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Goslar und die Preussag

Preußens Gloria und 100 Jahre Heavy Metal

Vor einer historischen Aktie gestikuliert  2002 der damalige Preussag-Vorstandsvorsitzende Michael Frenzel in Hannover. Im selben Jahr firmierte sich die Preussag AG um in TUI. Foto: dpa/Hollemann

Vor einer historischen Aktie gestikuliert  2002 der damalige Preussag-Vorstandsvorsitzende Michael Frenzel in Hannover. Im selben Jahr firmierte sich die Preussag AG um in TUI. Foto: dpa/Hollemann

1924 nahm die Preussag AG als staatliche Aktiengesellschaft ihren Betrieb auf. Von Beginn an spielte die Preussag beim Bergbau am Rammelsberg in Goslar eine wichtige Rolle. Das gilt bis heute, selbst wenn aus der Preussag 2002 der Touristikkonzern TUI wurde.

Von Jörg Kleine Montag, 04.03.2024, 16:00 Uhr

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Gegen das Schwermetall der alten Preussag erscheint die Musik von Bands wie Motörhead, Judas Priest oder Black Sabbath nur wie feines Zupfen auf der Leadgitarre. Zumal der preußische Mischkonzern mit insgesamt 78 Jahren noch länger durchhielt als manche Band, die nach reiflicher Atempause schier wie Untote wieder das Rampenlicht der Bühnen eroberte. Höchstens die Rockband Rolling Stones könnte das vielleicht noch toppen – wenn der liebe Gott Mick Jagger und Co. ungeahnt gnädig gestimmt ist.

Letzte Schicht 1988 in Goslar

1924, also vor genau 100 Jahren, nahm die Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft ihren Betrieb auf – als Sammelsurium preußischer Staatsbetriebe, die unter einem Dach zusammengefasst wurden. Sie sollten fortan nach marktwirtschaftlichen Prinzipien den Karren wieder aus dem Dreck ziehen, auch wenn noch alles im staatlichen Besitz blieb.

Jörg Kleine ist Chefredakteur der GZ

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Zudem hatte die Preussag von Beginn an eine direkte Verbindung zum Rammelsberg in Goslar, wie Dr. Martin Wetzel, Pressesprecher am Rammelsberg, in einem aktuellen Beitrag auf der Welterbe-Seite beleuchtet. In Goslar wirkte damals aber noch der jahrhundertealte Streit zwischen Herzogtum Braunschweig und Königreich Hannover nach: Vier Siebtel am Rammelsberg gehörten Hannover, drei Siebtel gehörten Braunschweig. Unter preußischer Regie wurde daher 1924 eigens eine „Unterharzer Berg- und Hüttenwerke GmbH“ gegründet, die wiederum unters Dach der Preussag kam. Das währte bis 1988, als am Rammelsberg die letzte Schicht eingeläutet wurde. 2002 schließlich mutierte die ehrwürdige Preussag zur neuen TUI AG, die nicht mehr auf Stahl, Schwermetall und andere Rohstoffe setzte, sondern zum größten Touristikkonzern Europas wurde.

Das Rammelsberghaus ist ein Preussag-Bau

Doch mit der Preussag-Zeit sind nicht nur die giftgelben Grubenwasserströme und die Ewigkeitskosten zur Nachsorge am Rammelsberg bis heute verknüpft, auch viele Unternehmen, Geschichten und Bauwerke. Als die Preussag nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er-Jahren ihren Stammsitz notgedrungen von Berlin nach Hannover in den Westen verlegte, entstand in der niedersächsischen Landeshauptstadt ein neues Verwaltungsgebäude, das wiederum wie ein Vorbild war für das 1957/58 errichtete Rammelsberghaus in Goslar. Dort residierte fortan der im Preussag-Konzern neu geschaffene Unternehmensbereich „Metall“. An der Ecke also von Clausthaler und Rammelsberger Straße, wo dieser Tage weniger das Erz, sondern gefällte Bäume vorm Verwaltungsbau für Diskussionen sorgen.

Preußische Ordnung auf dem Parkplatz

Von 1989 bis 1997 gehörte auch die stählerne Salzgitter AG zur Preussag, bis 2002 tummelten sich ebenso die Fels-Werke als Kalk-Experten unter dem Banner des Mischkonzerns. Mit der TUI bringt all das heutzutage kaum noch jemand in Verbindung, wenngleich die Ferienflieger durchaus die kleine Bergbau Goslar GmbH noch im Schlepptau haben – „die als Tochter der TUI AG die Abwicklung des Bergbaus betreut“, wie es auf dem Internetportal des Landes Niedersachsen heißt. Bei manchem Mitarbeiter der Bergbau Goslar GmbH überdauerten derweil preußische Zucht und Ordnung – auch lange, nachdem der Bergbau in Goslar 1992 von der Unesco schon zum Weltkulturerbe erklärt worden war: Wer nämlich bei Terminen im Innenhof vorm Rammelsberg-Museum sein Auto parkte, musste mit drakonischer Abmahnung rechnen. Selbst Preussag/TUI-Vorstände, Minister oder hohe Ministerialbeamte in dunklen Limousinen aus Hannover bekamen als Willkommensgruß „Knöllchen“ oder rüde Worte. Glück auf!

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