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Eurawasser installiert Kletterhilfen

Krötenwanderung: Goslarererin sorgt sich um Tiere im Gulli

Auf der Suche nach Amphibien: Ute Jensen (von links), Sabine Neumann sowie Nadine und Gudrun Sakowski.  Foto: Hartmann

Auf der Suche nach Amphibien: Ute Jensen (von links), Sabine Neumann sowie Nadine und Gudrun Sakowski. Foto: Hartmann

Es wird wärmer, die Kröten und Frösche wandern vom Goslarer Rammelsberg hinunter zum Kahnteich. Dabei werden viele überfahren oder fallen in Gullis, aus denen sie sich nicht mehr befreien können. Gudrun Sakowski und ihr Team wollen helfen.

Von Petra Hartmann Donnerstag, 23.03.2023, 12:00 Uhr

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Goslar. Gudrun Sakowski setzt eilig die Krücken auf und tritt vom Bürgersteig auf die Wallstraße. Es ist dunkel, immer wieder rauschen Autos vorbei, aber die 65-Jährige hat mitten auf der Fahrbahn eine Erdkröte erspäht. Es ist 19.30 Uhr, und die Amphibien beginnen zu wandern – in den Tod, wenn sie niemand aufhält. Ein furchtbarer Gedanke für die Frau. Mit Gehhilfen, Eimer und Taschenlampe bewaffnet ist sie zurzeit jeden Abend unterhalb des Rammelsbergs und an der Bundesstraße unterwegs, um die Tiere einzusammeln. Rasch bückt sie sich und klaubt die Kröte auf. Dann wieder zurück auf den Bürgersteig. Mit grell leuchtenden Scheinwerfern rast ein Auto heran. Aber die Kröte ist gerettet. Jedes Leben zählt.

40 in einer Nacht

Vier Frauen unterstützen die Goslarerin derzeit bei ihrer Arbeit. Und sie haben alle Hände voll zu tun. Anfang der Woche haben sie in einer einzigen Nacht 40 Frösche und Kröten aufgelesen und hinunter zum Kahnteich getragen. Aber sie sehen auch viele Amphibien, die es nicht geschafft haben. Breitgefahren auf der Straße. Der Anblick schmerzt. „Warum kann man hier keine Schilder aufstellen?“, ärgert sich die Goslarerin. Von der Stadt wurde die Bitte abgelehnt. Nun überlegt Sakowski, ob sie nicht zumindest auf ihrem eigenen Grundstück direkt an der Wallstraße ein Schild anbringen kann, das die Autofahrer um Aufmerksamkeit und geringeres Tempo bittet.

Abgestürzt und hilflos

Vor allem die Straßengullis sind für die wandernden Lurche, Molche und Frösche eine Todesfalle. Oft endet der Weg zum Laichgewässer mit einem Sturz in die Tiefe. Eine Kröte, die dort hineingefallen ist, kommt aus eigener Kraft nicht wieder heraus. Mit Taschenlampen kontrollieren die Frauen die Straßeneinläufe. Da, aus dem Dunkel dringt jämmerliches Quaken. Langsam schiebt Ute Jensen ihre Hand in das Loch, schließt dann vorsichtig ihre Hand um das kleine Wesen. Als sie das Tier in den Plastikeimer setzt, klingt seine Stimme nicht mehr ganz so ängstlich. Nun schnell hinunter zum Kahnteich. Außer ihr sind auch Claudia Erhard-Gendre und Nadine Sakowski, die Tochter der Initiatorin, auf Krötenjagd.

Am liebsten würde Gudrun Sakowski die Gullis abdecken. Mit Plastiktüten oder engmaschigen Netzen, damit kein Frosch hineinfallen kann. Eine Idee, die bei der Stadtverwaltung nicht gut ankam. In einer Stadt, in der die Erinnerung an das Hochwasser noch so lebendig ist, ist man sensibel, was das Verstopfen von Straßenabflüssen angeht. Aber die Eurawasser GmbH hat inzwischen Hilfe zugesagt, sie will innen in den Gullis Klettermöglichkeiten schaffen, damit die Tiere wieder hinaufklettern.

Ein Erdkrötenpärchen: Zurzeit suchen die Amphi bien ihre Laichgebiete auf und sind vor allem in den Abend- und Nachtstunden unterwegs. Viele werden dabei ein Opfer des Straßenverkehrs. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Ein Erdkrötenpärchen: Zurzeit suchen die Amphi bien ihre Laichgebiete auf und sind vor allem in den Abend- und Nachtstunden unterwegs. Viele werden dabei ein Opfer des Straßenverkehrs. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Eurawasser installiert Kletterhilfen für Kröten

„Es handelt sich um sogenannte Krallmatten“, erklärt Stephan Butzlaff, Pressesprecher bei Eurawasser. Das Unternehmen hat sich bei einem Ortstermin über sie Situation kundig gemacht und dann die Kletterhilfen für die abgestürzten Amphibien bestellt. Insgesamt werden 32 Gullis damit ausgestattet, die ersten sind schon installiert. Vorgesehen sind die Krallmatten für die Alte Rodelbahn, Obere Triftstraße, Nonnenberg, Claustorwall, Werenberger Straße, Wallstraße, St.-Annen-Höhe und den Fußweg am Reitstallweg. In Goslar sei das Projekt bisher einmalig, sagt Butzlaff. „Wir haben sie hier noch nie installiert.“

Die Krötenretterinnen arbeiten inzwischen weiter. Die Gruppe trennt sich. Viele Tiere kommen die Bergdorfstraße hinunter, die Helfer suchen auch die Werenbergstraße ab. An der Wallstraße springen Frösche aus einem Vorgarten auf die Straße. Und alle wollen hinunter zur Wasserbreeke. Regelmäßig leeren die Sammlerinnen ihre Eimer am Kahnteich aus. „Auf keinen Fall die Kröten mit der Lampe direkt anleuchten“, warnt Gudrun Sakowski. „Die Tiere bleiben dann stehen. Aber man sieht nicht mehr, in welche Richtung sie gehen.“ Das müsse man aber beobachten, denn inzwischen seien auch schon die ersten Rückkehrer unterwegs. Bis kurz vor Mitternacht dauert die Suche. Der letzte Eimer wird am Kahnteich entleert. „Wir werden oft belächelt dafür, dass wir die Tiere aufsammeln“, meint Nadine Sakowski, als sie die drei letzten Tiere in die Freiheit entlässt. „Aber jeder mag doch den romantischen Froschgesang in einer lauen Sommernacht.“

Helfer gesucht

Gern möchte die Gruppe sich verstärken und weitere Helfer für die Froschrettung gewinnen. Es brauche gar nicht viel dafür, nur ein bisschen Aufmerksamkeit, einen Eimer, eine Taschenlampe und eventuell ein paar Handschuhe. Angst müsse niemand haben, die Tiere seien weder giftig noch bösartig, und wenn jeder unterwegs einem oder zwei Tieren hilft, sei schon viel erreicht. Eine Warnweste wird empfohlen. Freiwillige können sich unter 0151/11940051 melden.

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