Jüdische Historie und Jacobson-Haus: Ein Fall fürs Weltkulturerbe?

„Ein jüdisch-historischer Hotspot. Einmalig, welteinzigartig und bedeutend“, so Dr. Joachim Frassl. Hat das Alumnat der Jacobsonschule das Zeug zum Weltkulturerbe? Foto: Gereke
Parallel zum AfD-Wahlkampf im Jacobson-Haus richtet das Bündnis Seesener gegen Rechtsextremismus einen historisch-politischen Dialog über den Reformator des Judentums aus – er endet mit einem interessanten Vergleich samt Forderung.
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Seesen. Im Anschluss an die Demonstration des Bündnisses Seesener gegen Rechtsextremismus auf dem Jacobson-Platz fanden sich zahlreiche Interessierte im „Klassenzimmer“ des Alumnats zu einer weiteren Veranstaltung ein. Ein „Expertengespräch“ zu Israel Jacobson fand zeitgleich zu der Wahlveranstaltung der AfD im Jacobson-Haus statt. Es ging um „Die Ideale des Israel Jacobson – Hoffnung und Realität“.
Dr. Stephan Blöß (Naturwissenschaftler und als Seesener Stadtführer als Lehrer Dr. Willy Mönch unterwegs) traf sich zum historisch-politischen Dialog mit Dr. Joachim Frassl, Experte der jüdischen Geschichte Seesens. Beide hielten einen „Dialog“ über historische Wahrheiten in der Geschichte der Jacobsonschule, über die Ideale der Brüderlichkeit und Toleranz, des harmonischen Miteinanders im Denken und Handeln des Schulgründers Jacobson. Es ging um die schrittweise Emanzipation des Judentums und Integration der Fremden in die bürgerliche Gesellschaft und die politische Gleichstellung im deutschen Kaiserreich.

Dr. Stephan Blöß (l., Naturwissenschaftler und als Seesener Stadtführer in der Figur des Lehrers Dr. Willy Mönch unterwegs) trifft sich im „Klassenzimmer“ des Alumnats zum historisch-politischen Dialog mit Dr. Joachim Frassl, Experte der jüdischen Geschichte Seesens. Foto: Privat
Jacobson-Haus als historisches Mahnmal
Die Rolle der Integration durch Sprache erfasste ein breites Spektrum des Vortrags, führte schließlich auch zu den Zeiten des Schreckens in der Geschichte der Jacobsonschule. Frassl zitierte aus Briefen des Schuldirektors und SA-Mitglieds Adolf Gerade, der 1936 die Seesener Schule der Braunschweiger Regierung als „judenrein“ gemeldet hatte. Frassl: „Beim Lesen dieser Briefe im Schularchiv hatte ich immer wieder den Sprachduktus des NS-Propagandaministers im rechten Ohr ... und da ist die Höcke-Sprache ganz nah!“
Die dialogische Form des Vortrags, einander ergänzend oder kritisch zu hinterfragen, kam beim Publikum an. Jiddischer Witz und ein wenig Chuzpe lockerten die historischen Bewertungen auf. Ein Schwerpunkt des Vortragsabends lag auch darin, die herausragende Bedeutung des Jacobson-Hauses als historisches Mahnmal deutlich zu machen. „Der Schulgründer hat zwar das noch erhaltene Schulgebäude nie sehen können, er ist dafür 60 Jahre zu früh gestorben“, so Frassl, „aber wir können an der Präsenz, auch der architektonischen Details, belegen: Das Haus ist steingewordener Ausdruck dafür, dass nach 1870 die deutschen Juden endlich im Bürgertum des Deutschen Kaiserreichs angekommen waren, als Deutsche jüdischer Konfession.“
Jacobsonschule als Welterbe?
Am Ende war es Blöß, der die Jacobsonsche Reformation mit der Reformation Luthers verglich: „Wenn Wittenberg mit der Schloßkirche zum Unesco-Welterbe geworden ist, dann muss das auch für Seesen gelten.“ Frassl bestätigte das auch aus seiner Perspektive: „Vor 25 Jahren erschien die Jacobsonschule als regionales Objekt, ist seit 2016 endlich auch als unbedingter jüdisch-historischer Hotspot ausgewiesen. Einmalig, welteinzigartig und bedeutend. Man sollte diese Perspektive Richtung Welterbe mal systematisch angehen.“