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GZ-Serie „Gründerzeitvillen“ (2)

Villa Heyke: Wo Historismus auf Jugendstil trifft

Die Vllia Heyke steht an der Ecke Golfstraße/Breitenberg und ist heute noch im Besitz der Familie. In den vergangenen Jahren wurden dort viele Familien beherbergt und einige Restaurierungen vorgenommen. Im Jahr 1980 gewann die Familie mit dem Haus den Fassadenwettbewerb Bad Harzburg. Der gusseiserne Hirschkopf (16 Ender) schmückt noch immer die Fassade der Villa. Foto: Jenzora

Die Vllia Heyke steht an der Ecke Golfstraße/Breitenberg und ist heute noch im Besitz der Familie. In den vergangenen Jahren wurden dort viele Familien beherbergt und einige Restaurierungen vorgenommen. Im Jahr 1980 gewann die Familie mit dem Haus den Fassadenwettbewerb Bad Harzburg. Der gusseiserne Hirschkopf (16 Ender) schmückt noch immer die Fassade der Villa. Foto: Jenzora

Zwischen 1860 und 1914 wurden in Bad Harzburg zahlreiche Villen gebaut, die zum Teil bis heute das Stadtbild prägen. In einer Serie stellen die Bad Harzburger Michael Bartsch und Sven Bartsch-Siegmund einige dieser imposanten Gebäude vor.

Mittwoch, 21.02.2024, 12:00 Uhr

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Ein Bauboom erfasst Bad Harzburg gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Seit der Reichsgründung 1871 ziehen von Jahr zu Jahr mehr Industrielle, hohe Beamte, Adelige und kulturelle Eliten in die Kurstadt, um deren Solequellen, die frische Luft und das Heilwasser zu genießen. Zwischen 1860 und 1914 werden Pensionen, Grandhotels und Villen gebaut, die zum Teil bis heute das Stadtbild prägen. In einer Serie wird die Geschichte einiger dieser imposanten Gebäude vorgestellt. Teil 2 befasst sich mit der Villa Heyke an der Ecke Golfstraße/Am Breitenberg.

Diese wurde 1904/05 erbaut und befindet sich seit fast 120 Jahren im Familienbesitz. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg ist sie für die Familien der Mittelpunkt. Jedoch plante und baute das Haus der Sägewerksbesitzer Klages. Der hatte das noch nicht fertiggestellte Haus aus finanzieller Not letztlich an den Braunschweiger Großschlachtereibesitzer Theodor Heyke sen. verkauft. Den Kaufvertrag beurkundete der Notar Rudolf Huch. Später wurde aufgrund seiner schriftstellerischen Werke die Rudolf-Huch-Schule und Straße benannt.

Beliefert Deutsches Heer

Die im Übergang zwischen Gründerzeit und Jugendstil gebaute Villa diente dem wohlhabenden Braunschweiger Unternehmer als naheliegendes Erholungsdomizil. Bad Harzburg war seinerzeit von Braunschweig hervorragend mit der Eisenbahn erreichbar. Am damals modernen und schönen Bahnhof warteten Kutschen-Taxen, die Bewohner und Besucher zu ihren Villen und Häusern chauffierten. Theodor Heyke konnte und wollte mit der Zeit gehen, sodass er ab 1913 mit seinem Cabrio die Harzstadt selbst ansteuerte. 1918 und 1936 erhielt er das Eiserne Kreuz.

Die im Jahr 1904 erbaute Villa Heyke auf einer Postkarte aus dem Jahr 1910. Damals dient sie dem wohlhabenden Besitzer als Erholungsdomizil. Nach dem Zweiten. Weltkrieg diente die Villa der Familie als Lebensmittelpunkt und sicherer Rückzugsort. Foto: Heyke

Die im Jahr 1904 erbaute Villa Heyke auf einer Postkarte aus dem Jahr 1910. Damals dient sie dem wohlhabenden Besitzer als Erholungsdomizil. Nach dem Zweiten. Weltkrieg diente die Villa der Familie als Lebensmittelpunkt und sicherer Rückzugsort. Foto: Heyke

Doch wer war Theodor Heyke sen? Sein Enkel – Theodor Heyke jun. (Theo) – erinnert sich an ihn als anpackenden, erfolgreichen Unternehmer. Sein Fleischereigroßbetrieb belieferte das Deutsche Heer während des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Nach dem erfolgreichen Erwerb des Hauses in Bad Harzburg unterbreitete Theodor Heyke sen. der Braunschweiger Kammer das Angebot, das Gestüt zu erwerben, um dort eine Rindermästerei zu betreiben. Seine Offerte wurde jedoch abgelehnt.

