Wie Bad Harzburger Schüler sicher zur Schule kommen sollen

Auf dem Schulweg lauern viele Gefahren – Erstklässler der Gerhart-Hauptmann-Schule lernen, wie sie sich richtig im Straßenverkehr verhalten. Die Lehrerinnen Nicole Wolf und Monika Glittman-Köhler begleiten die Kinder. Fotos: Neumann
Die Gerhart-Hauptmann-Grundschule hat mit überfürsorglichen Eltern und viel Verkehr vor der Haustür zu kämpfen. Aktionen wie „Gelbe Füße“ und „AutoFREIE Schule“ sollen helfen. Bereits nach kurzer Zeit verfallen Eltern in alte Strukturen.
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Bad Harzburg. „Eulen können ihre Köpfe ganz weit nach rechts und links drehen. Wir wollen heute Verkehrseulen sein, die schauen, wo ein Auto kommt“. Oberkommissarin Christiane Meier ist Verkehrssicherheitsberaterin bei der Polizei Goslar. Gemeinsam mit Stefan Baier, ebenfalls Oberkommissar und Kontaktbereichsbeamter, besucht sie die ersten Klassen der Gerhart-Hautmann-Schule. Nach dem Wettbewerb „AutoFREIE Schule“ waren sie am Dienstag gemeinsam „Gelben Füßen“ auf der Spur.
Die Schülerinnen und Schüler der Klassen 1a und b und der 1. Klasse der Außenstelle in Westerode werden bei der Aktion zu Verkehrsdetektiven. Auf der Spur gelber Fußabdrücke, die an Straßen rund um die Schule auf Gehwegen zu finden sind, lernen die Kinder die Formel: Stehen – Sehen – Gehen. Die aufgesprühten gelben Fußabdrücke zeigen den Kindern auf dem Schul- und Nachhauseweg vor der Überquerung der Straße, wo sie stehen bleiben müssen, um zu schauen, ob ein Auto kommt.
Frau geht bei Rot über die Straße
Ob Straße, Garage oder Grundstückseinfahrt – von überall könnten plötzlich Autos auftauchen. „Wie ein Detektiv schauen wir erst um die Ecke“, erklärt Polizistin Meier. Als die Gruppe an einer roten Fußgängerampel stehen bleibt, trauen die Kinder ihren Augen nicht: Eine Frau geht einfach über die Straße. Auch an den anwesenden Polizisten stört sie sich nicht. Oberkommissarin Meier läuft ihr nach, um sie zur Rede zu stellen. Die Frau spricht kein Deutsch und versteht nicht, dass sie etwas falsch gemacht hat. „Überall auf der Welt gibt es Ampeln. Jeder sollte wissen, dass rot Stehenbleiben heißt“, betont ihr Kollege Baier.
Ein paar Meter weiter wird es brenzlich: Aus einer Ausfahrt kommt ein Auto – die Kinder sehen es gerade noch rechtzeitig, der Fahrer selbst hätte zu spät reagiert. Nachdem die Polizisten den Kindern zeigen, wie sie die Straße mithilfe einer Verkehrsinsel überqueren, halten alle an einer Reihe parkender Autos an. „Wenn hinten weiße Lichter leuchten, dürft ihr auf keinen Fall hinter dem Auto sein. Der Fahrer sieht euch nicht und will rückwärts fahren“, warnt Oberkommissar Baier. „Das Auto ist immer stärker als ihr“, ergänzt Meier.
Kleine Kinder können Geschwindigkeiten schwer abschätzen
An einer Kreuzung lauern gleich mehrere Gefahren – aus allen Richtungen könnten Autos kommen. Ein Krankenwagen biegt plötzlich mit Blaulicht und dröhnendem Martinshorn um die Ecke. „Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr im Einsatz haben immer Vorrang“, erklären die Beamten den Kindern.
Dann fragt der Polizist: „Kommt ein Auto? Können wir über die Straße gehen?“ Kleine Kinder könnten oft schwer abschätzen, ob genug Zeit zum Überqueren bleibt, wenn sich ein Auto nähert. „Üben die Eltern mit ihrem Kind das Verhalten im Straßenverkehr von klein auf, können Kinder meistens schon mit sechs Jahren alleine zur Schule gehen“, erklärt Polizist Baier. „Wenn Kinder immer nur zur Schule gefahren werden, lernen sie keine Verkehrsregeln“, warnt seine Kollegin.

Helfen sollen gelbe Füße, die von den Polizisten Christiane Meier und Stefan Meier für die bessere Sichtbarkeit nachgesprayt werden.
„Meine Mama hat fast schon mal ein Kind überfahren, aber sie konnte noch rechtzeitig bremsen“, erzählt ein Kind den beiden Polizeibeamten. Da zeigt sich, welche Gefahren schon an der Schule lauern. „Vor allem die Elterntaxis sind gefährlich“, weiß Oberkommissar Baier. Nicht nur, dass sie oft die gelben Füße zuparkten, sondern auch, dass Eltern ihre Kinder immer wieder zur Straße hin aus dem Auto ließen, stelle ein großes Problem für die Sicherheit der Schüler dar.
Um die Familien dazu zu bewegen, öfter zu Fuß zur Schule zu gehen und das Auto auch mal stehen zu lassen, nahm die Schule im September und Oktober fünf Wochen lang an dem Landeswettbewerb „AutoFREIE Schule“ des Kultusministeriums teil. So viele Kilometer wie möglich, an denen 90 Prozent der Kinder einer Klasse zu Fuß, mit dem Rad oder Bus kommen, galt es zu sammeln. Die Zahlen aus der Außenstelle Westerode lagen der GZ zwar gestern noch nicht vor, aber „allein 159 Schüler in der Hauptstelle sind 1733 Kilometer gelaufen“, berichtet Schulrektorin Tamara Pietscher. Damit wurden nicht nur 329,17 Kilogramm CO eingespart, sondern auch der Weg für die Kinder sicherer gemacht. Denn am Haupteingang an der Grundschule ist es besonders gefährlich, weil sich gegenüber auch die Berufsschule befindet. Immer wieder parken dort Autos am Straßenrand – da sei noch mehr Verkehr nicht gerade förderlich.
Die Gewinner-Klassen des Wettbewerbs sollen spätestens Anfang Dezember feststehen, informiert Marina de Greef vom Kultusministerium. Es winken drei erste Preise (je ein 800-Euro-Gutschein für den Besuch eines der 65 anerkannten außerschulischen Lernstandorte) und ein Sonderpreis.
Eltern verfallen in alte Strukturen
Auch wenn sich nach der Teilnahme am Wettbewerb zunächst ein Erfolg eingestellt habe, steige das Verkehrsaufkommen an der Schule nun langsam wieder – „leider“, bedauert Rektorin Tamara Pietscher. „Seit 20 Jahren bin ich an der Schule, und auch meine Vorgänger hatten mit diesem Thema schon zu kämpfen“, erzählt sie.
Zum Schluss der Aktion „Gelbe Füße“, in der auch die Verkehrswacht involviert ist, geben die beiden Polizisten den Erstklässlern noch eine Hausaufgabe mit: „Ihr seid jetzt die Polizisten. Erzählt euren Eltern, was ihr gelernt habt.“ Denn anscheinend kann es der ein oder andere gebrauchen: „Meine Mama und mein Papa gehen öfter auf der Straße anstatt auf dem Fußweg“, erzählt ein Mädchen. Kinder sind so herrlich ehrlich…