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Wegen Dürre und Trockenheit

Welchen Einfluss der Klimawandel auf seltene Tierarten im Harz hat

Ein Mitarbeiter vom Nationalpark Harz hält Torfmoos. Zahlreiche seltene oder bedrohte Tier- und Pflanzenarten, die in diesem Jahr als Tier oder Pflanze des Jahres gewürdigt wurden, sind auch im Nationalpark Harz zu Hause. Foto: Swen Pförtner/dpa

Ein Mitarbeiter vom Nationalpark Harz hält Torfmoos. Zahlreiche seltene oder bedrohte Tier- und Pflanzenarten, die in diesem Jahr als Tier oder Pflanze des Jahres gewürdigt wurden, sind auch im Nationalpark Harz zu Hause. Foto: Swen Pförtner/dpa

Libelle des Jahres, Höhlentier des Jahres, Baum des Jahres – zahlreiche besonders gewürdigte Tier- und Pflanzenarten sind im Harz zu Hause. Doch bei einigen stellt sich die Frage: Wie lange noch?

Donnerstag, 22.06.2023, 17:00 Uhr

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Braunlage. Zahlreiche seltene oder bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind im Harz zu Hause. Durch seine Höhe ist das Mittelgebirge für einige von ihnen der einzige Lebensraum in der nördlichen Hälfte Deutschlands. Doch der Klimawandel setzt den Arten zu und wirft die Frage auf: Wie lange sind sie noch im Harz heimisch?

Verschiedene Einrichtungen küren jährlich Tiere oder Pflanzen des Jahres. Viele der 2023 benannten Arten sind im Nationalpark Harz heimisch. Das etwa 25.000 Hektar große Schutzgebiet in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt beheimatet rund 10.000 Tiere und Pflanzenarten. Eine von ihnen ist die Alpen-Smaragdlibelle. Außer im Harz kommt das Insekt vor allem in den namensgebenden Alpen in Deutschland vor.

Den Lebensraum der Libelle bilden Moore oder generell Gewässer. Im Nationalpark ist sie etwa im Brockenfeld heimisch – ein Hochmoor in der Nähe des Örtchens Torfhaus. Dort siedeln die Tierchen eigentlich in sogenannten Moorschlenken, kleine Wasserrinnen. Bloß: Anfang Juni waren viele von ihnen bereits trocken. Überhaupt ist das Brockenfeld ziemlich trocken. „Normalerweise bräuchte man hier Gummistiefel“, sagt Gewässerökologe Fabian Schwarz. „Das ist schon ein bisschen erschreckend.“

Dürre und Hitze belasten

Die meisten Hochmoore im Harz liegen im niedersächsischen Teil des Harzes, wo mehr Regen fällt als im Osten. Doch der blieb zuletzt oft aus, stattdessen herrschten Dürre und Hitze, die den Boden zusätzlich austrocknen. Hohe Temperaturen zum Beispiel im Juni und Juli haben nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Die Experten des Nationalparks hatten deshalb zuletzt immer größere Mühe, die Libelle zu finden. „Sie sind kälteliebend, schon bei einer Erwärmung um zwei oder drei Grad verschwindet ihr Lebensraum“, sagt Schwarz. Anders als in den Alpen kann die Libelle im Harz auch nicht in höhere, kühlere Lagen ausweichen.

Schwarz präsentiert Zahlen, die Bedrohung der Art verdeutlichen sollen. Auf einer etwa einen Hektar großen Untersuchungsfläche im Brockenfeldmoor wiesen Fachleute des Nationalparks 2017 noch 44 der Tierchen nach. Zuletzt waren es 2022 noch fünf. Und das war der höchste Wert der vergangenen vier Jahre. „Seit der ersten langen Trockenperiode 2018 gab es einen starken Einbruch“, erklärt Schwarz. Es sei extrem fraglich, ob die Hochharzer Moore zukünftig noch als Lebensraum für die vom Aussterben bedrohte Art in Frage kämen.

