Klimahandwerk arbeitet auf Hochtouren

In Neubauten installieren die Heizungsbauer des Fachverbands Sanitär-, Heizungs-, Klima- und Klempnertechnik mittlerweile fast ausschießlich Wärmepumpen. Foto: Roberto Pfeil/ dpa
Beim Landesverbandstag in Salzgitter wappnen sich Sanitär- und Heizungsinstallateure für die Energiewende. Die Praktiker suchen Antworten auf die drängende Frage, die sich Bürgern immer drängender stellt: „Wie weg von Öl und Gas?“
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Von 2333 Terawattstunden Energieverbrauch in Deutschland nutzten 2020 die Privathaushalte als größte Verbrauchergruppe 28,6 Prozent – noch etwas mehr als die Industrie. Energiequellen waren laut Umweltbundesamt 37,3 Prozent Gas, 21,1 Prozent Öl, 19,2 Prozent Strom und 14,2 Prozent erneuerbare Wärme. Der Landesverbandstag des Fachverbands Sanitär-, Heizungs-, Klima und Klempnertechnik Niedersachsen kann bei dieser Ausgangslage nur diese Überschrift tragen: „Das SHK-Handwerk – wichtigstes Klimaschutzhandwerk“.
Drängende Fragen
Von Donnerstag an empfängt die Innung Wolfenbüttel-Salzgitter mit 50 Unternehmen um Obermeister Karsten Köln rund 150 Fachkolleginnen aus dem Kreis der landesweit 2300 Mitgliedsunternehmen mit 23.000 Mitarbeitern zum dreitägigen Austausch. Die Praktiker suchen Antworten auf die drängende Frage, die sich Bürgern wegen des Klimawandels, wegen der hohen Energiepreise und wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine immer drängender stellt. Köln sagt es kurz: „Wie weg von Öl und Gas?“
Darum dreht sich für die Branche alles. Die Verantwortung der Fachleute im Handwerk ist es, zeitnah die richtigen Antworten zu geben, gerade wenn es möglichst schnell gehen muss. In den Arbeitskreisen (Workshops) mit Branchenexperten stehen deswegen die Themen Pelletheizung und Heizen mit Holz ebenso auf dem Programm wie Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung, Wohnungslüftung und Wasserstofftechnik.
Die Fachvorträge beleuchten die Fragestellung von zwei Seiten: Professor Timo Leukefeld von der Technischen Bergakademie Freiberg erläutert „welche Technologien und Geschäftsmodelle für SHK-Handwerksunternehmen in Zukunft wichtig sind“. Stephan Seegers von der Firma Climate-Partner definiert Klimaneutralität als Verkaufsargument, damit auch die Bilanz stimmt: So könne sich ein SHK-Handwerker in der aktuellen Klimaschutzdebatte positionieren.
Kunden bremsen
Meister Köln berichtet: „Die Leute fragen nach nichts anderem mehr – am häufigsten nach Wärmepumpen.“ Seriöse Firmen müssten die wechselwilligen Kunden in ihrem Überschwang bisweilen sogar bremsen. Sei doch längst nicht jedes Bestandsgebäude geeignet für Wärmepumpen. Diese Technik setzt eher große Heizflächen mit geringeren Temperaturen voraus statt kleinerer, dafür heißer Heizkörper. 50 Grad gelten Köln zufolge als Höchsttemperatur für sinnvolle Nutzung von Wärmepumpen. Zudem sei es keineswegs so, dass die Betriebskosten mit einer strombetriebenen Wärmepumpe im Vergleich zu Öl und Gas deutlich sänken, berichtet Köln.
Klar sei: „Bei Neubauten sind Wärmepumpen üblich.“ Hoch gedämmt und meist mit Fußbodenheizungen ausgestattet, seien die Voraussetzungen hier am besten. In bestehenden Häusern ist das Praxiswissen der Betriebe noch stärker gefragt. Sollen Heizkörper ausgetauscht werden? Lässt sich in Wohnräumen mit einem bereits vorhandenen Kaminofen an besonders kalten Tagen zuheizen? Sind in Fluren, Bädern und Schlafräumen Kompromisse möglich, weil ohnehin nicht so hohe Zimmertemperaturen gewünscht sind?
Das maßgeschneiderte Konzept mit Mensch und Material umzusetzen, ist die nächste Herausforderung, schildert Köln. „Wärmepumpen stehen nirgends rum.“ Sechs Monate Lieferzeit seien die Regel. Gasbrennwertkessel dagegen seien sofort verfügbar.
Fachkräfte fehlen
Zum Thema Fachkräfte bekräftigt Köln, was allenthalben belastet: „Es fehlen die Leute.“ Neue Mitarbeiter unter Zuwanderern zu gewinnen, stoße ungeachtet großer Offenheit in den Betrieben an Grenzen, berichtet Köln. Eine Hürde sei die Sicherheit auf den Baustellen. Sie setzt Sprachverständnis voraus: „Sie müssen einen knappen Warnruf sofort verstehen, falls mal etwas runterfällt.“ Das andere Thema ist der Kundenkontakt, berichtet der Handwerker. Dass ausländische Kollegen im Team integriert seien, bedeute noch lange nicht, dass Privatleute ihnen vorbehaltlos begegneten.
Landesinnungsmeister Frank Senger vom Fachverband Sanitär-, Heizungs-, Klima und Klempnertechnik Niedersachsen. Christoph Papsch
Landesinnungsmeister Frank Senger aus Braunschweig sieht die Branche dennoch personell für den Umbau in den Heizungskellern gerüstet und er warnt vor unüberlegter Hektik. „Es bringt nichts, unsere ausgebildeten und geprüften Leute durch kurzfristig angelerntes Personal zu ersetzen.“ Nichts sei gewonnen, wenn Wärmepumpen „nicht richtig ausgelegt, eingebaut und eingestellt würden. „Es bringt nichts, wenn sie ständig laufen oder auch noch die Heizstäbe zuschalten.“
Die Monteure in den Betrieben hätten anders als oft befürchtet keine Probleme, statt Gasheizungen Wärmepumpen zu installieren. „Das technische Rüstzeug haben sie allemal“, betont Senger. Zudem hätten Fachverbände und Hersteller gezielte Schulungen und Online-Seminare für die Praktiker entwickelt, um sie für die Wärmepumpen auf den neuesten Stand zu bringen.
Außerdem, so Senger: „Eine Rohrleitung bleibt eine Rohrleitung.“ Zudem entfalle bei den elektrischen Wärmepumpen ohne lokale Emissionen das Umweltthema Abgas. Daher ist Senger überzeugt: „Wir werden das schaffen. Wir sind das Klimaschutzhandwerk.“
Beim Materialmangel sieht der Landesinnungsmeister ebenfalls Anlass zur Zuversicht: „Die Industrie ist dabei, das Problem zu lösen. Eine richtige Entspannung werden wir aber erst 2023 haben. Auch eine Wärmepumpe ist nur komplett mit allen Bauteilen“, räumt Senger ein, dass es zurzeit bisweilen an Kleinigkeiten hapern kann.
Für umstiegswillige Familien könne das zur Geduldsprobe werden, weiß Senger. Fast alle stellten sich inzwischen die Frage. Wie klimaneutral ist meine Heizung? Wie klimaneutral ist mein Haus? Dafür verzichteten manche durchaus auf eine Badsanierung, um vorrangig in eine neue Heizung zu investieren.
Von Christian Kerl, Funke Medien Gruppe