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Reihe stellt ihr Saisonprogramm vor

Frankenberger Winterabende: Kulttrainer kommt nach Goslar

Was traut Hermann Gerland dem deutschen Fußball noch zu? Der Kulttrainer hat viele Talente entdeckt, die 2014 Weltmeister wurden. Foto: dpa

Was traut Hermann Gerland dem deutschen Fußball noch zu? Der Kulttrainer hat viele Talente entdeckt, die 2014 Weltmeister wurden. Foto: dpa

Die Frankenberger Winterabende haben ihr Programm für die Saison 2023/24 bekannt gegeben. Mit Kulttrainer Hermann Gerland kommt erstmals ein Vertreter des Sports. Er geht am 4. Dezember der Frage nach, ob Deutschland noch Weltmeister kann. 

Von Frank Heine Mittwoch, 04.10.2023, 18:00 Uhr

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Goslar. Die Frankenberger Winterabende sind in der kommenden Saison sowohl spät als auch früh dran. Spät, weil mit Frank Sieren der Auftakt-Gast erst weit nach den Herbstferien am 20. November und deshalb vergleichsweise fortgeschritten im Jahr zu seinem Vortrag in Goslar aufschlägt. Und früh, weil die Organisatoren ein Experiment wagen und die traditionelle Anfangszeit von 20 Uhr um eine Stunde auf 19 Uhr vorverlegen.

Wohin geht die Reise? Publizist und Buchautor Frank Sieren beschäftigt sich zum Start der Frankenberger Winterabende mit den Chancen und Gefahren, die aus der neuen Stärke Chinas erwachsen. Foto: Veranstalter

Wohin geht die Reise? Publizist und Buchautor Frank Sieren beschäftigt sich zum Start der Frankenberger Winterabende mit den Chancen und Gefahren, die aus der neuen Stärke Chinas erwachsen. Foto: Veranstalter

Zum Start richten sie die Augen nach Fernost. „Unsere Zukunft mit China – Chance oder Bedrohung?“ lautet die weltpolitisch wichtige Frage, die Journalist und Buchautor Frank Sieren am Montag, 20. November, stellt – und Möglichkeiten einer Antwort auslotet. Sein Ansatz: Mehrere Jahrhunderte lang bestimmte die Minderheit des Westens die Spielregeln der Mehrheit der Welt. Zunächst waren es die europäischen Kolonialmächte. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts übernahmen die Amerikaner diese Rolle. Nun geht diese Epoche zu Ende. Anders als man im Westen gehofft hat, teilt sich die Welt aber nicht in Demokratien und autoritäre Systeme, sondern in aufsteigende und etablierte Länder.

Multipolare Weltordnung

China und Indien halten zusammen, die USA, die Europäische Union und Japan stehen auf der anderen Seite. Inzwischen sind die Aufsteiger nach Sierens Einschätzung mächtiger als die Etablierten. Daraus entwickelt sich ein Selbstbewusstsein, mit dem Deutschland rechnen muss. Eine multipolare Weltordnung entsteht. Die Führungsmacht der Aufsteiger ist China. Aber wie ticken die Chinesen? Wie unterscheidet sich ihr Blickwinkel auf die neue Weltordnung von unserem? Eins ist klar: Die großen Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam lösen. Deswegen macht es nach Sieren nicht viel Sinn, Unterschiede überzubetonen und in der Konfrontation systemischer Rivalen stecken zu bleiben, der China ja auch ist. Sinnvoller ist es, auch Gemeinsamkeiten zu suchen und diese zum beiderseitigen Nutzen auszubauen.

Zwei Wochen nach Sieren kommt ein deutscher Kult-Trainer in den Norden: Hermann Gerland geht am Montag, 4. Dezember, der bangen Frage nach: „Kann Deutschland noch Weltmeister?“ Wobei im Winter vor der Europameisterschaft im eigenen Land auch eine Stufe tiefer auf kontinentaler Ebene interessieren sollte. Gerland ist aktuell Co-Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft, holte in gleicher Funktion alle möglichen Titel mit Bayern München und gilt als Entdecker großer Talente wie Philipp Lahm, Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger.

Gerland stammt aus dem Kohlenpott und ist als Spieler eine treue Seele beim VfL Bochum. Seinen Spitznamen Tiger erhält er erst spät(er) und wurde in seiner Bochumer Aktivenzeit Eiche gerufen. Er verliert schon früh – zwei Wochen vor seinem zehnten Geburtstag – seinen Vater und wächst in einfachsten Verhältnissen auf. Ein solches Schicksal prägt. Gerland kümmert sich um seine kleinen Geschwister. Er geht weder auf dem Platz noch auf der Straße einem Konflikt – besser: einem Kampf – aus dem Weg. Und er fällt seine Urteile selbst. Oder wie er einmal über sich selbst gesagt hat: „Mein Kopf hat in keinen Arsch gepasst.“

Professorin Dr. Ulrike Ackermann nimmt die Schweigespirale unter die Lupe. Foto: Privat

Professorin Dr. Ulrike Ackermann nimmt die Schweigespirale unter die Lupe. Foto: Privat

Die Politologin und Soziologin Professorin Dr. Ulrike Ackermann befasst sich im ersten Vortrag des Jahres 2024 am Montag, 22. Januar, mit dem Thema ‚Die neue Schweigespirale – wo Zwischentöne verstummen‘. 1980 prägte die Mainzer Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann den Begriff der „Schweigespirale“. Demnach hängt die Bereitschaft vieler Menschen, sich öffentlich zu ihrer Meinung zu bekennen, von der Einschätzung des Meinungsklimas ab. Widerspricht die eigene der als vorherrschend betrachteten Meinung, gibt es Hemmungen, sie zu äußern.

