Harzturm gegen altbackenes Image des Harzes?

Ministerpräsident Stephan Weil ist bei der Eröffnungsfeier des Harzturms und des Wienerwalds dabei. Fotos: Neuendorf
Rummelplatz oder die Zukunft des Tourismus? Bei einer Podiumsdiskussion in Torfhaus sprechen die Investoren über den Harzturm und künftige Projekte. Kritik kommt nicht nur aus dem Internet. BUND-Vorsitzender Knolle geht mit der Politik hart ins Gericht.
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Torfhaus. Ferienunterkünfte auf neuestem Stand, moderne Systemgastronomie mit alpinem Flair, viel Platz zum kostenpflichtigen Parken auf gepflegtem Straßenbelag – und der neue Harzturm als Blickfang: Dass die tiefgreifenden Veränderungen in Torfhaus dem Tourismusstandort Harz gut tun, daran ließen die Sprecher beim „Harzforum Zukunft“ keinen Zweifel. Überraschend ist das nicht. Schließlich standen mit Hannes Mairinger, Geschäftsführer der Harzturm GmbH, und dem Hildesheimer Rechtsanwalt Frank Wodsack, der die Entwicklung des Torfhaus-Ferienresorts federführend vorangetrieben hat, zwei prominente Vertreter der Investoren auf dem Podium der von Martin Burghartz veranstalteten Diskussionsrunde im „Harz Welcome Center“.
Auch wenn in Torfhaus immer noch manches nach Baustelle aussieht: Tatsächlich hat die Gegenwart hier nur wenig gemein mit der Situation, an die sich mancher noch aus seiner Kindheit erinnert. Damals boten sich Gästen ein schlaglöchriger Parkplatz und eine begrenzte Zahl in die Jahre gekommener Unterkünfte. Das habe er auch 2011 noch in großen Teilen vorgefunden, als man mit der Errichtung des „Torfhaus Harzresort“ begann, erzählt Wodsack, der die geschlossene Ferienanlage mit Hotel und 46 Ferienhäusern zeitweilig auch als Geschäftsführer leitete. Rund 27 Millionen Euro habe man in die 75.000 Quadratmeter große Anlage gesteckt, zur der neuerdings auch ein Wienerwald-Lokal gehört.
Die Alpen als Vorbild für Torfhaus
Die Vorbilder für das „neue“ Torfhaus seien in den Alpen zu finden, betonte Harzturm-Chef Mairinger. „Wer wissen will, wie gute Wellnesshotels aussehen, der muss nach Südtirol schauen“, sagte er mit Blick auf eine weitere kommende große Hotelanlage – unter anderem mit Event- und Außensaunen sowie „Infinity-Pool inklusive Pool-Bar – mindestens viereinhalb Sterne“, wie der Österreicher vorab warb. Wodsack berichtete, für den geplanten Neubau habe der kommunale Bebauungsplan angepasst werden müssen, auch hätten „viele Einwohner uns das Leben schwer gemacht“, doch jetzt stehe die Baugenehmigung. Neu entstehen soll außerdem ein Parkhaus, um die zeitweilig angespannte Parksituation zu entschärfen.
Die vorerst neueste spektakuläre Zutat in Torfhaus ist der Harzturm. „Da oben ein Sundowner mit Aperol Spritz – das ist richtig geil“, schwärmte Mairinger. Auf den Aussichtsplattformen spüre man die „Urgewalt der Natur“. Einziger Wermutstropfen für den Betreiber: Obwohl bereits offiziell eröffnet, ist das 65 Meter hohe, mit Holzlamellen verkleidete Bauwerk immer noch nicht in vollem Umfang für Besucher zugänglich. Eine komplette Freigabe werde es „nicht vor Frühjahr 2024“ geben, sagte Mairinger nun. Es fehlten noch letzte bauliche Handgriffe, die das Wetter derzeit unmöglich mache. Auch müsse die außen um den Turm herumlaufende 110 Meter lange „Erlebnisrutsche Rasantia“ noch „final abgenommen“ werden. Deshalb seien vorläufig nur geführte Begehungen möglich. Davon aber hätten schon „viele hundert Leute“ Gebrauch gemacht.
