Energiekrise: Die Grundversorgung als Rettungsring

Mit der Strompreisbremse sollen Verbraucher von März an rückwirkend entlastet werden. Foto: dpa.
Bei starken Preiserhöhungen für Strom und Gas kann ein Anbieterwechsel helfen. Der Andrang auf die Grundversorgung ist groß. Einzelne Versorger versuchen sich dagegen zu wehren und betreiben gezielt Desinformation. Wie der Wechsel trotzdem klappt.
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„Wir wollen den Kunden nicht“, sagt Timo Geibel. Wie kurios muss die Situation also sein, dass ein Vertriebsleiter gesteht, lieber nichts verkaufen zu wollen? Geibel arbeitet für die Maintal-Werke, einen Grundversorger für Gas und Strom in Südhessen. „Wir raten dem Kunden, sich einen anderen Versorger zu suchen als uns“, sagt er. Aber man halte sich natürlich ans Gesetz, fügt Geibel hinzu. Und das garantiert Haushaltskunden: Grundversorgung steht jedem zu.
Die Grundversorgung, das ist der Tarif, den Kunden automatisch bekommen, wenn sie in eine neue Wohnung ziehen – und nichts tun. Für jeden Ort gibt es einen Versorger, oft sind das die Stadtwerke. Zu normalen Zeiten war dieser Grundversorgungstarif relativ teuer. Geldratgeber wie Finanztip empfahlen Strom- und Gaskunden, sich schnell einen anderen, einen sogenannten Sondertarif zu nehmen.
Doch seit dem Krieg in der Ukraine spielen die Märkte verrückt. Und plötzlich sind die Grundversorger oft günstiger, weil sie meist eine sehr langfristige Einkaufsstrategie haben. Sie haben also genug Energie eingekauft, als sie noch günstig war.
Andrang auf die Grundversorgung
So kommt es, dass Grundversorger heute in vielen Regionen Deutschlands günstige Gas- und Strompreise bieten. Und immer mehr Menschen, denen drastische Preiserhöhungen ins Haus flattern, folgen dem Rat von Finanztip, jetzt in die Grundversorgung zu wechseln, um die Zeit bis zur ersehnten Strom- und vor allem Gaspreisbremse zu überbrücken. In vielen Fällen lassen sich so mehrere Hundert Euro, teilweise mehr als 1000 Euro sparen.
Allerdings steigt damit der Druck für die Grundversorger – plötzlich müssen sie Tausende Neukunden beliefern. Kein leichtes Unterfangen, denn die Einkaufspreise sind hoch und schwanken sehr stark, gerade der Gasmarkt ist sprunghaft. Das führt dazu, dass sich viele Discount-Anbieter momentan ganz aus dem Geschäft verabschieden und sämtliche Kundenverträge kündigen. Grundversorger dagegen sind zur Lieferung von Strom und Gas gesetzlich verpflichtet, sie können Kunden nicht einfach ablehnen.
Versorger wehren sich mit allen Tricks
Die Folge: Einzelne Grundversorger betreiben Desinformation, verstecken die Grundversorgungstarife auf ihrer Webseite, wehren sich gegen den Andrang. Finanztip liegen teils haarsträubende Kundenberichte vor. Einer schrieb seinem Versorger gleich zweimal, er möge ihn doch bitte in die Grundversorgung aufnehmen. Beide Male erhielt er als Antwort, das sei nicht möglich, es sei kein Kontingent mehr frei. Das aber ist kein Grund, dem Kunden das Recht auf Grundversorgung zu verweigern.
Sehr beliebt ist auch der Hinweis auf den oft doppelt bis dreifach teureren Tarif in der sogenannten Ersatzversorgung: Jeder Neukunde müsse erst einmal drei Monate lang in diesem Tarif ausharren, bevor er ein Recht auf Grundversorgung hätte. Auch das stimmt nicht.
Tatsächlich dürfen normale Haushaltskunden nur in die Ersatzversorgung geschoben werden, sofern ihr bisheriger Anbieter plötzlich nicht mehr liefert, etwa weil er pleite ist. Aus Unwissenheit nehmen viele Kunden die Schikane hin, wer zweifelt schon an rechtlichen Aussagen seiner Stadtwerke? Auf Finanztip-Nachfrage bei einem dieser Versorger, auf welcher gesetzlichen Grundlage das denn geschehe, kam die lapidare Antwort, es handle sich um ein „Missverständnis“.
So klappt der Wechsel
Die gute Nachricht: Wer unbedingt in die Grundversorgung wechseln möchte, hat in den allermeisten Fällen das Recht dazu. Meldet man sich schriftlich mit Zählernummer und Adresse für die Grundversorgung an, ist man auf der ganz sicheren Seite. Bei Widerstand hilft oft ein Hinweis auf die Paragrafen 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes – und auf die entsprechenden Aussagen der Bundesnetzagentur. Finanztip-Leser berichten, man habe sie danach rückwirkend in die Grundversorgung verbucht.
Immerhin: Viele Grundversorger mögen ihre günstigen Tarife auf der Webseite verstecken. Doch glatter Rechtsbruch wie in diesen Beispielen ist eher die Ausnahme. Auf die meisten Grundversorger ist offenbar Verlass. Sie sichern die Energielieferung und wirtschaften häufig mit Weitblick, was sich jetzt bezahlt macht.
Zunehmend werden aber auch sie ihre Preise erhöhen müssen. „Wir haben ein großes Problem in der Energiebeschaffung wegen des ungeplanten Kundenzuwachses“, sagt etwa Christian Schröder von der Energieversorgung Mittelrhein. Langfristig müssen Grundversorger dann aber fürchten, auf den bestellten Gasmengen sitzen zu bleiben, sobald die Märkte sich normalisieren. Denn dann könnten Discounter wieder mit billigen Preisen locken.
Von Bejamin Weigl, Funke Mediengruppe
Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.