Auch aktuell prägen nach Auffassung Ackermanns eine zunehmende Einengung des Meinungskorridors und die Politisierung der Wissenschaft eine stark konfrontative und moralisierende Debattenkultur, in der gesunder Menschenverstand und ausgleichende Positionen kaum durchdringen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts untersuchte sie dazu relevante Fragen: Wie weit geht Cancel Culture an deutschen Universitäten? Sind Meinungsvielfalt und Pluralismus in Forschung und Lehre in Bedrängnis geraten? Wie konnte aus einem emanzipatorischen Ansatz zur Sichtbarmachung diskriminierter sozialer Gruppen eine ideologisierte Entwicklung mit gesellschaftlichem Spaltungspotenzial werden?

Grenzen des Sagbaren

Ackermann sieht sich als Verteidigerin universaler Rechte in einer offenen Gesellschaft. Sie warnt eindringlich vor Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und damit vor den gesellschaftlichen Folgen einer Entwicklung, welche die Grenzen des Sagbaren zu verschieben droht.

Bischof im Ruhestand Wolfgang Huber, hier mit Ehefrau Kara, beschäftigt sich in Goslar mit der Ethik der Digitalisierung. Foto: dpa

Bischof im Ruhestand Wolfgang Huber, hier mit Ehefrau Kara, beschäftigt sich in Goslar mit der Ethik der Digitalisierung. Foto: dpa

Am Donnerstag, 15. Februar, wird Professor Wolfgang Huber bei den Winterabenden erwartet. Er war Bischof von Berlin-Brandenburg und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Ethik – also die Frage nach dem richtigen Handeln – zieht sich wie ein roter Faden durch seine Veröffentlichungen und Bemühungen in Wissenschaft und Kirche. So hat er im Vorjahr ein Buch veröffentlicht, das sich unter dem Titel „Menschen, Götter und Maschinen“ einen Beitrag zur Ethik der Digitalisierung liefert.

Huber geht davon aus, dass die Digitalisierung die Privatsphäre ausgehöhlt hat, die Öffentlichkeit in auseinanderdriftende Teilöffentlichkeiten zerlegt, Hemmschwellen senkt und die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge aufweicht. Er beschreibt diese technische und soziale Entwicklung und zeigt an vielen Beispielen, wie und nach welchen Maßstäben wir die Digitalisierung selbstbestimmt und verantwortlich gestalten können.

Die Haltungen zur Digitalisierung schwanken zwischen Euphorie und Apokalypse: Die einen erwarten die Schaffung eines neuen Menschen, der sich selbst zum Gott erhebt. Andere befürchten den Verlust von Freiheit und Menschenwürde. Huber wirft einen realistischen Blick auf den technischen Umbruch. Das beginnt bei der Sprache: Sind die „sozialen Medien“ wirklich sozial? Fährt ein mit digitaler Intelligenz ausgestattetes Auto „autonom“ oder nicht eher automatisiert? Sind Algorithmen, die durch Mustererkennung lernen, deshalb „intelligent“?

„Woran wir wachsen“

Professorin Dr. Eva Asselmann weiß Rat, wie man Stress gelassen meistert. Foto: Jens Gyarmaty

Professorin Dr. Eva Asselmann weiß Rat, wie man Stress gelassen meistert. Foto: Jens Gyarmaty

Den Abschluss der Frankenberger Winterabende gestaltet Professorin Dr. Eva Asselmann am Donnerstag, 14. März, mit ihrem Beitrag „Wir lassen uns nicht unterkriegen – Resilienz ist möglich“. Sie geht an diesem Abend auch auf ihr neues Buch „Woran wir wachsen“ ein.

Asselmann, Jahrgang 1989, ist Professorin für differenzielle und Persönlichkeitspsychologie an der Health and Medical University in Potsdam. Sie leitet hochkarätige Forschungsprojekte und ist Autorin zahlreicher Studien und Bücher. Sie forscht zur Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheitsförderung und Prävention und begeistert sich für die Fragen: Wie verändert sich unsere Persönlichkeit im Laufe des Lebens? Wie wirken sich einschneidende Erfahrungen auf unsere Persönlichkeit, unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit aus? Was können wir tun, um berufliche Krisen zu bewältigen, Stress gelassen zu meistern und an Herausforderungen zu wachsen? Lässt sich die eigene Persönlichkeit gezielt verändern und wenn ja, wie?red

Die Winterabende beginnen neu jeweils um 19 Uhr und gehen im Kleinen Heiligen Kreuz oder in der Frankenberger Kirche über die Bühne. Der Eintritt ist frei, eine Spende zur Finanzierung der Reihe erbeten. In der GZ und auf der Homepage der Frankenberger Winterabende wird rechtzeitig vor den jeweiligen Winterabenden noch einmal informiert. Newsletter-Abonnenten erhalten demnächst eine einmalige Gesamtübersicht.

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