Schon 1932 holen die Nazis absolute Mehrheiten

Die Nazis kommen auch in Goslar nicht durch die Hintertür: 1934 bereiten die Menschen Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels auf der damals schon in Adolf-Hitler-Straße umbenannten Rosentorstraße einen jubelnden Empfang. Foto: Oskar Rögener/Archiv Geyer; Repro: Kusian-Müller
In Goslar ist die NSDAP schon früh bei Wahlen ergolgreich. 1932 holen die Nazis mit ihrem "Führer" Adolf Hitler in der alten Kaiserstadt absolute Mehrheiten. Der Hannoveraner Historiker Dr. Peter Schyga schaut auf die ersten Monate des Jahres 1933.
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Goslar. Bei der Reichspräsidentenwahl im Frühjahr 1932 demonstrierte die Mehrheit der Goslarer Wählerinnen und Wähler ihre Abkehr von der Weimarer Republik, als sie mit großer Mehrheit Adolf Hitler ihre Stimme gaben. Während ihm im Reich knapp zwei Drittel ihre Stimme verweigerten, votierten in Goslar im zweiten Wahlgang am 10. April 56,2 Prozent für den Anführer der NSDAP.
Hitler erhielt sogar über 2000 Stimmen mehr als der frühere Generalfeldmarschall und Weltkriegskommandochef Paul von Hindenburg, der lange als Hüter eines autoritären Konservatismus verehrte Führer des nationalen Bürgertums. 14 Tage später vermeldete die Goslarsche Zeitung am 25. April 1932: „In Goslar Stadt herrscht die NSDAP“. Bei der Landtagswahl in Preußen entfielen 52,9 Prozent der Stimmen auf Hitlers Partei, während sie im ganzen Land 36,3 Prozent verbuchen konnte.
Seit 1929 sitzen sechs Nazis im Bürgervorsteherkollegium
Seit der Kommunalwahl 1929 saßen sechs NSDAP-Vertreter im Bürgervorsteherkollegium der Stadt. Nun fühlte diese Fraktion mit einigem Recht die Mehrheit der Stadt hinter sich. Das ermunterte ihre wachsende Anhängerschar, massiv gegen die Republik und deren Getreue zu hetzen. Demonstrative und oft gewalttätige Präsenz auf der Straße wurden zum Markenzeichen der NS-Verbände. Dieses Vorgehen schüchterte ein und beeindruckte zugleich diejenigen, die ihren Selbstwert aus militärischem Gebaren und entschlossener Männlichkeitspose speisten.
NS-Agitation und Propaganda prägten das Jahr 1932: Aktionen in Parteiversammlungen und Kundgebungen, bei denen die hoch mobilen NSDAP-Truppen von Ort zu Ort zogen, um bei Gegnern Unruhe zu stiften und Gewalt auszuüben. Eigene Veranstaltungen mit NS-Größen zogen seit April 1932 viele Hundert Zuhörer an. Gewalt wurde alltäglich. „Terror! Terror gefällt grundsätzlich nur denen, die ihn ausüben, und erregt Missfallen bei denen, die ihn ertragen sollen. So war es schon immer, und so wird es wohl auch bleiben,“ heißt es in einem zeitgenössischen Polizei-Bericht. Die Institutionen der Republik versuchten, sich der massiv gesteigerten Gewalt von rechts zu erwehren. Reichskanzler Heinrich Brüning verbot am 13. April 1932 die Nazi-Organisationen SA und SS. In Goslar führte die Durchsetzung des Verbots zu massiven Auseinandersetzungen zwischen der SA und der Polizei. Oberbürgermeister Friedrich Klinge, Stadtsyndikus Rudolf Wandschneider und die Führung der Polizei mussten sich von der nationalistischen Lokalpresse und den parlamentarischen Vertretern der Schlägerbanden massiv beschimpfen lassen.