Kritik in den Sozialen Netzwerken
Moderatorin Kerstin Loehr, Chefredakteurin der Braunschweiger Zeitung, verwies auf Kritik in Sozialen Netzwerken, die sich insbesondere am neuen Harzturm entzünde. Im Netz lese man etwa, Torfhaus verkomme zum „Rummelplatz“, die Angebote des Gastgewerbes seien „künstlich“ und „Event-Tourismus“. Wodsack entgegnete: „Wir haben hier bewusst kein Disneyland gebaut und zum Beispiel auf das Aufstellen von vielen Werbeschildern verzichtet.“ Man habe vielmehr „ein Bergdorf“ neu entstehen lassen.
„Wenn wir nicht gekommen wären, würden hier immer noch die einstigen Bruchbuden stehen“, so Wodsack. Es gehe schlicht um Aufenthaltsqualität. Auch Mairinger, der einst den Heidepark in Soltau leitete, distanzierte sich vom „Event-Tourismus“. Seine Begründung: Bei der Gastronomie liege kein besonderer Fokus auf Veranstaltungen für große Menschenmassen – „denn das verstehe ich unter Event“. Ziel sei stattdessen, sich wohlzufühlen und etwas zu erleben. Und dafür sei die „Entwicklung“ des Standorts schlicht notwendig gewesen.
Das wird auch in Hannover so gesehen. Von unserer Zeitung gebeten, die Entwicklung in Torfhaus zu beurteilen, schreibt das Niedersächsische Wirtschaftsministerium: „Wir sehen keinen Widerspruch zwischen dem touristischen Übernachtungs- und Unterhaltungsangebot und dem reichen naturtouristischen Angebot des Nationalparks.“ Mit dem Harzturm, dessen Bau das Land mit knapp 1,4 Millionen Euro gefördert hat, sei „ein weiterer touristischer Anziehungspunkt im Harz“ entstanden, der „auch im Kontext der Investitionen der Torfhaus Harzresort GmbH in ein hochwertiges Ferienhaus- und Hotelangebot“ junge und anspruchsvollere Zielgruppen ansprechen solle. Viele Zuhörer, die sich an der Diskussion beteiligten, äußerten sich ähnlich.
BUND-Vorsitzender kritisiert Politik
Kritische Stimmen gibt es dennoch auch außerhalb der Sozialen Medien. Eine davon ist Friedhart Knolle, Vorsitzender des Umweltverbands BUND im Westharz. „Niemand kann mir erzählen, dass bei dem, was da entsteht, das Naturerlebnis im Vordergrund steht“, sagt er unserer Redaktion am Telefon. Im Harzturm sieht der langjährige Sprecher des Nationalparks Harz (bis 2021) ein „rein kommerzgetriebenes Showelement – mit dem Potenzial, Verkehrsprobleme zu verschärfen“. Knolles Kritik zielt aber weniger auf die Investoren als auf die Politik, die große „Leuchtturmprojekte“ fördere statt den Tourismus in der Fläche des Harzes zu entwickeln. „Dabei“, sagte er, „gibt es auch andernorts lohnende Ziele und viele Hoteliers und Gastronomen, die wirklich Unterstützung brauchen“. Der derzeitige Fokus laufe auf einen „harten“ Tourismus hinaus, von dem in Harz nur wenige Menschen profitierten.
Die Investoren in Torfhaus halten sich dagegen zugute, für das ganze Gebirge Großes geleistet zu haben. „Früher hatte der Harz ein Image wie Mottenkugeln. Das haben wir geändert“, sagte Mairinger. Wodsack ergänzte, das „Harzresort“ habe auch andere Anbieter im Harz animiert, ihre Ferienwohnungen und -häuser zu modernisieren und so attraktiver zu machen.
Grenzen setzt dem Bauboom in Torfhaus schließlich der Nationalpark Harz, der den Ortsteil der Ortschaft Altenau-Schulenberg von allen Seiten umgibt. „Wir sind vom Nationalpark umzingelt“, sagte Wodsack, der das zunächst „ein Problem“ nannte, dann zur „Herausforderung, uns abzustimmen“ abschwächte. Die Möglichkeiten seien daher „leider begrenzt“. Eine letzte große bebaubare Fläche ist allerdings noch frei. „Über deren Weiterentwicklung sind wir gerade in Gesprächen“. Von Andreas Eberhard, Funke Mediengruppe