfrastruktur zu sorgen. „Es kann nicht Aufgabe der Energiewirtschaft sein, hier jeden Meter der Pipelines zu überwachen.“ Es sei eine „nachrichtendienstliche Aufgabe“, weitere Anschläge wie auf die Nord-Stream-Pipelines zu verhindern.

Den Sicherheitsbehördenliegen liegen nach Angaben des Innenministeriums „keine konkreten Erkenntnisse“ bezüglich etwaiger geplanter Angriffe auf die deutsche Gasinfrastruktur vor. Von der Sabotage des Funknetzes der Deutschen Bahn, bei der die Durchtrennung von Kabeln am 8. Oktober zu einem stundenlangen Ausfall des Bahnverkehrs in Norddeutschland geführt hatte, wurden die Sicherheitsbehörden jedoch ebenso überrascht wie von dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines knapp zwei Wochen vorher. Wer hinter den Taten steckt, ist weiterhin unklar.

Von Jan Dörner, Funke Medien Gruppe

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