Bad Harzburg: „Wir brauchen gute gesundheitliche Versorgung“

Die zahlreichen Gäste lauschen konzentriert dem Vortrag von Dr. Angelika Voß. Foto: Jenzora
Zum Internationalen Frauentag referiert Dr. Angelika Voß im Haus der Kirche über die Vorteile der geschlechtsspezifischen Medizin. Themen sind zum Beispiel die Unterschiede zwischen Mann und Frau, die N-A-N-Regel und zu hohe Dosierung von Medikamenten.
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Bad Harzburg. „Die einen finden ihn überflüssig. Die anderen setzen sich dafür ein, dass er ein Feiertag wird, weil er so wichtig ist, und zwar für alle Menschen, die auf unserer Erde leben: der Weltfrauentag.“ Mit diesen Worten eröffnete Petra Rau, Pfarrerin der Luthergemeinde, am Freitag die Veranstaltung im Haus der Kirche. Der Einladung waren viele interessierte Frauen und auch ein paar Männer gefolgt, denn es sollte einen Vortrag über geschlechterspezifische Medizin geben.
Öfter Nebenwirkungen
Dafür hatten die Initiatorinnen Kerstin Eilers-Kamarys, Projektkoordinatorin im Haus der Kirche, und Claudia Juschkat, Gleichstellungsbeauftragte für Bad Harzburg, Dr. Angelika Voß vom Frauen- und Mädchen-Gesundheitszentrum Region Hannover eingeladen.
„Heute stehen Frauen im Mittelpunkt“, begrüßte Juschkat die Gäste. Es werde über Themen gesprochen, bei denen die Gleichberechtigung von Frauen noch nicht umgesetzt wurde. Ein Thema liege ihr dabei besonders am Herzen: Die chronische Unterfinanzierung und die Aufnahmekapazitäten für die Einrichtung von Mutter-Kind-Kuren. Die Finanzierung erfolge über Tagessätze, die mit der Vereinigung der Ersatzkassen und den gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen ausgehandelt würden. Diese Tagessätze würden laut Juschkat jedoch schon lange nicht mehr reichen, um die realen Kosten zu decken. Frauen würden entweder gar nicht oder viel zu spät in den Kurheimen aufgenommen – auch in Bad Harzburg. Daher bat sie die Politik, auf kommunaler Ebene tätig zu werden.

Referentin Dr. Angelika Voß vom Frauen- und Mädchen-Gesundheitszentrum Region Hannover. Foto: Jenzora
Gender-Medizin liege Dr. Angelika Voß sehr am Herzen, da sie zu den Menschen gehöre, die das Thema vor ungefähr 20 Jahren in Deutschland etabliert hätten. Ihrer Meinung nach sollten Medikamentenstudien noch einmal durchgeführt werden. Frauen seien von Nebenwirkungen einiger Medikamente nämlich stärker betroffen als Männer. Und es solle herausgefunden werden, warum. Ein bekannter und bedeutender Grund sei, dass der weibliche Körper sich in vielen Dingen von dem des Mannes, zum Beispiel in Körperbau, Körpergewicht, Knochendichte, Hormonen, Körperfett, Körperwasseranteilen, Stoffwechsel sowie Muskelbändern und -sehnen, unterscheide.
Zu hoch dosiert für Frauen sind laut Voß zum Beispiel Medikamente wie ACE-Hemmer, ASS und Beta-Blocker. Laut Voß nach sollten für eine geschlechtergerechte medizinische Versorgung die naturwissenschaftlichen Grundlagen und ethische Fragestellungen berücksichtigt werden. Oft würden Frauen und Männer bei gleicher Krankheit unterschiedliche Diagnosen von Ärzten erhalten, da sie ihre Beschwerden anders äußern würden. Ohnehin würden Frauen einen Arzt viel später aufsuchen als Männer.
Die N-A-N-Regel
„Frauenherzen schlagen anders. Heute weiß man zum Glück, dass bestimmte Medikamente die Herzen der Frauen aus dem Rhythmus bringen“, erklärte Voß. Kritisch äußerte sie sich auch dazu, dass bei Frauen stark auf den Brustkrebs geguckt werde, jedoch nicht auf Herzinfarkte, obwohl die bei ihnen im Schnitt viel häufiger auftreten würden. Besonders ans Herz legen wollte Voß den Frauen daher die N-A-N-Regel. Das heißt, wenn Schmerzen an der Nase, dem Arm und dem Nabel aufträten, könnten das Symptome für einen Herzinfarkt sein. Viele weitere geschlechterspezifische Themen im medizinischen Bereich wurden von Voß am Freitag aufgegriffen. Am Ende ihres Vortrags stellte sie fest: „Wir brauchen wieder ganz dringend gute gesundheitliche Versorgung für Mütter und Frauen. Wir sind momentan überall im Rückschritt.“
Im Anschluss begeisterte Paul Jekin mit einigen Liedern auf dem Klavier.