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Warmer Abriss im Jahr 1973

Bad Harzburger Molkenhaus brennt, Feuerwehr schaut zu

Es gibt nicht mehr viele Aufnahmen vom kontrollierten Brand des alten Molkenhauses, aber auf dieser – sie stammt aus dem Ahrens-Archiv –ist das Ausmaß des Feuers zu erkennen. Foto/Repro: Röttger

Es gibt nicht mehr viele Aufnahmen vom kontrollierten Brand des alten Molkenhauses, aber auf dieser – sie stammt aus dem Ahrens-Archiv –ist das Ausmaß des Feuers zu erkennen. Foto/Repro: Röttger

Weil ein regulärer Abriss zu teuer geworden wäre, griff man vor 50 Jahren zu einer heute undenkbaren Methode, um das alte Molkenhaus dem Erdboden gleichzumachen: Das Gebäude wurde angezündet und brannte im Beisein der Feuerwehr herunter.

Von Klaus Röttger Freitag, 05.01.2024, 08:00 Uhr

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Bad Harzburg. Weil ein regulärer Abriss zu teuer geworden wäre, griff man vor fast genau 50 Jahren zu einer heute undenkbaren Methode, um die alte Molkenhaus-Gaststätte dem Erdboden gleichzumachen: Das Gebäude wurde angezündet und im Beisein der Feuerwehr kontrolliert heruntergebrannt. Der ehemalige GZ-Redakteur Klaus Röttger hat die Geschehnisse zusammengefasst:

Das alte Molkenhaus hatte eine lange Geschichte, die an Ereignissen reich war. Am spektakulärsten war aber sein Ende vor 50 Jahren. Am 15. Dezember 1973 wurde der alte Bau, der zu diesem Zeitpunkt nur noch als Ruine bestand, ein Opfer eines allumfassenden vernichtenden Feuers.

Finanzielle Gründe

Die altehrwürdige Gaststätte wurde aber nicht das Ziel eines heimtückischen Brandstifters, das Feuer wurde planmäßig gelegt und zwar von der Feuerwehr selbst. Der Grund für dieses unübliche Abrissverfahren hatte finanzielle Gründe. 50.000 D-Mark hätten die Kosten bei traditioneller Entsorgung mit Bagger und Abtransport betragen sollen. Man wählte deshalb einen anderen Weg, der nur mit einem Zehntel der Kosten zu Buche schlug. Man holte die Feuerwehr als Experten mit ins Boot. Umweltschützer und Klimaexperten mit dem Wissen der heutigen Zeit würden wohl bei der Vorstellung die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Vor 50 Jahren war aber wohl noch alles ganz anders.

Ein Ausschnitt des GZ-Artikels aus dem Jahr 1973.

Ein Ausschnitt des GZ-Artikels aus dem Jahr 1973.

Zu diesem Zeitpunkt, 1973, hatte ,,Hirschvater“ Achim Wellbrock das Haus schon 22 Jahre bewirtschaftet. Davor hatten seine Vorfahren das Molkenhaus an die hundert Jahre geführt. Jetzt war es so in die Jahre gekommen, dass nur noch ein Abriss infrage kam. Bevor der ,,Rote Hahn“ sein letztes „Kikeriki“ über den Flammen rief, hatte das Haus bereits mehr als ein Jahr lang leer gestanden. Während dieser Zeit hatten Plünderer und andere Unberechtigte dem Haus den letzten Rest gegeben. Was nicht niet- und nagelfest war, war gestohlen, der Rest verwüstet worden.

Warten auf viel Schnee

Nach dem Entschluss und der Genehmigung durch die Forstverwaltung für den heißen Abriss musste allerdings auf eine günstige Gelegenheit gewartet werden – Schnee musste es geben, ganz viel Schnee, um die Waldbrandgefahr auf das absolute Minimum zu reduzieren. Am Sonnabend, 15. Dezember 1973, war dieser Zeitpunkt gekommen. Unter Aufsicht von Ortsbrandmeister Rudolf Lüders und Oberforstmeister Hanke wurde professionell Feuer gelegt und der alte Bau den Flammen übergeben.

Die Wildfütterungen

Die Anfänge des Molkenhauses gehen weit in die Geschichte zurück. Einige Jahre nach dem Ende des 30-jährigen Krieges, 1665, erteilte der Amtmann des Amtes Harzburg, Johann Heinrich von Uslar, den Auftrag ein solches Haus zu errichten. Dieses erste Gebäude stand noch in der Nähe des Fuhlelohnbaches am Osthang des Sellenberges. Damit war der Viehwirtschaft die Möglichkeit gegeben, schon vor Ort im Wald tätig zu werden. Mehr als 150 Jahre tat dieser erste Bau seinen Dienst.

 

1822 musste er dann aber aufgegeben werden. Einmal war er für den wachsenden Betrieb zu klein geworden, und auch das Alter hatte ihn baufällig werden lassen. 1822 entstand dann ein zweites Molkenhaus, diesmal am Hasselteich. Auch dieses größere Haus diente dazu, das Vieh direkt an den Bergweiden zu melken, ohne dass es jedesmal in die im Tal gelegenen Höfe des Ritterguts nach Bündheim getrieben werden musste.

Kurz vor dem Brand: Das alte Molkenhaus ist bereits eine Ruine. Der Standort ist unterhalb des heutigen Molkenhauses gelegen, ungefähr dort, wo der Spielplatz ist.

Kurz vor dem Brand: Das alte Molkenhaus ist bereits eine Ruine. Der Standort ist unterhalb des heutigen Molkenhauses gelegen, ungefähr dort, wo der Spielplatz ist.

Mit dem Landwirt Otto Reuß änderte sich nach und nach die Struktur des Hauses. Zwar nutzte auch er das Weideland für seine Herde brauner Harzkühe, die Entwicklung nahm aber auch eine andere Richtung.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Harzburg Endstation einer Eisenbahnlinie, die Fahrgäste aus Braunschweig und der großen Welt in den Harz brachte. Davon profitierte auch das Molkenhaus. Der Tourismus kam in Schwung und ab 1891 wurde der landwirtschaftliche Betrieb auch zu einem Wirtshaus. Besonderheit wurde eine Wildfütterung, bei der Hirsche, Rehe und Wildschweine beobachtet werden konnten.

Neubau entsteht 1976

Der Platz blieb allerdings nicht lange unbebaut. 1976 entstand ein Neubau, wenn auch nicht an gleicher Stelle, so doch in der Nähe. Auch das neue Haus wurde zum viel besuchten Anziehungspunkt. Dann gab es einen Stillstand von 2019 bis 2021. Seit Oktober 2022 wird die Gaststätte aber wieder bewirtschaftet.

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