Erinnerung an Noltes Tannenbaum

Susanne Mauch hat eine verzierte goldene Weihnachtsbaumkugel bis heute bewahrt, die sie an ihre Kindheit erinnert. Foto: Jörg Kleine
„Mein schönster Weihnachtsbaum“ heißt in diesem Jahr der Titel unserer GZ-Adventsserie. Susanne Mauch aus Goslar erzählt von Kindheitserinnerungen, die sie zu Weihnachten bis heute begleiten.
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Goslar. Im Januar 1945 wurde meine Mutter mit meiner elfjährigen Schwester, meinem achtjährigen Bruder und mir – zwei Jahre alt – aus der Provinz Posen, im heutigen Polen, vertrieben. Nach einer achtmonatigen Flucht fanden wir zusammen mit weiteren Flüchtlingsfamilien bei Familie Nolte in Sehlem (Lamspringe) für sechs Jahre ein neues Zuhause. Nach kurzer Zeit kam auch mein Vater nach seinem Einsatz als Soldat aus Russland zurück.
Nur ein Raum für zwei Familien
Bei Familie Nolte teilten wir uns einen großen Raum mit einer anderen vierköpfigen Familie. Er war Wohnstube, Küche, Kinderzimmer und Bad zugleich. Da war kein Platz für einen Tannenbaum, abgesehen davon, dass auch das Geld dazu fehlte. Wenn ich an Weihnachten in diesen Jahren denke, so kann ich mich weder an Geschenke noch an Lieder erinnern, sondern nur an einen Tannenbaum. Am Heiligen Abend lud Familie Nolte alle Flüchtlingskinder in ihre gute Stube ein. Dort befand sich ein großer grüner Kachelofen – und gegenüber stand er, der wunderschöne Tannenbaum auf einer Kommode.
Ein Christbaum bis zur Zimmerdecke
Er reichte bis zur Zimmerdecke. Seine weit ausladenden Zweige waren mit hellem glänzendem „Engelshaar“ geschmückt statt des üblichen Lamettas. Dazwischen leuchteten viele bunte Glaskugeln und kleine Vögel. Diese Vögelchen hatten es mir angetan und brachten meine Augen jedes Jahr aufs Neue zum Strahlen. Ihr schlanker Körper bestand aus ganz feinem silbernem Glas, die Flügel waren aufgemalt. Ein steifes helles Borstenbüschel bildete den Schwanz und war fast so lang wie der etwa vier Zentimeter lange Körper. Ich bin mir sicher, dass ich gern so ein Vögelchen besessen hätte.
Eine goldene Kugel und Vögelchen aus Glas
In den 1980er Jahren besuchten unsere Familien zu Weihnachten immer unsere alten Eltern in Wertheim am Main und gingen dort regelmäßig ins Glasmuseum. Dort standen immer hohe Tannenbäume, die mit Schmuck aus verschiedenen Landschaften versehen waren. Da entdeckte ich auf einem Baum mein Vögelchen aus der frühen Kindheit. Ich konnte es kaum fassen, so groß war meine Freude. Das Jahr darauf bekam ich eine Kugel und ein Vögelchen von meinem Bruder zu Weihnachten geschenkt.
Das Vögelchen ist nach etwa 25 Jahren zerbrochen, aber die Kugel hat bis heute „überlebt“ und wird auch in diesem Jahr die Erinnerung an Noltes wunderschönen Tannenbaum wachhalten.
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