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Goslarer Kunstmäzen und Ehrenbürger

Kaiserring-Stifter Peter Schenning zum 100. Geburtstag

Peter Schenning (links) war der Ideengeber, Macher und Strippenzieher: Mit dem genialen Einfall, Goslar einen Kaiserring für moderne Kunst ausloben zu lassen, gab er Künstlern von Weltrang wie Joseph Beuys (rechts) eine Bühne in der Kaiserstadt und verschaffte dieser internationale Aufmerksamkeit als Stadt, der es gelingt, Historie mit Moderne auf wunderbare Weise zu vereinen. Fotos: GZ-Archiv/ Mönchehaus

Peter Schenning (links) war der Ideengeber, Macher und Strippenzieher: Mit dem genialen Einfall, Goslar einen Kaiserring für moderne Kunst ausloben zu lassen, gab er Künstlern von Weltrang wie Joseph Beuys (rechts) eine Bühne in der Kaiserstadt und verschaffte dieser internationale Aufmerksamkeit als Stadt, der es gelingt, Historie mit Moderne auf wunderbare Weise zu vereinen. Fotos: GZ-Archiv/ Mönchehaus

Peter Schenning wäre am Montag 100 Jahre alt geworden. Der Goslarer Unternehmer hinterließ in seiner Heimatstadt auch als Kultur-Mäzen seine Fußspuren. Auf ihn geht der Kaiserring zurück, Goslars international renommierter Preis für moderne Kunst.

Von Sabine Kempfer Montag, 08.05.2023, 15:00 Uhr

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Goslar. Vor hundert Jahren wurde ein Goslarer Ehrenbürger geboren: Am Montag, 8. Mai 2023, hätte Kaiserring-Erfinder Peter Schenning seinen 100. Geburtstag gefeiert. Was wäre das für ein Fest geworden! Kunstfreunde aus nah und fern hätten sich in der Kaiserstadt versammelt. Zu spanischen Gitarrenklängen wären kanarische Spezialitäten im Skulpturengarten des Mönchehauses gereicht worden und sicher hätte „Th.K.P.“ auch diesen Ehrentag zum Anlass genommen, seine Ränke zu schmieden – zum Wohle der Kunst.

Leider leben wir nicht ewig, und Peter Schenning hat seinen 100. Geburtstag nicht erlebt – am 16. November 2010 starb er im Alter von 87 Jahren. Die Stadt Goslar ernannte ihn im Jahr 2000 zum Ehrenbürger, ein Tag, „den ich in meinem Leben nicht vergessen werde“, wie er damals sagte. Es war Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse, der ihm im Rathaus die höchste Auszeichnung überreichte, die Goslar zu vergeben hat. Die vorab notwendige Ratsentscheidung war „einstimmig und einmütig“ ausgefallen. Das und vieles mehr ist in diversen Artikeln der GZ nachzulesen, die mit Interesse das Wirken Schennings verfolgte – der Ideenreiche war stets für eine Story gut.

Cindy Sherman (li.) begutachtet den Kaiserring. Peter Schenning und Inge Langner waren lange Jahre ein ebenso streitbares wie unschlagbares Doppel.

Cindy Sherman (li.) begutachtet den Kaiserring. Peter Schenning und Inge Langner waren lange Jahre ein ebenso streitbares wie unschlagbares Doppel.

Der Kaiserring als "Geniestreich"

Als Florian Haacke, Vorsitzender des von Schenning 1974 aus der Taufe gehobenen Vereins zur Förderung moderner Kunst (VFK), kürzlich die neue Schau von Kunst Goslarer Kaiserringträger eröffnete, sprach er von einem „Geniestreich“ – und ein besseres Wort lässt sich dafür kaum finden. Peter Schenning, der am 8.Mai 1923 in Düsseldorf geboren wurde, führte der II. Weltkrieg nach Goslar – und in die Arme seiner künftigen Frau Sigrid, einer Seesener Unternehmertochter. Zwei Persönlichkeiten, die drei weitere zur Welt brachten: ihre Kinder Karen, Claus und Jürgen.

Nach 1945 begann Schenning seine Goslarer Laufbahn zunächst als Barkeeper und bald als Geschäftsführer des englischen Casinos im „Niedersächsischen Hof, um dann im Alter von 25 Jahren im Goslarer Schleeke die Junior-Werke aus dem Nichts aufzubauen, einen Betrieb für Fenster- und Aluminiumbau, der in seiner besten Zeit 800 Mitarbeiter beschäftigte und hundert Millionen Mark Umsatz machte. In den 80er Jahren verkaufte er die Werke, die später Konkurs anmeldeten. Die Unternehmergeschichte hat Gert Wölfert für den Geschichtsverein in den „Stadtgeschichten“ aufgeschrieben – die GZ veröffentlicht sie am Dienstag und Mittwoch in zwei Teilen.

Peter Schenning (r.) begrüßt 1975 „seinen“ ersten Kaiserringträger, den britischen Bildhauer Henry Moore, in Goslar.

Peter Schenning (r.) begrüßt 1975 „seinen“ ersten Kaiserringträger, den britischen Bildhauer Henry Moore, in Goslar.

Von den Junior-Galerien zum Kunstmuseum

Als Unternehmer ebnete Schenning den Weg zur modernen Kunst über die Junior-Galerien zum Kunstmuseum, als er aus dem Mönchehaus die Hirschgeweihe verbannte. „Er öffnete der Kunst die Goslarer Stadttore“, schrieb die „Umsche“, die ehemalige GZ-Lokalchefin Dr. Ursula Müller, mit Kürzel „um“, die Schennings Wirken und das Werden des Kaiserrings über viele Jahre begleitete.

