Wer kennt diese Brücke im Oberharz?

Das Gemälde von Karl Neuss zeigt einen Bachlauf mit einer Brücke. Welcher Ort dort konkret dargestellt wird, wusste die Heimatstube lange Zeit nicht. Foto: Privat
Die Altenauer Heimatstube hat ein Gemälde von Karl Neuss gekauft. Das Bild zeigt einen Bachlauf mit einer Brücke. Doch welcher konkrete Ort ist hier dargestellt? Um das herauszufinden, bittet die Heimatstube kundige Einwohner um Mithilfe.
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Altenau. Die Altenauer Heimatstube hat erneut Zuwachs bekommen: Dort hängt jetzt ein Gemälde des Braunschweiger Malers Karl Neuss. Doch so ganz wissen die Verantwortlichen noch nicht, welcher Ort genau darauf zu sehen ist. Darum bitten sie die Oberharzer, einmal in ihren Fotoarchiven zu stöbern, um Licht ins Dunkle zu bringen.
Geht es um den Oberharz als Thema der Landschaftsmalerei, hat häufig Karl Reinecke-Altenau etwas damit zu tun. Doch es gab auch noch andere bedeutsame Künstler, die sich mit dieser Region künstlerisch auseinandergesetzt haben, wie die Verantwortlichen der Heimatstube mitteilen.
Ein Bekannter in Altenau
Der in Braunschweig beheimatete Karl Neuss (1888–1967) bereiste die Region von den 1930er bis 1950er Jahren. Dabei fertigte er Zeichnungen und Ölbilder in freier Natur an. In Altenau soll er mehrfach Quartier bezogen haben, was sich auch an der relativ hohen Anzahl an Bildern festmachen lässt, die Ansichten der Bergstadt und der umliegenden Täler zeigen. Ein solches Harzgemälde ist nun als Neuerwerbung in der Heimatstube Altenau zu sehen.
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Ungewöhnlich für Neuss, der meist menschenleere Landschaften malte, zeigt das Bild menschliche Figuren: einen Angler und zwei vorbeigehende Personen auf einer Brücke. Hingegen sehr typisch für den Künstler ist das Motiv einer steinernen Bogenbrücke. Brückenbauten tauchen derart häufig in seinen Werken auf, dass er zu Lebzeiten in der regionalen Kunstszene „Brücken-Neuss“ genannt wurde.
Wer kann beim Identifizieren helfen?
Stilistisch lässt sich das neu erworbene Bild auf die 1930er oder 1940er Jahren datieren. Die Form der Berge im Hintergrund, die Steinbauweise der Bogenbrücke und die häufigen Aufenthalte des Künstlers im Oberharz zu jener Zeit lassen auf ein Motiv aus dieser Region schließen. Aber welcher konkrete Ort ist hier dargestellt? Die Innerste, die Oker, die Kellwasserbrücke am Fuße des Ochsenberges oder gar die alte Weißwasserbrücke, die inzwischen im Okerstausee verschwunden ist? Die Heimatstube bittet alle um Mithilfe: Wer Fotografien kennt, mit deren Hilfe sich das Bild verorten lassen könnte, kann sich dort melden.
Eine markante Besonderheit des Bildes ist in der dargestellten Jahreszeit auszumachen: So bevorzugte Neuss bei seinen Harzbildern weniger die touristisch attraktiven Sommermonate, sondern vornehmlich den verschneiten Winter und die ansonsten von anderen Künstlern kaum gezeigten Übergangsjahreszeiten, so wie hier den Vorfrühling während der fortgeschrittenen Schneeschmelze.
Keine Postkartenidylle, sondern Alltägliches
Ebenfalls fern jeder Postkartenidylle sind die gewählten Bildmotive. Sie präsentierten keine Sehenswürdigkeiten oder idealisierten Naturansichten, sondern vermeintlich Alltägliches und Unscheinbares, wie diese Impression eines Flussabschnitts mit Brücke und Angler vor gräulich nebelverhangenen Bergen unter einem kalten blauen Himmelsausschnitt. Als Anhänger der Freiluftmalerei in der Tradition des 19. Jahrhunderts war Neuss einerseits dem Realismus verhaftet, orientierte sich aber auch – mal mehr, mal weniger ausgeprägt – am Impressionismus.
Insofern tun sich durchaus inhaltliche und künstlerische Parallelen zum damals weithin populären Oberharzer Maler Karl Reinecke-Altenau auf: So thematisierten beide Künstler die Bergwelt unter klimatisch rauen Bedingungen, nutzten tendenziell eher eine matte, aber vielfältige Farbigkeit mit kontraststarken Akzenten, verwendeten einen deckenden Farbauftrag mit breiten Pinselstrichen und verzichteten auf kleinteilige Details zugunsten fein abgestufter Farbflächen.
Neuss und Reinecke-Altenau kannten sich
Auch persönlich waren sich Neuss und Reinecke-Altenau bekannt, beschickten die beinahe gleichaltrigen Künstler zu Lebzeiten doch häufig die gleichen regionalen Ausstellungen mit ihren Werken, waren in den gleichen Künstlerverbänden organisiert und dürften sich in dem recht überschaubaren Städtchen Altenau beim Arbeiten unter freiem Himmel mehrfach begegnet sein.
Inwieweit die beiden Künstler – wie mancherorts berichtet oder gemutmaßt wurde – miteinander befreundet waren oder Neuss sogar in der Altenauer Wohnung seines Oberharzer Kollegen Quartier bezogen haben soll, ist unklar.
Bei Sammlern beliebter Maler
Eine gewisse Bescheidenheit zeigte sich bei Neuss auch in den verwendeten Malgründen aus Pappe oder Hartfaserplatte sowie in den übersichtlichen Formaten. Pragmatisch ließen sich auf diese Weise die meist in freier Landschaft unter wechselhaften Licht- und Wetterbedingungen entstandenen Bilder in einem überschaubaren Zeitraum fertigstellen und ohne großen Aufwand transportieren. So misst auch das mit Ölfarbe auf Karton gemalte Bild der Altenauer Heimatstube handliche 40 mal 49 Zentimeter.
Auch heute noch ist Neuss unter Sammlern regionaler Landschaftsmalerei gefragt. Seine Bilder befinden sich vornehmlich in Privatbesitz und im Bestand des Braunschweigischen Landesmuseums, wo sie allerdings nur sehr selten ausgestellt werden.
Umso größer sehen die Verantwortlichen der Heimatstube es als Glücksfall an, dass mit der aktuellen Neuerwerbung ein Neuss-Gemälde permanent in Altenau der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. red