Nationalpark in der Zwickmühle

Kann der Nationalpark etwas tun, um den Insekten zu helfen? Nicht besonders viel. Denn der Nationalpark befindet sich in einer Zwickmühle. Einerseits ist es seine Aufgabe die Natur zu erhalten, andererseits soll er das Schutzgebiet vor menschlichen Eingriffen bewahren. Mit Blick auf die Smaragdlibelle wurden bereits alte Entwässerungsgräben, die das Moor einst trockenlegen sollten, aufgestaut. „Ohne sie wäre der Rückgang der Art vermutlich noch dramatischer“, sagt Schwarz. Doch darüber hinaus haben die Fachleute nicht viel Handhabe.

„Wir sind ein Stück weit machtlos und können die Entwicklung durch den Klimawandel nur so hinnehmen“, sagte Nationalparksprecher Martin Baumgartner. Er sagt aber auch: „Die Natur hat für trockengefallene Moore oder andere Gebiete Lösungen parat. Unter dem Klimawandel aber leiden wir Menschen oder bestimmte Tierarten.“

Seit 2011 wählen der Bund für Umwelt und Naturschurschutz (BUND) und weitere Fachverbände die „Libelle des Jahres“, um auf die Vielfalt der Arten und ihre Bedrohung aufmerksam zu machen. Von den rund 80 in Deutschland heimischen Libellenarten stehen laut dem BUND 48 auf der Roten Liste gefährdeter Insekten. „Die Alpen-Smaragdlibelle ist eine in ganz Deutschland seltene Großlibelle. Sie zählt zu den Verliererinnen des Klimawandels und ist vom Aussterben bedroht“, schreibt der BUND auf seiner Webseite.

Moore wichtig für den Klimaschutz

Deutlich leichter lassen sich noch Moorbirken in den Harzer Hochmooren entdecken. Der Baum des Jahres, der wie die Sandbirke durch seine weiße Rinde auffällt, ist etwa im Flörichshaier Moor südwestlich von Torfhaus leicht ausgemacht. Ebenso wie der kleine Sonnentau, eine fleischfressende Pflanze die Schwarz beim Rundgang durch das Brockenfeld entdeckt, ist die Birke ein Indiz für intakte Moore.

Doch gesunde Moore sind kein Selbstläufer wie das trockene Brockenfeld zeigt. Gleichzeitig sind Moore wichtig für den Klimaschutz, da sie viel Kohlenstoffdioxid speichern. Als Baum des Jahres soll die Moorbirke darauf hinweisen.

Das Höhlentier des Jahres – der Feuersalamander – ist ebenfalls im Harz heimisch. Seit 2009 stellt der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher jährlich ein Höhlentier in den Fokus. Der Salamander, der im ausgewachsenen Zustand charakteristisch schwarz-gelb gefleckt ist, bewohnt je nach Alter und Jahreszeit kleinere Bäche, Höhlen oder alte Bergwerksstollen im Harz. Stark bedroht wird die Art von der sogenannten Salamanderpest, einem Hautpilz, wie der Forscherverband mitteilt.

Pilz noch nicht im Harz angekommen

Im Harz ist der Pilz noch nicht angekommen. Seit diesem Jahr wird die Art wie viele andere Tiere im Harz überwacht. „An 15 Punkten zählen wir die Population händisch mit dem Auge“, erklärt Gewässerökologe Schwarz. Zudem würden Wasserproben genommen. Sollte der Pilz festgestellt werden, müsste versucht werden, das Infektionsgeschehen einzudämmen. Denkbar sei auch der Aufbau einer sogenannten Versicherungs-Kolonie. Also einer Salamander-Population, die im Labor vorgehalten wird, für den Fall, dass die Art in der Wildbahn ausstirbt.

Das könnte auch hilfreich vor dem Hintergrund der Trockenheit sein, die neben der Alpen-Smaragdlibelle auch eine Gefahr für die Feuersalamander darstellt. Zwischen März und April nutzen die Salamander kleine Fließgewässer, um ihren Nachwuchs zu gebären, erklärt Gewässerökologe Schwarz. Ein trockenfallender Bachlauf könne den Ausfall einer Generation bedeuten. Viele Lebensräume im Harz seien vom Regen abhängig. „Wenn der ausbleibt“, sagt Schwarz, „ist ihr Schicksal besiegelt.“

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