1975 überzeugte Peter Schenning den damals schon berühmten Henry Moore, den ersten Kaiserring der Stadt Goslar anzunehmen. Mit einem so berühmten Namen war von Anfang an der Bann gebrochen und der Grundstein für die seitdem andauernde Erfolgsgeschichte des Preises für moderne Kunst in einer historischen Stadt gelegt.

Peter und Sigrid Schenning bei der Verleihung der Ehrenbürgerurkunde an den Kaiserring-Vater.

Peter und Sigrid Schenning bei der Verleihung der Ehrenbürgerurkunde an den Kaiserring-Vater.

In Schennings Fußstapfen

Fortgesetzt wird sie heute von einem anderen Unternehmer und Ehrenbürger Goslars. Hans-Joachim Tessner, der bereits Schennings unternehmerische Qualitäten hoch schätzte, trat in dessen Fußstapfen, überführte nach Schennings Tod die Schenning-Stiftung in die Tessner-Stiftung und arbeitet jetzt mit seiner Familie daran, eine lückenlose Kaiserringträger-Werkschau zusammenzustellen, die Goslar erhalten bleibt und den Ruhm als Kaiser(ring)stadt mehrt.

Auf Henry Moore folgten Max Ernst, Alexander Calder, Victor Vasarely, Joseph Beuys, Richard Serra und das „Who is Who“ der modernen Kunst – Rebecca Horn war 1992 die erste Ringträgerin. „Der Kaiserring ist Peter Schenning, und ohne Peter Schenning gäbe es keinen Kaiserring“, sagte Otmar Hesse bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft.

Für Peter Schenning ein Herzenswunsch: Er gibt seiner einzigartigen Sammlung zum Thema Don Quijote ein eigenes Haus neben dem Mönchehaus-Museum (2006).

Für Peter Schenning ein Herzenswunsch: Er gibt seiner einzigartigen Sammlung zum Thema Don Quijote ein eigenes Haus neben dem Mönchehaus-Museum (2006).

Menschenfänger für die gute Sache

Wie er das damals schaffte? Wer das Vergnügen hatte, seinem Charme zu erliegen, kennt die Antwort. Allen voran seine Kopilotin in Sachen Kunst, Inge Langner, langjährige Kaiserringbeauftragte der Stadt Goslar. Peter Schenning, dessen Spitzname Th.K.P. für seinen vollen Vornamen Theodor Karl Peter stand und „THKP“ ausgesprochen wurde, konnte Menschen „fangen“ und sie für die Sache begeistern. Stets war es eine gute.

Er war verbindlich, mitreißend, inspirierend, dickköpfig und blieb immer er selbst. Der Respekt vor Obrigkeiten und Staat, sagt man, sei ihm als Soldat im Weltkrieg abhanden gekommen. Wer sonst konnte es sich leisten, Sigmar Gabriel für sein Zuspätkommen beim Kaisermahl zu Ehren von Sigmar Polke öffentlich zu rügen? Und sogar dem Grund der Verspätung – Gabriel hatte den damaligen Kanzler Gerhard Schröder mitgebracht – halb im Scherz anzukreiden, einfach so ohne Eintrittskarte zu kommen? Das trug ihm bei der GZ „Respekt vor so viel Respektlosigkeit“ ein.

Von Ehrenbürger zu Ehrenbürger: Kaiserring- und Mönchehaus-Visionär Peter Schenning (r.), der im letzten Mai 100 Jahre alt geworden wäre, weiß in Tessner einen Nachfolger als Kunstmäzen und steht in der Ehrenbürgerliste einen Platz vor ihm. Fotos: GZ-Archiv

Von Ehrenbürger zu Ehrenbürger: Kaiserring- und Mönchehaus-Visionär Peter Schenning (r.), der im letzten Mai 100 Jahre alt geworden wäre, weiß in Tessner einen Nachfolger als Kunstmäzen und steht in der Ehrenbürgerliste einen Platz vor ihm. Fotos: GZ-Archiv

Künstler gingen bei ihm ein und aus, er ging bei ihnen ein und aus, sein geliebtes Feriendomizil auf Teneriffa, die „Casa Don Quijote“, glich einem fröhlichen Kunsthaus mit Mobilés und bunten Farben – und nirgends durfte sein Alter Ego fehlen, der Kämpfer gegen Windmühlenflügel, Ritter von der traurigen Gestalt. Peter Schenning hat vorgelebt, dass Einsatz und Engagement sich lohnen. Besser als die „Umsche“ kann man es nicht beschreiben: „Schenning, Prophet der modernen Kunst in Goslar mit Bodenhaftung, hat noch nie sein Domizil im Elfenbeinernen Turm aufgeschlagen. Der Mann mit einem außergewöhnlichen Einsatz von Zeit, Phantasie, Ideen und Geld, begabt mit Durchsetzungsvermögen, Motivierungs- und PR-Talent, stellt den Bürgern und Besuchern der Stadt zeitgenössische Skulpturen mitten in den Weg, getreu seinem Motto ,Kunst ist für alle da‘.“ Nicht immer alle freuten sich, aber das war egal: Allein deren leidenschaftliche Diskussionen über moderne Kunst seit 1975 gelten als „Aktivposten“. Wie leidenschaftlich sind die Debatten heute? Wer führt sie, wer beteiligt sich? Das liegt nicht mehr in Peter Schennings Hand. Er war der Wegbereiter – gehen müssen ihn nun andere.

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