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Expertin Britta Siemann im Interview

Steigende Kosten: Was Studenten jetzt tun sollten

Britta Siemann

Britta Siemann

Steigende Lebenshaltungskosten drücken auf die Geldbörse – auch auf die von Studierenden der TU Clausthal. Sozialberaterin Britta Siemann vom Studentenwerk Ostniedersachsen gibt Tipps, wie junge Menschen der Schuldenfalle entkommen.

Von Angela Potthast Donnerstag, 10.11.2022, 10:30 Uhr

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Clausthal-Zellerfeld. Im Gespräch mit GZ-Mitarbeiterin Angela Potthast erklärt Britta Siemann aus Clausthal-Zellerfeld, Sozialberaterin beim Studentenwerk Ostniedersachsen, wie Studenten am besten mit den steigenden Kosten umgehen sollten und was ihnen jetzt helfen kann.

Frau Siemann, wann haben sich die ersten Studierenden bei Ihnen gemeldet?

Die ersten Studierenden haben sich gleich Anfang des Jahres in der Sozialberatung gemeldet, als die ersten Vermieterinnen und Vermieter sie kontaktiert und die Nebenkostenvorauszahlung erhöht hatten. Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden Steigerungen der Energie- und Lebensmittelkosten hatten vielen Studierenden große Sorgen bereitet.

Auch wir als Studentenwerk Ostniedersachsen mussten die Kosten erhöhen. Im April haben wir die Mensapreise um 20Prozent erhöht sowie die Betriebskostenpauschale, also praktisch die Miete, monatlich um 15Euro pro Wohnheimplatz. Im September mussten wir die Miete erneut um 60Euro pro Monat und Wohnheimplatz erhöhen. Danach kamen einige Studierende mit Fragen zu den Entlastungspaketen, also konkret, ob und wann die Studierenden Geld erhalten werden.

Die drängendsten Sorgen sind?

Viele Studierende sorgen sich darum, dass ihr Budget aufgrund der hohen Energiepreise nicht mehr reicht, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Sie sind unsicher, ob sie ihren Job behalten können oder ihre Stelle eventuell gestrichen wird. Internationale Studierende müssen einen Finanzierungsnachweis erbringen. Und dieser hat sich erhöht, weil sich dessen Höhe am aktuellen BAföG-Satz orientiert. Weil dieser zum Wintersemester angehoben wurde, müssen sie jetzt 3000 Euro mehr nachweisen als vorher. Das führt wiederum dazu, dass viele Studierende Schulden machen müssen.

Problematisch ist, dass einige den vermeintlich leichten Weg wählen, über eine Kreditkarte Geld zu bekommen. Aber auch diese Schulden müssen wieder getilgt werden und somit geht es für nicht wenige Studierende in die Schuldenfalle. Das Studentenwerk Ostniedersachsen bietet deswegen seit diesem Wintersemester einen unkomplizierten Weg an, eine Schuldnerberatung in Anspruch zu nehmen. Dazu müssen sich die Studierenden in der Sozialberatung melden und werden dann von dort aus an die entsprechende Stelle weitergeleitet.

Wie äußert sich die psychische Belastung der Studierenden?

Viele der Studierenden, die zu uns kommen, haben Zukunftsängste. Ganz konkret fragen sie sich, ob sie es schaffen, ihre Kosten zu decken, um das Studium zu Ende zu bringen. Ebenfalls sehr belastend sind die politischen Situationen in ihren Heimatländern, wie zum Beispiel dem Iran. Die psychischen Folgen können sich auf vielfältige Weise äußern, wie zum Beispiel Panikattacken oder Depressionen.

Wie können Sie unterstützen?

Zuerst wird im Gespräch geklärt, ob es Möglichkeiten für den Studierenden gibt, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen, wie zum Beispiel einen Wohngeldzuschuss. Oder ob es andere Einnahmenquellen gibt, die im Notfall helfen können, damit das Studium zu Ende geführt werden kann. Darin besteht ja die Hauptaufgabe als Beraterin.

