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Im öffentlichen Raum

Gedenken: Info-Stelen enthüllen dunkles Kapitel von Goslar

Gegenüber dem Werktor und im Beisein des Spurensuche-Vorsitzenden Oliver Turk erläutert Rammelsberg-Chef Dr. Johannes Gro-ßewinkelmann (v.l.) eine von sieben Stelen im Stadtgebiet. Foto: Kaspert

Gegenüber dem Werktor und im Beisein des Spurensuche-Vorsitzenden Oliver Turk erläutert Rammelsberg-Chef Dr. Johannes Gro-ßewinkelmann (v.l.) eine von sieben Stelen im Stadtgebiet. Foto: Kaspert

In der einzigen Reichsbauernstadt, die es während der Herrschaft der Nationalsozialisten gegeben hat, informieren nun auch sieben Info-Stelen im öffentlichen Raum darüber, was die Diktatur unter Adolf Hitler für die Opfer bedeutet hat.

Von Jörg Kaspert Montag, 13.05.2024, 14:00 Uhr

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Goslar. „Das digitale Projekt des Vereins Spurensuche Harzregion war für uns die Initialzündung, uns Gedanken zu machen, wie wir dieses Kapitel am Berg vermitteln“, sagt Dr. Johannes Großewinkelmann, Geschäftsführer am Rammelsberg. Deshalb ging die Welterbestätte eine Partnerschaft mit dem Verein ein, um an sieben Punkten quer durch die Stadt vom Bahnhof bis zum Bergwerk die dunklen Jahre von 1933 bis 1945 zu beleuchten.

Unter den Nazis gebaut

An jeder Stele führt ein QR-Code zu vertiefenden Infos und seltenen Fotos. Großewinkelmann erklärt: „Unsere Tagesanlagen wurden alle während der NS-Zeit gebaut, um den Ertrag für die Kriegswirtschaft zu erhöhen. Hitler wollte damit erreichen, dass ihm die Rohstoffe für die Rüstungsindustrie niemals ausgehen.“

Die Nazis pumpten neun bis zehn Millionen Reichsmark in das Bergwerk und 20 Millionen in die Verhüttung in Oker. „Wir dürfen das alles nicht zu akademisch darstellen. Die nachfolgenden Generationen sind längst nicht mehr so nah dran am Thema wie wir. Es ist wichtig, emotionale Aspekte einzubringen.“ Das liegt durch ein menschenverachtendes Zwangsarbeiterlager zwischen Herzberger Teich und Bergwerk auch faktisch nah.

Von den 5000 Zwangsarbeitern in Goslar mussten die meisten am Rammelsberg schuften und unter Raumnot leben. Vor 1945 durfte nichts davon fotografiert werden. Noch lange nach dem Krieg wurde behauptet, den Zwangsarbeitern sei es nicht schlechter gegangen als den Goslarer Bergleuten.

Wo heute ein italienisches Restaurant „Zum Förderturm“ einlädt, waren zwei Küchen untergebracht. Die Zwangsarbeiter bekamen schlechteres Essen - nur dünne Suppe. Auf 230 Quadratmetern lebten 120 Menschen. Überbelegung kam vor. Foto: Kaspert

Wo heute ein italienisches Restaurant „Zum Förderturm“ einlädt, waren zwei Küchen untergebracht. Die Zwangsarbeiter bekamen schlechteres Essen - nur dünne Suppe. Auf 230 Quadratmetern lebten 120 Menschen. Überbelegung kam vor. Foto: Kaspert

„Täglich unter Stress“

„120 Personen mussten auf 230 Quadratmetern einschließlich Toilette leben. Alle standen täglich unter Stress. Das perfide Belohnungs- und Bestrafungssystem stand voll auf der ideologischen Seite der NSDAP. Das Übelste war der ständige Hunger. Nach drei Wochen Mangelernährung schlägt es auf den Körper durch. Wer trotzdem gut arbeitete, hatte Aussicht auf einen kurzzeitigen eigenen Raum als Belohnung.“ Die Grabungsfläche zum Lager, auf der auch zahlreiche Jugendliche gearbeitet haben, soll konserviert und zur Erinnerungsstätte werden.

Am Herzberger Teich wiederum steht die Stele zum Zwangsarbeiterlager am Rammelsberg. Auf den ehemaligen Standort schaut man herunter. Foto: Kaspert

Am Herzberger Teich wiederum steht die Stele zum Zwangsarbeiterlager am Rammelsberg. Auf den ehemaligen Standort schaut man herunter. Foto: Kaspert

Dem Verein ist es zu verdanken, dass die Bedeutung als einzige Reichsbauernstadt endlich deutlich wird. „Die Bauernhochschule an der Klubgartenstraße hört sich harmlos an, war aber eine komplett ideologische Ausbildungsstätte, die von Reichsbauernführer Walter Darré konzipiert wurde“, betont Vereinschef Oliver Turk. „Bauernführer erhielten dort den gleichen weltanschaulichen, rassistischen Unterricht wie die SS.“ Das Leitungstrio der Nazi-Schule habe nach 1945 trotzdem „eine steile Karriere gemacht.“

An den 50.000 Euro Projektkosten beteiligten sich VGH Stiftung, Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten und Stadt Goslar. Unterstützung kam von der Hochschule Harz durch Professor Eberhard Högerle, Dustin Winkler und Lukas Kahl. Wer sich Internet umfassend informieren mag: www.goslar-1933-bis-1945.de

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