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CvD-Stück setzt Maßstäbe

Eine Goslarer Theater-Anfrage vom Wolfsburger Autobauer

Gastgeberin Lara liegt ohnmächtig am Boden, ist wehrlos und wird Opfer der Fantasien jener, die eben noch ihre Freunde waren – oder doch nicht? Das CvD-Theaterstück „Lost Place“ lässt viel Raum für Interpretationen. Foto: Heine

Gastgeberin Lara liegt ohnmächtig am Boden, ist wehrlos und wird Opfer der Fantasien jener, die eben noch ihre Freunde waren – oder doch nicht? Das CvD-Theaterstück „Lost Place“ lässt viel Raum für Interpretationen. Foto: Heine

Ein Schultheater-Stück hallt mächtig nach: Für „Lost Place – diese ganze glorifizierte Scheißjugend“, das ein junges CvD-Ensemle in der Vorwoche grandios auf die Bühne gebracht hat, meldet jetzt sogar ein Wolfsburger Autobauer Interesse an.

Von Frank Heine Mittwoch, 03.05.2023, 06:00 Uhr

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Goslar. Vier Vorstellungen, viermal komplett ausverkauft und so viele weitere Karten-Wünsche, dass sie locker für eine weitere Aufführung gereicht hätten: „Lost Place – diese ganze glorifizierte Scheißjugend“ hat aber nicht nur quantitative Maßstäbe gesetzt. Die 20 jungen Darsteller des CvD-Ensembles mit dem Dramaturgen-Duo Tanja Woitinas und Axel Dücker an ihrer Seite haben sogar bei einem „global tätigen Autobauer mit Hauptsitz nicht weit von Goslar“ Eindruck hinterlassen und Interesse ausgelöst.

Was Woitinas schmunzelnd-verklausuliert erzählt, heißt nichts anderes, als dass jemand aus der Management-Ebene des VW-Konzerns angefragt hat, ob das CvD-Theater sich nicht vorstellen könnte, für die Wolfsburger Auszubildenden eine weitere Vorführung zu geben. Offenkundig so beeindruckt von aufwühlendem Stoff und brillanter Umsetzung sei der Mann gewesen, dass er sich nach einem Theater-Besuch am Donnerstag bei den CvD-Verantwortlichen gemeldet habe.

Das K.o.-Tropfen-Opfer und ein Selbstmord

In der Tat: Das Stück sorgte und sorgt weiterhin für jede Menge Gesprächsstoff. Ein Mädchen, das an einem heimlich mit K.o.-Tropfen versetzten Drink stirbt. Eine weitere verzweifelte Seele, die sich in der Schlussszene selbst das Leben nimmt. Unbemerkt vom Rest der Party-Gänger, die sich gerade am ersten Leichnam zu aufrichtigem Tun solidarisieren und die nächste nahe Not aus dem Auge verlieren. So unbemerkt übrigens bei der Premiere, dass die GZ von einem fast zu braven Ende im grandiosen Bravour-Theater schrieb. In den Abenden danach war die Szene markanter ins Licht gesetzt.

Brutalität. Gefühllosigkeit. Verachtung. Aber auch Angst, Bangen und Hoffnung bestimmen die Bühne. Auf jeden Fall die Suche nach Sinn. Halt. Und Zusammenhalt. Nicht nur VW-Manager meinen, dass sich mit solchen Botschaften nachfolgende Generationen für einen Dialog erreichen ließen. Woitinas berichtet von Kolleginnen, die das Stück später im Unterricht aufgenommen hätten. Von nachfolgenden Gesprächen mit Zuschauern, die weit über üblichen Smalltalk und oberflächliches Lob hinausgegangen seien.

"Wir haben wohl einen Nerv getroffen"

Ein gutes Gespür? Überrascht und überwältigt zugleich sei sie gewesen, sagt Woitinas und hält die Resonanz für alles andere als selbstverständlich. Wer eine Aufführung plane, wisse, dass mit einer Komödie bei der Premiere immer volles Haus zu erreichen sei, die beiden Vorstellungen am Wochenende bekomme man vielleicht auch voll – mit Einbußen am Donnerstag. Aber nicht die Zahl der Zuschauer, sondern gerade die Intensität der Diskussion sei für sie die wertvollste Rückmeldung. „Wir haben wohl einen Nerv getroffen“, nimmt Woitinas mit und freut sich. Was VW auch kann, wenn denn tatsächlich 20 junge Goslarer für junge Autobauer auf der Bühne stehen sollten. Eine Antwort aus Goslar sollte bald auf den Weg nach Wolfsburg gehen.

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