Strack-Zimmermann in Goslar: „Zeitenwende“ erfordert Umdenken

„Wegzugucken ist keine Antwort“: Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann spricht in der Kaiserpfalz. Foto: Neuendorf
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann warnte in Goslar vor den Bedrohungen durch autokratische Staaten wie Russland, China und dem Iran. Sie forderte ein Umdenken in der Politik und Wirtschaft, um Frieden und Freiheit zu verteidigen.
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Goslar. Es gibt Politiker, die erzählen und erzählen, haben aber nicht viel zu sagen. Zu dieser Sorte gehört die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann nicht. Die 66-Jährige redet klar und verständlich und hat eine Botschaft. Welche Schlüsse sie aus der viel zitierten „Zeitenwende“ zieht, das erfuhren nun zahlreiche Menschen in Goslar.
Strack-Zimmermann sprach am Donnerstag zunächst bei einer FDP-Wahlveranstaltung im „Achtermann“ und später vor rund 440 Besuchern beim Jahrestreffen des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Harz in der Kaiserpfalz. Ihr Hauptthema war die Zeitenwende. Ihr Appell lautete, die Menschen sollen genau hinhören, was die Autokraten und Machthaber in Russland, China, Nordkorea oder Iran sagen oder Vertreter der AfD, die Deutschland aus Europa und der Nato führen wollten.
„Wo war die Aufregung?“: Kritik an Deutschlands Russland-Politik
Die Zeitenwende hat für Strack-Zimmermann spätestens 2014 begonnen, mit dem ersten Angriff Russlands auf die Ukraine. „Wo war da eigentlich die Aufregung?“, fragte Strack-Zimmermann in der Kaiserpfalz in ihrer frei vorgetragenen Rede. „Hätten wir reagiert, wäre vieles anders geworden.“ Die Bundesregierung aber habe damals mit der Erdgaspipeline Nord Stream 2 „noch ein Geschäft eingefädelt“. Und sie erinnerte daran, dass Putin bereits 2007 auf der Münchener Sicherheitskonferenz erklärt habe, er wolle die „große Sowjetunion“ wieder zusammenführen. „Alles, was wir heute erleben, wurde damals vorgetragen.“ Der Krieg gegen die Ukraine habe „die komplette Welt aus den Angeln gehoben“.
Bedrohung durch den Iran und die Rolle der Revolutionsgarden
Auch den Iran, der Russland mit Drohnen im Krieg gegen die Ukraine versorgt, nahm sie in den Blick. Das Land, das über seine Schattenarmeen wie die Hamas, die Hisbollah und die Huthis Terror verbreite und das junge Frauen mit dem Tode bestrafe, wenn sie ihr Kopftuch nicht richtig tragen würden. Sie schlug vor, die Revolutionsgarden, die in Europa „in Saus und Braus“ leben würden, zu sanktionieren. Sie erinnerte daran, dass die aus dem Iran unterstützte Hamas Israel am 7. Oktober angegriffen habe und der Iran Israel mittlerweile auch erstmals direkt angegriffen habe.
„Wegzugucken ist keine Antwort“
„Wegzugucken ist keine Antwort“, sagte Strack-Zimmermann in der Kaiserpfalz angesichts der Bedrohungen durch Autokraten. „Wir haben die Chance, dagegenzuhalten und uns zur Wehr zu setzen.“ Frieden und Freiheit müssten siegen. Lehren aus der „Zeitenwende“ müsse aber nicht nur die Politik ziehen, auch die Wirtschaft. China sei der größte Handelspartner Deutschlands. Ihr Rat lautet: „Entkoppeln wir uns von Abhängigkeiten.“ BMW aber erwirtschafte 60 Prozent seines Umsatzes in China, VW 40 Prozent und BASF investiere in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro in China.
Europa als Gegenmodell zu Autokraten
Als Gegenmodell zu autokratischen Staaten lobte die FDP-Politikerin Europa als Friedensprojekt, das erhalten und gestärkt werden müsse. Die Chancen dafür stünden gut, zumal das Interesse an den Eurowahlen noch nie so groß gewesen sei wie derzeit. Strack-Zimmermann sagte: „Die Europawahl wird darüber entscheiden, ob wir die Herausforderung annehmen.“ Dafür müsse die Bürokratie abgebaut werden. Vor allem aber sprach sie sich dafür aus, die Verteidigungsausgaben nicht länger als nationale, sondern gemeinschaftliche Aufgabe in der EU zu verstehen. Die Nationen könnten Rüstungsgüter zusammen einkaufen und unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen.
Blick auf die USA und die Zukunft Europas
Die FDP-Politikerin, die aus dem Rheinland stammt, sich als Optimistin sieht und 2017 in den Bundestag gewählt wurde, betonte: „Es gibt richtig viel zu tun, es gibt eine richtig große Chance.“ Thema Nummer eins seien „Sicherheit und Frieden“. Auch in die Vereinigten Staaten blickte sie und erklärte, wegen der Wahlen würden viele wie das Kaninchen vor der Schlange in die USA starren. Sie glaube aber nicht, dass Donald Trump der nächste Präsident werde, schob aber hinterher: „Wir können nicht darauf bauen und vertrauen.“ Europa müsse sich selbst um seine Probleme kümmern „und unseren Kontinent schützen“, um Frieden und Freiheit zu bewahren.

Gastgeschenke: Arbeitgeberverbandsgeschäftsführerin Anja Mertelsmann und Vorsitzender Torsten Janßen bedanken sich für eine beeindruckende Rede. Foto: Neuendorf
Reaktionen auf Strack-Zimmermanns Rede
Für ihre Rede erhielt Marie-Agnes Strack-Zimmermann lang anhaltenden Applaus. Unten vor der Kaiserpfalzwiese hatten sich in Erwartung der Politikerin vor ihrer Rede 30 bis 40 Demonstranten eingefunden, mit Trillerpfeifen und Flaggen mit Friedenstauben. Auf Spruchbändern und Pappschildern standen Parolen wie „Deutsche Kriegstrommler“ und „Lügenpack“. Bei Wahlkampfauftritten in Süddeutschland wurde Strack-Zimmermann in den vergangenen Tagen heftig angegangen und teilte selbst verbal aus. Wie es dazu gekommen ist, wie sie Europas Zukunft sieht und wie sie auf Rolf Mützenich von der SPD nach seinem Vorschlag blickt, den Krieg in der Ukraine einzufrieren, darüber gibt sie in einem Interview mit der GZ Auskunft. Das Interview wird kommende Woche veröffentlicht.