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Demokratie-Vortrag im Ratsgymnasium

Professor Kai Trampedach verrät: Athener mögen keine Idioten

Plausch unter Ehemaligen (v. li.): Karsten Behr, seit Februar pensionierter Latein- und Geschichtslehrer, kennt den Heidelberger Althistoriker Professor Dr. Kai Trampedach bereits von einem Ratsgymnasium-Schulprojekt zum Jubiläumsjahr der Varus-Schlacht im Jahr 2009. „Ad aulam“-Cheforganisator Dr. Donald Giesecke hört aufmerksam zu. Foto: Heine

Plausch unter Ehemaligen (v. li.): Karsten Behr, seit Februar pensionierter Latein- und Geschichtslehrer, kennt den Heidelberger Althistoriker Professor Dr. Kai Trampedach bereits von einem Ratsgymnasium-Schulprojekt zum Jubiläumsjahr der Varus-Schlacht im Jahr 2009. „Ad aulam“-Cheforganisator Dr. Donald Giesecke hört aufmerksam zu. Foto: Heine

Professor Dr. Kai Trampedach ist Althistoriker an der renommierten Uni Heidelberg. Jetzt kehrte er zurück an seine alte Schule und erzählte im Ratsgymnasium von der attischen Demokratie – unter anderem davon, dass die Athener keine Idioten mögen.

Von Frank Heine Donnerstag, 22.06.2023, 06:00 Uhr

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Goslar. Die alten Athener waren schon ein uriges Völkchen: Zur Blütezeit der attischen Demokratie im fünften Jahrhundert vor Christus lebten sie eine direkte Demokratie wie nie wieder jemand in der Geschichte der Menschheit, bestimmten ihre 500 Ratsherren per Los, feierten mehr Feste als alle anderen und verlangten quasi auch von jeder Mann – Frauen waren außen vor – eine proaktive Teilnahme am Staatswesen. Wer keine Lust hatte und als Privatperson nur für sich wirtschaften wollte, den nannte man – seinerzeit noch einigermaßen wertfrei – einen Idioten.

Eine „bewegende Angelegenheit“

Ja, ein Heidelberger Professor und angesehener Althistoriker kann markant vortragen, wenn er auf der Bühne der Aula an seiner früheren Schule steht. Dr. Kai Trampedach hatte sein Abitur 1981 am Ratsgymnasium gemacht und versicherte am Dienstagabend, es sei eine „bewegende Angelegenheit“, als zweiter Referent bei der Ehemaligen-Vortragsreihe „Ad aulam“ aufzutreten.

„Ich habe später gemerkt, dass ich eine ganze Menge von hier mitgenommen und eine gute Grundlage für die weitere Entwicklung bekommen habe“, sagte Trampedach. Im Gespräch vorher waren die Namen früherer Lehrer wie Dr. Horst Fahrenholz (Latein), der einst auch lange für die FDP im Rat saß und Bürgermeister-Würden erlangte, sowie Dr. Wolfgang Richnow (Altgriechisch, Werte und Normen) gefallen.

Der Ehemaligen-Verein - eine wichtige Institution

Trampedach erzählte auch von „Neidgefühlen“, die andere beschlichen, wenn er etwa Berufskollegen vom mehr als 1000 Mitglieder starken Ehemaligen-Verein des Ratsgymnasiums berichte. „Ob die Schule wirklich weiß, was sie an diesem Verein hat?“, stellte er eher als rhetorisch gemeinte Frage in den Raum. Schon Organisator Dr. Donald Giesecke hatte angesichts von drei bis vier Schülern unter rund40 Besuchern sowie nur einer aktiven Lehrkraft (immerhin waren zwei Ehemalige da) eingangs erklärt: „Objektiv betrachtet ist das nicht, was wir uns vorgestellt haben.“

Auch an einem solch schwülheißen Sommerabend hätte Trampedachs Vortrag mehr Publikum verdient gehabt. Der 60-jährige Experte kramte auch für durchaus vorgebildete Laien immer wieder historische Schmankerl aus – etwa der intensiv transparente Umgang mit Gefallenen-Namen, die monumental und unabhängig von Sieg oder Niederlage veröffentlicht wurden. Dass das Athener Modell auf einen Stadtstaat zugeschnitten war und ohne Sklaverei nie funktioniert hätte, war jetzt vielleicht nicht so überraschend. Aber auch schon Hanna Arendt hatte moniert, dass die Demokratie und das friedlich-geregelte Miteinander genau an den Stadtmauern endeten. Außerhalb herrschte latent Krieg in einer „Welt der Anarchie“ – kein wirkliches Vorbild für die Moderne.

Losverfahren und Scherbengerichte

Aber Trampedach arbeitete auch nachvollziehbar heraus, dass sich die Athener bei den vielen Losverfahren oder den Scherbengerichten zur Verbannung ohne Anlass auch so ihre Gedanken gemacht hatten. Intensives und wiederholtes Mitmachen erzeugt nämlich am Ende geschulte Praktiker und nicht nur Stammtisch-Besserwisser. Und im militärischen Bereich waren „dem Dilettantismus ohnehin Grenzen gesetzt“: Strategen wurden gewählt. Oder Finanzbeamte. Die sollten besser etwas auf der hohen Kante haben. Denn wäre es ein Modell, wenn – wie damals – ausscheidende Amtsträger Defizite mit privatem Geld ausgleichen müssen?

Und es gab viele Wettkämpfe. Sportliche. Aber auch und insbesondere unter Dichtern. Das war zeitaufwendig und mitunter eine Tortur fürs Sitzfleisch. „Bayreuth ist da mindestens die Messlatte“, verglich Trampedach. Aber in Athen wohl eher erschwinglich für die Allgemeinheit …

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