Sohn fiel im Krieg

Das Kriegsjahr 1944 wurde für ihn zum „Annus horribilis“: Sein einziger Sohn fiel im Krieg, seinen Braunschweiger Großbetrieb zerstörten Fliegerbomben der Alliierten. Sein Schladener Betrieb wurde ebenfalls zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die schlesischen Besitzungen verloren. Spätestens ab der Mitte der 40er Jahre diente die Villa Heyke in Bad Harzburg der Familie als Lebensmittelpunkt. Hier konnten Schwiegertochter und Enkel den Krieg sicherer überleben als in der Industriestadt Braunschweig. Theodors Risikostreuung im Immobilienbesitz zahlte sich aus: Die Familie lebte fortan in Bad Harzburg.

Die Villa hat zwei Stile: Historismus und der florale Jugendstil. Die wenige Jahre nach dem Bau im Jahr 1906 eingebauten Jugendstil-Bleiglasfenster zeigen Blumen und lassen optisch den Vorgarten in das Verandaglas wachsen. Gleiches gilt für den wunderschönen mit Blumen geschmiedeten Gartenzaun. Die Außenverschalung mit Brettern im ersten Stock wurde über das Fachwerk nachgerüstet.

Gestaltung im Jugendstil

Die Innenräume folgen einer klassischen gründerzeitlichen Aufteilung: Die Bewohner können von Raum zu Raum gehen, ohne den Flur benutzen zu müssen, Schiebetüren trennen die Räume. Das Personal musste die Räume über den Flur betreten. Der in den Räumen angebrachte Stuck folgt der Mode des Jugendstils. Sämtliche Eichen-Parkettböden sind original. Die ursprüngliche Farbe der Räume wird bis heute so fortgesetzt. Zeittypische Möbel unterstreichen den Glanz und die Großzügigkeit des Hauses.

Nach dem Krieg wohntenvier Flüchtlingsfamilien und Familie Heyke im Haus. Unter anderem wohnte auch Wilhelm Busch dort – vielen Harzburgern bekannt unter dem Namen Onkel Pelle. Er organisierte zahlreiche Kinderfeste und unterhielt die Kleinen als Clown.

1966 verstarb Theodor Heyke, sen. und sein Enkel Theodor übernahm das Haus und baute es um. Ein Anbau (zwei Zimmer mit Keller) im Jahr 1969 und der Umbau mit Renovierung zum Vier-Familienwohnhaus vom Jahr 1996 bis 2005 folgten. Weitere Umbauten: Heizungseinbau, Dachbodenausbau, neues Harzer Doppeldach und teilweise neu glasierte Doppelziegel, zweischaliges Fach- und Mauerwerk, Veranda mit neuem Balkon, neue Fenster, zwei Carport-Einstellplätze mit Einfahrt von der Golfstraße sowie drei weitere Carports mit Zufahrt von der Straße am Breitenberg. Alles unter den Vorgaben des Denkmalschutzes. Die gesamte Wohnfläche beträgt 400 Quadratmeter.

Mehrere Generationen

Mittlerweile wohnt die nächste Generation im Haus: Heykes Sohn mit Familie. 1980 gewann das Haus den 1. Preis beim Fassadenwettbewerb von Bad Harzburg. Der gusseiserne Hirschkopf (16 Ender) stammt vom alten Molkenhaus (hergestellt in Georgsmarienhütte). Theo Heyke lernte Maschinenbau, später war er im Hochbau tätig, arbeite 17 Jahre auf dem arabischen und afrikanischen Kontinent. Nach dieser beruflich und persönlich prägenden Zeit übernahm er die Firma August Lüder, die bis heute Bad Harzburg und Umgebung mit Werkzeugen, Schrauben und Dienstleistungen (Schlüssel- und Sicherheitsanlagen) versorgt. Das seit 1967 verheiratete Paar Inge und Theodor Heyke engagierte sich in zahlreichen Vereinen und Organisationen der Stadt.

Von Theodor Heyke und Michael Bartsch

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