Clausthal-Zellerfeld: Achim Siemann fleischert seit 70 Jahren

Achim Siemann steht vor der Fleischerei in Clausthal-Zellerfeld, die er im Jahr 1967 gekauft hat. Er blickt mittlerweile auf 70 Berufsjahre zurück und denkt noch lange nicht ans Aufhören. Foto: Jenzora
Im Jahr 1967 kaufte er den Betrieb von seinen Schwiegereltern, der bis heute noch in den Händen der Familie ist. Sein Sohn ist mittlerweile der Chef des Ladens und Achim Siemann unterstützt ihn noch immer. Über den Ruhestand macht er sich keine Gedanken.
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Clausthal-Zellerfeld. Seit 70 Jahren im Beruf: Wer kann das heute schon von sich behaupten? Achim Siemann aus Clausthal-Zellerfeld kann das. Er hat mit 15 Jahren seine Lehre als Fleischer begonnen und übt den Beruf noch immer aus. Der Fleischermeister wird heute 85 Jahre alt und blickt auf die 70 Berufsjahre zurück, die oft schön, aber nicht immer einfach waren.
Siemann ist als kleiner Junge auf einem Bauernhof groß geworden. „Der Fleischer, der unser Vieh damals holte, hatte immer zu mir gesagt, dass ich mal Fleischer werde“, erinnert sich der 85-Jährige. Jahre später, also 1954, begann Siemann tatsächlich eine Lehre als Fleischer, die er im Jahr 1957 erfolgreich abschloss. „Die Entscheidung habe ich nie bereut“, sagt er. Gewohnt hat er in seiner Kindheit in einer kleinen Gemeinde in Niedersachsen namens Gevensleben (Helmstedt). Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen.
Traum verwirklicht
Nach der Lehre arbeitete er einige Zeit bei Fleischereien in Braunschweig und Braunlage. Zu Gast war er aber oft in der Fleischerei Siemann in Clausthal-Zellerfeld, die seinen späteren Schwiegereltern gehörte. Nach zahlreichen Besuchen und Briefen, die er der Tochter des Oberharzer Fleischers schrieb, folgte die Hochzeit im Jahr 1962.

Achim Siemann wird oft für Veranstaltungen gebucht. Im rechten Bild zerlegt er ein Spanferkel. Foto: Repro
Fünf Jahre später erfüllte sich Achim, der nun zur Siemann-Familie gehörte, seinen Traum von der Selbstständigkeit. Im Jahr 1967 kaufte er die Fleischerei von seinen Schwiegereltern und übernahm den Betrieb. „Ich habe schon als Geselle nie Urlaub genommen und so viel Geld gespart, wie ich konnte. Ich habe immer davon geträumt, mich selbstständig zu machen“, erzählt Siemann. Das sei jedoch nicht immer einfach gewesen. „Natürlich habe ich eine andere Auffassung als meine Schwiegereltern gehabt. Jeder hätte die eigenen Visionen und Ideen umsetzen wollen. Doch ich hatte schon immer Durchsetzungsvermögen“. Einige Zeit später baute er für sich und seine Familie angrenzend an die Fleischerei in der Schulstraße ein Eigenheim. Von seiner Arbeitsstätte wohnt der Fleischermeister gerade einmal 20 Meter entfernt. Auf der einen Seite sei das praktisch, aber auf der anderen Seite sei man immer erreichbar. „Als Selbstständiger kann man nicht abschalten und das habe ich auch nie“, verrät der 85-Jährige.
Wenig Personal
Allein aus diesem Grund unterstützt er seinen Sohn Axel Siemann, der mittlerweile der Chef der Fleischerei ist. Vor allem bei größeren Aufträgen helfe er seinem Sohn tatkräftig. Beim Partyservice der Fleischerei würden manches Mal mehrere Hundert Portionen bestellt. Die Fleischerei leide jedoch seit längerer Zeit unter Personalmangel. Allein könne Axel Siemann die Arbeit kaum bewältigen.

Anfang der 70er Jahre hat Achim Siemann mit dem Partyservice begonnen – und der läuft immer noch. Foto: Repro
Den Partyservice hat Siemann Anfang der 70er Jahre ins Leben gerufen. Anfangs habe noch niemand etwas mit dem Angebot anfangen können. Nach kurzer Zeit trudelten allerdings die Bestellungen ein. Die Leute hätten immer weniger selbst für große Feiern gekocht. „Wer hat denn heute noch 60 Teller zu Hause? Wir haben 600“, lacht Siemann.
Achim Siemann ist Fleischer durch und durch, doch eine Sache fiel ihm in seiner Berufsbahn wirklich schwer: Kälber schlachten. „Es gab aber keine andere Wahl, das ist halt mein Job. Wir müssen den Auftrag unserer Kunden ausführen“, erklärt er.
Eine positive Erinnerung sind für ihn die zahlreichen Treffen der Fleischer. Damals habe es noch 15 in Clausthal-Zellerfeld gegeben. „Der Zusammenhalt war einmalig, so etwas gab es nirgendwo“, sagt Siemann. Die Konkurrenz habe man untereinander nie gespürt. Die alte Fleischer-Generation sei jedoch mittlerweile ausgestorben, es gebe nur noch ihn und einen Kollegen.
Würzen nach Gefühl
„Wenn mir die Wurst gut gelungen ist, gibt mir das ein gutes Gefühl“. Die missglückten Versuche, das Fleisch zu würzen, könne er an einer Hand abzählen. Das sei so gut wie nie passiert. Lange Zeit habe er sich an Familienrezepte gehalten, später die Gewürzmischungen etwas abgewandelt: „Irgendwann hat man das im Gefühl“. Über ein Ende seiner Tätigkeit habe sich Achim Siemann noch keine Gedanken gemacht. „Es muss schon viel passieren, dass ich nicht mehr runtergehe. Mit Kopf- oder Rückenschmerzen bleibe ich jedenfalls nicht im Bett“.