Goslarer Altstadt: Schreiende Magenta-Farben mitten im Welterbe

Magentafarbener Eingriff ins historische Stadtbild: Günter Piegsa vor einem Telekom-Verteilerkasten in der Charley-Jakob-Straße. Foto: Hartmann
Wieso darf die Telekom in der Goslarer Altstadt ihre Plakate in schreiender Magentafarbe anbringen? Besitzern von Fachwerkhäusern legt der Denkmalschutz, wie beim Fensterstreit erlebt, strenge Fesseln hinsichtlich der Farbgebung auf.
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Goslar. Fensterrahmen in gedeckten Farben – aber schreiend-magentafarbene Telekom-Werbung vor den alten Fachwerkhäusern: „Wird im Welterbe eigentlich mit zweierlei Maß gemessen?“, fragt sich Günter Piegsa, der Vorsitzende des Geschichtsvereins beim Gang durch die historische Altstadt. Er freue sich durchaus, dass Goslar Glasfaser-Anschlüsse bekomme. Aber dass der Denkmalschutz nichts gegen die Verteilerkästen unternehme, wundere ihn schon.
Die riesigen Kästen sind ihm aber nicht nur wegen der Farbe ein Dorn im Auge. Auch machen sie manche Bürgersteige für Rollstühle und Rollatoren unpassierbar. Ein Kasten in der Forststraße beispielsweise ist so ungünstig platziert, dass der Bürgersteig an dieser Stelle nur noch43 Zentimeter breit ist, wie Piegsa ausgemessen hat. „Der verschieferte Fachwerk-Westgiebel hinter dem Kasten gehört zum zweigeschossigen Massivbau Frankenberger Straße 23 aus der Zeit um oder nach 1300“, schreibt Piegsa verärgert darüber, dass man ein historisch derart bedeutendes Bauwerk zustellt.
Behindetengerecht sieht anders aus

Forststraße: Rollatorfahrer müssen hier auf die Fahrbahn ausweichen. Foto: Privat
Piegsa bittet dringend darum, „auf die Telekom dahin gehend einzuwirken, dass die Standorte zwischen Welterbe, Denkmalschutz, Behinderten- und Gleichstellungsbeauftragten, Tiefbau und Anliegern einvernehmlich abgestimmt werden“. Er selbst habe zwar auch einen Glasfaseranschluss beantragt, betont aber: „Für mich als Bauherren und Denkmaleigentümer wäre es nicht hinnehmbar, wenn seitens der Denkmalpflege Auflagen für Fassade, Fenster, Vorgartennutzung und für Einfriedungen gemacht werden und anschließend ein solcher ‚Monsterkasten‘ die Ansicht verunstaltet und die Gehwegnutzung beeinträchtigt beziehungsweise verunmöglicht.“
Besondere Privilegien der Telekom
Stadt-Pressesprecherin Daniela Siegl räumt ein, dass hier tatsächlich unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden: „Derartige Kommunikationseinrichtungen dienen der Grundversorgung und genießen daher tatsächlich besondere Privilegien, diese ergeben sich aus Paragraf 125 Telekommunikationsgesetz. Die Kästen sind alternativlos, da es ansonsten kein Telefon und Internet gibt.“ Zu den Orten, an denen solche Kästen aufgestellt werden, erklärt sie: „Bei der Standortwahl werden solche Orte bevorzugt, bei denen es aufgrund der baulichen Gegebenheiten keine Barrierefreiheit geben kann, damit barrierefreie Orte nicht zusätzlich eingeengt werden.“

Vorwerkerstraße: Hier kommt weder Rollstuhl noch Kinderwagen durch. Foto: Privat
Was die schreienden Farben angehe: „Die magentafarbenen Kästen sind nicht neu, es handelt sich vielmehr um eine befristete Werbemaßnahme der Telekom zum Glasfaserausbau. Eine neue zusätzliche Einengung von Fußwegen durch die Beklebung ist der Verwaltung nicht bekannt.“ Derzeit prüfe die Verwaltung eine Vereinbarkeit der lediglich befristeten Beklebung mit den Erfordernissen des Denkmalschutzes. Die Verwaltung stehe im Austausch mit der Telekom.