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Termin der Reihe „Kanzler-Gespräch“

Scholz schmunzelt: Kurzes Video reicht für Pseudo-Skandal

Nach knapp 16 von 90 Minuten des Mitschnitts auf der Website des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung gibt es die Szene, da sich Scholz im Gespräch mit Hendrik Wolf-Doettinchem (kleines Bild) überraschend gut gelaunt gibt. Foto: Bundesregierung/ Collage: Jürgen Runo

Nach knapp 16 von 90 Minuten des Mitschnitts auf der Website des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung gibt es die Szene, da sich Scholz im Gespräch mit Hendrik Wolf-Doettinchem (kleines Bild) überraschend gut gelaunt gibt. Foto: Bundesregierung/ Collage: Jürgen Runo

Der Kanzler hat gekichert. War das wirklich der Schuss in den Ofen eines geplagten Bäckers? Oder doch eher eine klickgetriebene Krampfkampagne? „Habe ich nicht so empfunden“: Ein Wolfsburger spricht über seinen im Netz heiß gehandelten Kanzler-Termin.

Sonntag, 13.11.2022, 12:00 Uhr

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Bevor der Mann zu Wort kommt, der den vielfach so eilig konsumierten wie eifrig kommentierten Auftritt von Olaf Scholz (SPD) in Gifhorn am besten beurteilen kann, ist eine Einleitung vonnöten. Um einen Termin der Reihe „Kanzler-Gespräch“ geht es. Dienstag, 1. November. 90 Minuten Scholz. Stadthalle. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat die ganze Chose angeschoben.

120 Zuschauer waren dabei bzw. durften sich melden und den Kanzler etwas fragen – wobei die Zahl der Sicherheitskräfte deutlich höher lag, wie Lokalredakteur Reiner Silberstein beobachtet hat. Thematisch war’s ein wilder Ritt: Bildung, Energie, Schulden, Innen- wie Außenpolitik kamen zur Sprache.

Und nun endlich zum Aufreger, dessentwegen davon noch die Rede ist: Wild im Netz verbreitete sich bald darauf ein sekundenkurzer Videoausschnitt, der zu belegen scheint, dass sich Scholz über die Energiesorgen eines anderen Bäckers lustig machte. „Da wusste ich gar nicht, wie traurig ich gucken sollte“, sagte Scholz – tatsächlich etwas rätselhaft amüsiert –, als er erwähnte, wie der Mann ihm erzählt habe, welchen Kummer er nach dem Wechsel vom Elektro- zum Gasofen hatte.

„Das ist unanständig und zeigt, wie egal wir Bürgerinnen und Bürger der Bundesregierung sind. Wir finden: Olaf Scholz muss sich entschuldigen!“, schrieb die CSU auf Twitter. Auch Paul Ziemiak (CDU) regte sich auf, Julian Reichelt und viele andere schlossen sich an. Doch was sagt der Mann, mit dem Scholz sich in dieser Passage überhaupt unterhielt? Wir haben Hendrik Wolf-Doettinchem gefragt. Der Wolfsburger Unternehmer ist Geschäftsführer der Bäckerei-Kette Cadera (24 Filialen, 240 Mitarbeiter). Er ist 65 Jahre alt und nicht SPD-Mitglied, wie man in diesem Zusammenhang erwähnen darf.

Es fühlt sich merkwürdig an. Ich stehe staunend an der Seite. Natürlich war mir klar, dass es eine öffentliche Veranstaltung war. Aber was nachher losgegangen ist, hat ja nur indirekt mit meiner Frage zu tun. Es geht eigentlich gar nicht um mich.

Demokratie lebt doch davon, dass wir uns beteiligen. Mir ist es grundsätzlich wichtig, mir einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, auch von den politisch entscheidenden Menschen. Und immerhin hatte ich in Gifhorn Gelegenheit, Herrn Scholz direkt zu erleben, 90 Minuten lang, in zwei bis vier Metern Entfernung, ihn sozusagen auch zu „spüren“. Mich interessierte die Frage: Was ist das für ein Mensch, der unser Bundeskanzler ist?

Das ist aus meiner Sicht sehr gut gelaufen. Zwei Themen habe ich angesprochen: zum einen die überbordende, sowohl teure als auch lähmende Bürokratie in unserem Land – und zum anderen die Probleme der für unsere Wirtschaft so wichtigen mittelständischen Unternehmen, die das volle Risiko haben und die Unterstützung brauchen, nicht was Zuschüsse angeht, sondern die Rahmenbedingungen. Nur nebenbei habe ich erwähnt, dass wir als Bäcker in einer besonders schwierigen Situation sind. Olaf Scholz’ Antwort mit Blick auf den Elektro-Gasofen-Vergleich bedeutete zunächst und vor allem: Ja, ich kenne die Probleme der Bäcker. Er hat ja auch auf den Hinweis der Moderatorin, ich solle eine richtige Frage stellen, gleich gesagt, er habe die Frage durchaus verstanden. Und er hat ja auch geantwortet. Ich habe mich vollkommen akzeptiert gefühlt, das war ganz normal.

Das könnte ich mir auch vorstellen, das weiß ich nicht. Ich selbst habe, wie gesagt, hauptsächlich das Signal „Ich weiß von euren Problemen“ empfangen. Währenddessen fand ich da gar nichts komisch, doch von außen und nachher betrachtet war das bestimmt keine glückliche Szene. Ich bin übrigens jemand, der garantiert einen Spruch gemacht hätte, wenn ich den Eindruck gehabt hätte, wir wären da verhöhnt worden. Aber ich habe es gar nicht so empfunden.

Unbedingt, ich halte das für höchst bedenklich. Die Frage ist doch: Ist das der Journalismus, den wir in der derzeitigen Situation in unserem Land brauchen? Bringt uns so etwas weiter? Ich denke das nicht. Wir sollten uns auf die Inhalte konzentrieren – in meinem Fall also auf die Themen Bürokratie und Mittelstand. Wozu Olaf Scholz ja durchaus etwas gesagt hat. Aber das interessiert jetzt keinen mehr. Jetzt geht es nur noch um Effekthascherei.

Von Harald Likus, Funke Mediengruppe

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