Sammeln und fotografieren für die Othfresener

Werner Wenke in seinem Element: Der Bergbau spielt nicht nur im Museum eine große Rolle, Wenke ist selbst auch ehemaliger Bergmann und Vorsitzender des Knappenvereins. Foto: Gereke
Es sind Menschen wie Werner Wenke, die für das Leben in einem Ort unverzichtbar sind. Seinen Stempel drückte der seit einigen Tagen 85-Jährige Othfresen nicht nur als Ortsheimatpfleger auf. Sein ehrenamtliches Engagement reicht viel weiter.
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Othfresen. Ob Knappen oder Kasperletheater, ob Siedlergemeinschaft oder Sportverein – irgendwie war Werner Wenke in den vergangenen Jahrzehnten in Othfresen immer dabei, war ein wichtiger Bestandteil der Dorfgemeinschaft. Dabei ist er gar kein Ur-Othfresener. Das Licht der Welt erblickte er 1938 in Schlesien. Er war eines von zehn Kindern. Zwei Geschwister starben an Ruhr, Vater und ein älterer Bruder fielen im Krieg. Die Flucht führte ihn schließlich an den nördlichen Harzrand, wo er 1948 ankam.
Comics sammeln statt Eis kaufen
Schon in der Schule entdeckte er eine Sammelleidenschaft – beispielsweise für Comics. „Während eines Aufenthalts in Hohegeiß kauften sich alle anderen Kinder von ihrem Taschengeld lieber Eis, ich kaufte Heftchen“, erinnert er sich.

Das Foto zeigt Werner Wenke als Othfresener Schüler. Repro: Gereke
Ebenso entdeckte er während der Schulzeit das Fotografieren für sich – zur Konfirmation bekam er seine erste Kamera geschenkt. Farbfilme gab es nicht, Bilder colorierte er von Hand nach. So entwickelte er sich über Jahrzehnte zum Dokumentator der Ortsgeschichte, lud zu Dia-Abenden ein. Die beiden Eigenschaften zusammen brachten ihm dann Mitte der 1980er Jahre offiziell den Titel des Ortsheimatpflegers ein. Und der Ortsrat trat mit der Bitte an ihn heran, ein Museum für Othfresen aufzubauen.
Und so sammelt und knipst der ehemalige Bergmann Jahr für Jahr alles, was im Ort passiert. Seit Mitte der 1960er Jahre findet sich beispielsweise jeder GZ-Artikel, der über Othfresen erschienen ist, ausgeschnitten und archiviert im Heimatmuseum.
Mit einem Trick gewinnt er die Herzen
Kaum ein Ereignis verpasste er. Meist konnte er auch im Urlaub schnell zur Stelle sein: 60 Jahre war er Dauercamper auf dem Wolfshäger Platz. Erst vergangenes Jahr verkaufte er seinen Wohnwagen dort. Aber das Ehepaar Wenke hatte auch noch einen Zweiten – mit dem kleineren Modell ging es ans Auto gehängt durch die Lande.

Aus seiner aktiven Bergmannszeit gibt es von Werner Wenke nur zwei Bilder: Eines zeigt ihn auf der Lok der Grubenbahn.
Eine ganze Zinnsoldaten-Armee erschaffen
Das aufregendste Exponat – Wenke kann es gar nicht benennen. Die Freude war immer groß, etwas fürs Museum zu bekommen. Und wenn es ein Küchenlöffel war. Oder er erschuf selbst etwas – so wie eine Armee Friedrichs des Großen aus Zinnsoldaten. Die umfasst mehr als 2000 Mann. „Vom Gießen bis zum fertigen Bemalen war ich pro Figur immer rund sieben Stunden beschäftigt“, erzählt er. Nun kann jeder selbst errechnen, wie viele Stunden er alleine auf diese Weise ins Museum steckte.

Der gebürtige Schlesier baute aus Zinnsoldaten eine ganze Armee Friedrichs des Großen auf. Rund sieben Stunden benötigt er, um eine Figur herzustellen.
Interessiert ist Wenke auch am Vereinsleben, weshalb er in vielen Vereinen aktiv war und ist. Und seine Leidenschaft fürs Kasperletheater bereicherte über Jahrzehnte viele Bühnen.
Sogar seine Polnisch-Kenntnisse nützen ihm
Seine schlesische Herkunft nutzte ihm erst wieder vor einigen Wochen. Als im Dorf die Arbeiten liefen, um Glasfaserkabel zu verlegen, waren polnische Arbeiter aktiv. „Nachdem Krieg lernte ich polnisch und konnte so die Männer ansprechen. Die waren völlig verdutzt, dass jemand ihre Sprache konnte. Wahnsinn, dass ich das nach so langer Zeit noch im Schädel habe. Aber so konnte ich mir die Jungs genauso hinstellen, wie ich es für die Bilder brauchte“, erzählt Wenke.
Denn selbstverständlich dokumentierte er mit Fotos auch den Ausbau des Glasfasernetzes im Dorf – so wie auch das Wachsen des neuen Baugebiets, die Dorffeste und alles andere.

Detailreich hat Wenke über all die Jahre das Othfresener Heimatmuseum im Keller des Dorfgemeinschaftshauses eingerichtet. Foto: Gereke
Zur Person:
Werner Wenke erblickte am 5. Juli 1938 in Habendorf (Kreis Reichenbach) in Schlesien das Licht der Welt. Nach den Wirren des Weltkriegsendes und der Flucht erreichte er 1948 Othfresen. Auf Grube Fortuna begann er 1953 eine Lehre im Bergbau, arbeitete nach ihrem Abschluss bis 1962 als Bergmann auf der Othfresener Grube Ida. Nach Schließung der Grube 1962 schulte er zum Zimmerer und Betonbauer um. Sein Leben prägt ein vielfältiges gesellschaftliches Engagement: nicht nur als Ortsheimatpfleger und Ortschronist, auch als Vorsitzender des Knappenvereins, mit seinem Kasperletheater, mit dem er Jugendliche jahrzehntelang erfreute, als Mitglied vieler Vereine oder mit ehrenamtlichen Aktionen beispielsweise bei der Pflege der Gräber gefallener Soldaten und Zwangsarbeiter.
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