Neujahrsschwimmen: Bei vier Grad Celsius ins kalte Nass

155 Schwimmer begrüßten das neue Jahr mit einem eiskalten Bad in der Innerstetalsperre. Foto: Hartmann
Bei vier Grad Wassertemperatur und Regen trotzen die 155 Schwimmerinnen und Schwimmer beim 48. Neujahrsschwimmen der DLRG Langelsheim der Kälte. Es sei eine Frage der Überwindung, sagte Roland Steckl, der seit mehr als 40 Jahren dabei ist.
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Langelsheim. Sind sie heldenhaft oder verrückt? Ein bisschen von beidem braucht es wohl, um sich bei 4 Grad Wassertemperatur in die Innerstetalsperre zu stürzen. So viel ist klar: Die Begeisterung für das Neujahrsschwimmen der Langelsheimer DLRG wird eher größer als kleiner: „Es sind 155 Schwimmer!“, verkündet der Vorsitzende Markus Romainschick durchs Megafon. „So viele hatten wir noch nie.“
Die Schlangen am Anmeldetisch sind lang. Ab 13 Uhr können sich die ersten Mutigen eintragen. „Acht Grad Wasser- und Lufttemperatur“ meldet Romainschick gegen 13.30 Uhr. Eine halbe Stunde später korrigiert er den Wert deutlich nach unten. Im Wasser ist es nur halb so warm, zeigt das Schwimmthemometer. Es beginnt zu regnen. Doch die Kaltwasserfans scheint das nur noch mehr anzuspornen. Ein paar blödeln herum. „Ih, ich werde nass, bei Regen schwimme ich nicht“, tönt es durcheinander. In den Umkleidekabinen herrscht Hochbetrieb. Weihnachtsmützen mit Bommeln und Bademäntel gehören zur Grundausstattung. Drei Rettungsschwimmer auf Surfbrettern machen sich klar für den Gang ins Wasser, insgesamt sind 15 DLRG-Mitglieder heute auf dem Campingplatz-Gelände im Einsatz. Nicht zuletzt für den Bockwurst- und Glühweinverkauf, der die Schwimmer hinterher wieder aufwärmen soll.
Es ist eine Kopfsache

Roland Steckel genießt das Zuschauen. Foto: Hartmann
Ganz zu Anfang waren sie an der Okertalsperre zum Jahresbeginn ins Wasser gesprungen, da hatten sie auch schon mal das Eis aufhacken müssen, erzählt Roland Steckl, der etwa 45 Jahre lang mitgemacht hat. Nun kann er gesundheitsbedingt nicht mehr ins kalte Wasser, aber mit einem Heißgetränk am Rand stehen und zuschauen, das lässt sich der gebürtige Rheinländer, der in Goslar lebt, nicht nehmen. Es sei eine Frage der Überwindung, verrät er, eine Kopfsache. Wenn einem dann das Blut in die Finger schieße, das sei ein ganz besonderes Gefühl.
Bier und Gruppenzwang
Joachim Wiedenhaupt, Frank Bosse, Michael Ebeling und Rüdiger Thometzek stehen in Bademänteln vor der Umkleidekabine. Die vier sind schon von Anfang an dabei. „Entstanden ist das mal aus einer Bierlaune heraus“, erzählt Wiedenhaupt. „Wir haben in der Kneipe zusammen gesessen und überlegt: Die Segler machen Ansegeln, die Angler Anangeln, und was machen wir?“ Dass man dann zum Anschwimmen den frühestmöglichen Termin wählte, war fast logisch. Und ob sie das wirklich freiwillig machen? „Ein gewisser Gruppenzwang ist schon dabei“, gibt Bosse zu. „Wenn ich sage, ich gehe nicht mit, dann kommen die anderen und holen mich.“ Seine Freunde lachen.

Joachim Wiedenhaupt (v. li.), Frank Bosse, Michael Ebeling und Rüdiger Thometzek sind von Anfang an beim Anschwimmen dabei. Foto: Hartmann
Die Schar der Unerschrockenen drängt sich inzwischen auf dem Zugang zum Ufer. Endlich gibt der DLRG-Chef das Startsignal. Die Truppe setzt sich schnell in Bewegung. Im Tempo scheint das Geheimnis zu liegen. Wer zögert, spürt die Kälte und hat schon verloren. Ohne Stopp ganz ins Wasser und losschwimmen, das klappt offenbar bei allen. Männer, Frauen und Kinder stürzen sich in die Flut. Aber es sind nicht nur tollkühne Zweibeiner im Wasser: Lucifer, der schwarze Labrador von Kristin Mönner ist gar nicht wieder aus der Talsperre herauszukriegen, sosehr genießt er das kalte Bad. „Wir sind nächstes Jahr wieder mit dabei“, sagt die Diekholzenerin, begeistert von ihrem ersten Neujahrsschwimmen.

Kristin Mönner und Labrador Lucifer sind begeistert vom kalten Wasser. Foto: Hartmann
Die meisten tauchen kurz ein und kommen sofort wieder an Land, wo eine warme Dusche auf sie wartet. Andere brauchen erst noch eine Erinnerung. „Letzte Aufforderung: Es sind fast sieben Minuten“, warnt Romainschick durchs Megafon. Eigentlich sollte nach sechs Minuten schon alles zu Ende sein.
Zu Hause wartet die Sauna
Langsam sammeln die drei Rettungsschwimmer ihre nassen Schäfchen zusammen. Endlich kommt auch die letzte Schwimmerin an Land. „Alles gut, mein Körper ist das gewohnt“, gibt Jutta Schmidt Entwarnung. Die Bad Harzburgerin ist Schwimm- und Saunameisterin und obendrein Kaltwasserschwimmerin in der dritten Generation. „Ich könnte jetzt Bäume ausreißen“, versichert die 51-Jährige. Ihre Haut ist knallrot, ihr Körper durchflutet von Endorphinen und Adrenalin. „Man muss es einfach mal ausprobieren, es ist nur eine Frage des Kopfes und der Überwindung.“ Zum Aufwärmen gibt es einen heißen Tee. Und zu Hause wartet schon die Sauna auf sie.

Jutta Schmidt hielt zwölf Minuten aus. Foto: Hartmann