Langwierigen Streit um die Erhaltung des Bergbaus in Goslar

Eine Grubenlampe für den „Führer“: Die Aufnahme eines unbekannten Fotografen aus dem Jahr 1934 zeigt, wie Adolf Hitler in der Goslarer Kaiserpfalz mit Geschenken bedacht wird. Foto: Archiv Geyer; Repro: Schenk
Schlag gegen Preußen: Gewaltakt ohne Gegenweht
Es käme nun darauf an, dass „die November-Revolution von 1918 mit allen ihren Begleiterscheinungen auf allen Gebieten und in allen führenden Persönlichkeiten liquidiert wird und dass neue Männer den durch uns herbeigeführten Gesinnungsumschwung zum nationalen und sozialen Staat in die Tat umsetzen“, kommentierte die GZ den inneren Staatsstreich gegen Preußen am 20. Juli 1932. In einem Gewaltakt ohne Gegenwehr hatten Kanzler Franz von Papen und General Kurt von Schleicher die preußische Regierung usurpiert.
Nachdem die NSDAP bei der Reichstagswahl am 6.November 1932 bei einem Anteil von 33,1 Prozent zwei Millionen Stimmen verloren hatte (in Goslar zirka 900 bei 51 Prozent), schien deren Aufstieg gebremst, die Republik noch zu retten. Doch in den Hinterzimmern der wirtschaftlichen und politischen Machteliten wurde nach einem Weg für die Errichtung einer Diktatur gewerkelt. Am 30. Januar 1933 war „der endliche Durchbruch des nationalen Staates unter der Kanzlerschaft Adolf Hitlers“ geschafft, meldete die GZ in ihrer Ausgabe vom 31.Januar. Uniformierte Nazis marschierten am Abend vor dem Versammlungslokal „Kaisersaal“ auf und lauschten zusammen mit zahlreichen Zuhörern den Worten von Kreisleiter Herbert Huxhagen – einem gelernten Friseur – und Standartenführer Schleich. Zwei Tage später war der Reichstag aufgelöst, Wahlen für den 5. März des Jahres angekündigt. Hermann Göring als Reichskommissar des Inneren in Preußen erließ ein Demonstrationsverbot für die KPD. Büros und Wohnungen der Partei und ihrer Mitglieder wurden durchsucht. Der preußische Landtag und die Gemeindevertretungen wurden aufgelöst, Versammlungen und Demonstrationen verboten.
Anschluss bei der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot gesucht
In Goslar sortierten sich die Bürger für die Kommunalwahl am 12.vMärz neu. Die einst bürgerlichen Interessenvertretungen in Goslar suchten Anschluss bei der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot aus dem Hause von Alfred Hugenbergs DNVP unter lokaler Führung von Dr.Otto Fricke, Geschäftsführer beim Baustoffhändler August Prelle. Andere liefen gleich zur NSDAP über. Vor einer Versammlung des Kreislandbundes profilierten sich Domänenpächter Backe sowie Bauernführer und Rittergutsbesitzer von Löbbecke zum Thema „Erneuerung aus Blut und Boden“. Beide sollten bald führende Posten im Reichsnährstand innehaben.
Am Sonntag, 26. Februar, marschierten an die 1000 Braunhemden der SA-Standarte10 Harz durch die Stadt, um die Macht der Partei zu beweisen. Im „Kaisersaal“ lud NS-Frauenführerin Ottilie Heubel die Frauen der Stadt zur nationalen Mobilisierung durch Pastor Schott aus Braunschweig ein.
Verschärfter Terror gegen die Opposition
Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar verschärfte das Regime den organisierten Terror gegen die Opposition. In Goslar wurde das Gewerkschaftshaus an der Bergstraße durchsucht, Flugblätter und Zeitungen beschlagnahmt. Um die Unterdrückung zu forcieren und den republikanisch geprägten Polizeiapparat der Stadt auf Kurs zu bringen, wurden 32 SA-Leute, SS-Männer und Stahlhelmer als Hilfspolizisten eingestellt.
In der nächsten Folge beschreibt Autor Dr. Peter Schyga unter anderem, wie der Mob am 5. Mai den langjährigen SPD-Senator und Handwerksmeister Wilhelm Söffge sowie den jüdischen Kaufmann Selmar Hochberg im Viehwagen durch die Stadt zerrt.