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Folterprozess gegen Eltern

Goslarerin (24) schon als Kind als Sexsklavin verkauft

Die 52-jährige Mutter und ihr 56-jähriger Ehemann (Gesichter gepixelt) aus Goslar sind vor dem Landgericht Braunschweig angeklagt wegen Missbrauchs, Vergewaltigung und versuchter Tötung ihrer (Stief-)Tochter.  Foto: Klengel

Die 52-jährige Mutter und ihr 56-jähriger Ehemann (Gesichter gepixelt) aus Goslar sind vor dem Landgericht Braunschweig angeklagt wegen Missbrauchs, Vergewaltigung und versuchter Tötung ihrer (Stief-)Tochter. Foto: Klengel

Im Prozess, bei dem es unter anderem um den Tötungsversuch an einer 24-Jährigen geht, sagten jetzt zwei Sozialarbeiterinnen aus. Sie erfuhren während ihrer Betreuung von der Marterung der jungen Frau. Indes beschreibt der Noch-Ehemann eine Bilderbuchfamilie.

Von Corina Klengel Dienstag, 14.03.2023, 05:59 Uhr

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Goslar/Braunschweig.  Im Prozess um Missbrauch, Vergewaltigung und Tötungsversuch an einer 24-Jährigen aus Goslar, streiten die beiden Angeklagten alle Vorwürfe ab. Die bisher gehörten Zeugen belasten vor allem die Mutter der 24-jährigen Geschädigten schwer. In der Fortsetzung am Montag vor dem Landgericht in Braunschweig jedoch drifteten die Aussagen weit auseinander.

Bei der Verhandlung gegen die 52-jährige Goslarerin und ihren 56-jährigen Ehemann kamen am Montag zunächst zwei Sozialarbeiterinnen zu Wort, die die Geschädigte und ihren damals anderhalbjährigen Sohn betreuten. Beide beschrieben die 24-Jährige, die sich hilfesuchend an das Sozialamt gewandt hatte, als eine überaus liebevolle Mutter, die ihren Sohn nicht in der Obhut der Angeklagten lassen wollte.

„Alle Sexpraktiken“

Während der Betreuung habe es viele Gespräche gegeben, in denen die beiden Sozialarbeiterinnen nach und nach von dem Martyrium der jungen Mutter erfahren hatten. So soll die Angeklagte ihre Tochter schon als Kind verkauft haben. In späteren Jahren habe sie die Geschädigte im Internet angeboten: „Für alle Sexpraktiken, einzeln oder zu mehreren“, zitierte eine der Zeuginnen das Angebot.

Zudem habe es ein Buch gegeben, in dem diverse Sexpraktiken mit Preis und auch Kunden aus dem Bereich Magdeburg dokumentiert worden seien. Diese Aufzeichnungen sollen aber von der Angeklagten vernichtet worden sein, so beide Zeuginnen.

Besonders betroffen zeigten sich die beiden Sozialarbeiterinnen von den Verletzungen, die sie bei dem Opfer bemerkten. Die 24-Jährige habe Würgemale und zahlreiche Brandwunden im Bereich des Dekolletés gehabt. Neben diesen Zigaretten-Brandmalen habe es weitere Verbrennungen gegeben, von denen die 24-Jährige gesagt habe, dass sie durch ein Glätteisen verursacht worden seien. Verstörend sei aber die Vielzahl an Schnitten gewesen, die sich auf dem Rücken der jungen Frau befunden hätten.

Schwere Verletzungen

„Solche Verletzungen habe ich noch nie irgendwo gesehen“, berichtete die erfahrene Sozialarbeiterin. Beide Zeuginnen erzählten, dass sie die junge Frau immer wieder gedrängt hätten, zur Polizei zu gehen. Doch sie habe lange Zeit zu viel Angst vor ihrer Mutter gehabt, um diesen Schritt zu wagen.

Stets habe sie gesagt, sie sei selbst schuld an den Bestrafungen, und man würde ihr sowieso nicht glauben. Die Sozialarbeiterinnen waren an ihre Schweigepflicht gebunden und konnten nichts tun.

100 brutale Regeln

Während der Betreuung seien auch 33 Regeln zur Sprache gekommen, die die Angeklagte ihrer Tochter auferlegte. Da hieß es unter anderem: Sie sei schuld, dass sie ein Mädchen sei, verdiene es, bestraft zu werden, und sie habe sich umzubringen, sollte sie mit Fremden über die Familie sprechen.

Diese Regeln gegen die Geschädigte wurden später von ihrer Lebensgefährtin Miriam A. zu einem 100 Regeln umfassenden Katalog weiterentwickelt, eine menschenverachtender als die andere. In einem ersten Prozess ist Miriam A. 2022 wegen Folter und Gewalt bereits verurteilt worden (wir berichteten).

Überdies legten die Sozialarbeiterinnen vorm Landgericht einen handschriftlichen Brief mit Drohungen und Verunglimpfungen vor, den die 24-Jährige von ihrem Ehemann bekam. Sie habe jeden blauen Fleck verdient, war eine der gemäßigteren Aussagen.

Noch-Ehemann: Liebevolles Familienleben

Diese Zeilen habe ihm seine Frau in die Feder diktiert, erklärte der 28-jährige Noch-Ehemann im Zeugenstand und verblüffte damit alle Beteiligten. Mit diesem Brief habe seine Frau seinerzeit dem Jobcenter beweisen wollen, dass sie sich getrennt hätten.

Vor dem Landgericht beschrieb der Ehemann, der ebenfalls einem Verfahren wegen Vergewaltigung entgegensieht, das Familienleben der Angeklagten als harmonisch und liebevoll. Zwischen den Angeklagten und ihrer Tochter habe immer ein inniges Vertrauensverhältnis geherrscht. Gewalt oder Missbrauch habe es nie gegeben. Über die Vorwürfe gegen seine Schwiegereltern sei er „schockiert“. Die Nebenklagevertreterin Rechtsanwältin Rieke bezeichnete die Aussage von der Bilderbuchfamilie als dreist.

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