Jüdischer Friedhof in Goslar: Kritik an Info-Tafel wächst

Wird ausgetauscht: Die neue Stele mit Informationen zum jüdischen Friedhof, der hier noch „israelitischer Friedhof“ genannt wird. Foto: Hartmann
Die Info-Tafel am jüdischen Friedhof in Goslar steht weiter in der Kritik. Nachdem sich in der vergangenen Woche bereits eine Stadtführerin über Beschönigungen und sachliche Fehler im Text beschwert hatte, legt nun der Goslarer Geschichtsverein nach.
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Goslar. Neue Kritik an der Infotafel zum jüdischen Friedhof: Nach der Stadtführerin Barbara Ehrt, die den Text auf der kürzlich errichteten Stele als beschönigend und voller sachlicher Fehler bezeichnete, hat sich nun auch Günter Piegsa, der Vorsitzende des Geschichtsvereins zu Wort gemeldet. Auch Piegsa ist wenig begeistert von dem Text und hatte bei der Stadt im Vorfeld zahlreiche Einwände geltend gemacht.
Zur Aussage der Welterbebeauftragten Dr. Christine Bauer, auch der Geschichtsverein sei an der Entwicklung der Texte beteiligt gewesen, betont er: „Beteiligung und Berücksichtigung sind aber zweierlei.“ Bauer habe ihm im August den Entwurf des Stelentextes „mit knapper Terminvorgabe“ zukommen lassen. Darauf habe Piegsa im Namen des Vereins eine elfseitige Stellungnahme zum Stelenprojekt eingereicht. Er kritisierte neun Punkte an dem Text zum jüdischen Friedhof – versehen mit dem „dringenden Hinweis, aufgrund von Fehlern der Vergangenheit das Thema sehr sensibel zu behandeln“. Bis auf die vorgeschlagene Änderung des Standortes sei an der Stele nichts geändert worden. „Ein Gesprächsangebot erfolgte seitens der Stadt nicht“, so Piegsa.
Irritierend: Jüdischer Friedhof heißt nun „israelitischer Friedhof“
Schon die Bezeichnung „israelitischer Friedhof“ irritiere den Verein. Die Begräbnisstätte trage selbst auf der Homepage der Stadt den Namen „jüdischer Friedhof“, und auch der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, spricht in seinem Vorwort zu Bernd Schallers Buch über die Anlage vom „jüdischen Friedhof“.
Piegsa hatte darauf hingewiesen: „Die Diskriminierung der Juden wird an der Lage des Friedhofes deutlich und sollte in der Infotafel angesprochen werden.“ Wie bereits in Bernd Schallers Buch über den jüdischen Friedhof beschrieben, drücke sich in der Lage des Areals „soziale Distanzierung, ja Deklassierung aus, die jüdischen Menschen über Jahrhunderte hinweg in der christlichen Mehrheitsgesellschaft widerfahren ist.“
Im städtischen Text war nichts dergleichen zu finden. Hier war die Rede von der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Juden für Goslar, die daher einen besonderen Schutz genossen.
Was die Tafel verschweigt
Außerdem stellt Piegsa, wie auch bereits Ehrt in der vergangenen Woche, klar: „Die Tafel verschweigt, dass es auch vor 1933 einen erheblichen Antisemitismus in Goslar gab. Vor Anlage des Friedhofes hatten die einheimischen Juden meines Wissens wegen finanzieller Belastungen Goslar zeitweise gen Braunschweig verlassen.“
Auch hatte der Vorsitzende des Geschichtsvereins angeregt, die Tafel solle auf die Bedeutung des Friedhofes für Juden, die bauliche Ausdrucksform der aschkenasischen Bestattung mit stehenden Steinen, den fehlenden Blumenschmuck und auf Inhalte beziehungsweise Abbildungen der Steine eingehen. Auch auf die Besichtigungsmöglichkeiten und darauf, dass Männer eine Kopfbedeckung tragen sollten, hätte die Tafel laut Piegsa hinweisen sollen.
Als vorbildlich bezeichnet er dagegen die Zusammenarbeit bei der Abstimmung über die Stelen zur NS-Geschichte Goslars in der von der Stadt Goslar in diesem Jahr einberufenen AG Erinnerungskultur.