Wir prüfen im persönlichen Gespräch die Möglichkeiten der Studierenden. An der TU Clausthal sind allerdings sehr viele internationale Studierende immatrikuliert und die sind von den meisten Sozialleistungen ausgeschlossen. Für sehr akute Fälle haben wir im Studentenwerk Ostniedersachsen deshalb einen Notfonds, der einmalig helfen kann. Dieser ist nach Beantragung und Prüfung auch innerhalb kürzester Zeit verfügbar.

TU Clausthal, Studentenwerk Ost-Niedersachsen, Sozialberatung in der Silberstraße 1

TU Clausthal, Studentenwerk Ost-Niedersachsen, Sozialberatung in der Silberstraße 1

Aber ganz sicher kann das Studentenwerk Ostniedersachsen nicht die gestiegenen Energiekosten aller Studierenden bezahlen. Da muss von der Politik eine andere Möglichkeit geschaffen werden. Wir werden sehen, wie und wann das Geld aus dem dritten Entlastungspaket bei den Studierenden ankommt.

Welche Anlaufstellen sind zu nennen, die kurzfristig Hilfe versprechen?

Die Studierenden, die BAföG beziehen, haben schon einen Heizkostenzuschuss in Höhe von 230Euro erhalten und ein zweiter Heizkostenzuschuss in Höhe von 345Euro wurde bereits angekündigt. Auch die Wohngeldempfängerinnen und -empfänger bekommen einen höheren Heizkostenzuschuss. Allerdings sind nur wenige Studierende an der TU Clausthal berechtigt, Wohngeld zu beziehen. Vor Ort hat die evangelische Kirche die Möglichkeit, internationale Studierende unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Stipendium zu fördern.

Wie groß ist der Anteil Studierender, die sich Ihrer Kenntnis nach in existenzieller Notlage befinden?

Zahlen dazu haben wir nicht, aber nach unserer Erfahrung wird sich ein Großteil der internationalen Studierenden in einer Notlage befinden, da diese häufig schon vor der Energiekostenerhöhung wenig Geld zur Verfügung hatten. Das zeigen auch die Zahlen der Überbrückungshilfe (Corona-Hilfe für Studierende). Um diese bekommen zu können, wurde eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Richtlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gemacht. Danach waren dreiProzent aller Studierenden in Deutschland in einer pandemiebedingten Notlage und davon waren ein Drittel internationale Studierende.

Brechen Studierende ihre Ausbildung an der TU Clausthal auch ab, um (erst einmal) Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen?

Das können wir nicht beurteilen, denn dazu liegen keine Zahlen vor. Aber es gab schon immer Studierende, die ein paar Wochen keine Lehrveranstaltungen mitgemacht haben, um soviel es geht, entsprechend den Richtlinien des Aufenthaltsrechts, zu arbeiten, damit sie sich ihr Leben finanzieren können.

Gab es schon einmal eine vergleichbare Situation; wenn ja, wann?

Ja, vergleichbar ist die Situation mit der während der Hochphase der Corona-Pandemie. Als aufgrund der Lockdowns viele Jobs wegfielen und die Hochschulen keine Präsenzveranstaltungen mehr anbieten konnten. Damals gab es die Überbrückungshilfe vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, die über die Studentenwerke ausgezahlt wurde. So eine schnelle Hilfe wäre auch jetzt hilfreich, denn wir brauchen ja dringend akademischen Nachwuchs. Nicht jede und jeder Studierende hat Eltern oder andere Verwandte, die unterstützen können.

Kontaktmöglichkeit

Für die Sozial- und Finanzierungsberatung des Studentenwerks Ostniedersachsen ist Sozialberaterin Britta Siemann in Clausthal-Zellerfeld zuständig. Ihr Büro hat sie im Studentenzentrum in der Silberstraße 1. Sprechzeiten sind dienstags und donnerstags zwischen 9 und 12Uhr. Telefonisch ist sie erreichbar unter (05323) 723926 und per E-Mail an b.siemann@stw-on.de. Ihre Kollegin Heidi Hohmann bietet psychologische Beratung an.

 

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