Frontpfeifen der Engelhardt-Orgel von Westerode wieder aus Zinn

Kirchenvorstand Kilian Peters will zur Einweihung Stummfilme zeigen und mit der Engelhardt-Orgel begleiten lassen. Foto: Berg
Kirchenvorstand Kilian Peters freut sich auf den Advent: Dann erklingt wieder das Pfeifen-Instrument der St.-Nikolai-Kirche. Für das Frühjahr plant er einen Einweihungs-Festakt. Dabei soll es nicht Bach geben, sondern Stummfilme mit Orgel-Begleitung.
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Westerode. Es hat etwas Tragisches. Kirchenvorstand Kilian Peters zieht die Augenbrauen hoch. Günter Beuleke werde die restaurierte Orgel in der Westeröder Kirche nicht mehr erklingen hören, sagt er bedauernd. 20 Jahre lang habe der Westeröder Landwirt für die Restaurierung der Orgel gesammelt. Bei seinen Festen in der Scheune sei stets eine Spardose herumgegangen. Doch im vergangenen Jahr ist Beuleke gestorben.
Mit Hilfe von Stiftungen, der Sparkasse, der Kirchengemeinde, aber auch der von Beuleke gesammelten Gelder kamen schließlich die benötigten 100.000 Euro zusammen. Bereits vor drei Jahren wurden die technischen Teile von der Hermann Eule Orgelbau GmbH aus Bautzen (Sachsen) ausgebaut. „Den Ausbau hat Beuleke noch erlebt“, sagt Kilian froh.
Orgelspiel zum Advent
Und auf eine entsprechende Nachfrage leuchten Peters Augen auf. Ja sicher, sie seien evangelische Christen, sie schließen nicht aus, dass Günter Beuleke die erneuerte Orgel nicht vielleicht doch hören wird, wenn sie zum kommenden Advent die 1612 erbaute St.-Nikolai-Kirche wieder mit ihrer Musik füllt. Anfang Dezember soll das historische Instrument fertiggestellt sein.
Die, die an diesem Ziel vor Ort arbeiten, sind Markus Mihan und Lukas Neumann von der Firma „Eule“, wie sie sagen. Ihr Arbeitgeber sei die zweitgrößte Orgelbau-Firma in Deutschland mit etwa 30 Mitarbeitern. Es ist ein Traditionsbetrieb, gegründet anno 1872. „Hermann Eule ist schon eine Hausnummer“, findet Neumann.
Die beiden Männer aus Bautzen sind auf Montage in dem Bad Harzburger Ortsteil. Von zu Hause her sind ihnen zwar eher Schuke-, Sauer- oder Silbermann-Orgeln ein Begriff. Doch sie wissen, dass auch die Latte für die Westeröder Engelhardt-Orgel sehr weit oben liegt. „Es gibt hier viele Engelhardt-Experten in der Region“, erzählt Neumann. Deren hohe Ansprüche müsse das fertige Instrument genügen. Johann Andreas Engelhardt (1804 - 1866) hatte die Orgel im Jahr 1843 geschaffen.
Arbeit ohne Hektik
Mihan und Neumann sind begeistert von der hohen handwerklichen Akkuratesse des alten Meisters. Die Lederabdichtungen für die Windkästen seien sehr filigran angebracht worden. Alle windführenden Teile müssen dicht sein, keine Luft darf an einer undichten Stelle entweichen. Schließlich, erklärt Mihan, dürfen keine Nebengeräusche entstehen. Es solle nur der Ton zu hören sein, „der tatsächlich auch gespielt wird“. Neumann ergänzt lachend: „Und dann muss es auch noch schön aussehen.“

Markus Mihan arbeitet konzentriert im Orgel-Gehäuse. Foto: Berg
Aus diesem Grund lassen sich die beiden Männer auch nicht hetzen. Sie arbeiten ruhig, konzentriert, aber ohne Hektik. Höchste Qualität ist Standard, schließlich soll auch die nächste Generation von Orgelbauern einmal mit derselben Bewunderung auf ihre Arbeit schauen, wie sie nun auf die Ergebnisse ihrer Vorgänger blicken.
Neumann bewundert sehr die alte schwungvolle Beschriftung, die sich überall auf den hölzernen Orgelteilen findet. Wenn man bedenkt, „dass die alten Meister damals noch bei Kerzenschein arbeiteten ...“
Schon sein Vater habe Orgelbauer werden wollen, erzählt Neumann, während er die restaurierte Klaviatur in Position bringt. Doch zu DDR-Zeiten sei ihm das ausgeredet worden. Neumann selbst konnte den Berufstraum seines Vaters Realität werden lassen. „Ich wollte etwas mit Musik und mit Holz machen.“ Da sei der Orgelbau schon genau das Richtige gewesen.
Das nun wieder in einem schönen Hellblau erscheinende Orgel-Gehäuse wurde indes von Kirchen-Restaurator Mark Malinowski erneuert. „Er hat auch schon den Altar und die Balustrade gemalt“, berichtet Kirchenvorstand Peters. „Er hat sehr viel Liebe zum Detail.“

Lukas Neumann installiert das erneuerte Manual auf dem Spieltisch. Foto: Berg
Die technischen Teile indes wurden nahezu vollständig in Bautzen gereinigt und aufgearbeitet. Natürlich ging es darum, die Originalteile wieder zu verwenden. „Es ist eine echte Restaurierung“, betont Markus Mihan. Neu werden indes die Prospekt- oder auch Frontpfeifen sein. Die alten waren aus Zink, die neuen werden Zinn-Pfeifen sein, gefertigt aus einer Zinn-Blei-Legierung. Auch Engelhardts Originalpfeifen waren Zinn-Pfeifen, doch im Ersten Weltkrieg sei das Zinn für die Waffen-Herstellung gebraucht und die Pfeifen ausgetauscht worden. Nun kehre die Orgel zu den materiellen Ursprüngen zurück. „Wir müssen auf den Ursprung zurückfinden“, beschreibt Lukas Neumann die Restaurierungs-Philosophie. Schließlich solle die Orgel wieder so klingen wie zu Engelhardts Zeiten.
Stummfilm mit Orgel
Ungeachtet des schon für die Adventszeit geplanten Orgelspiels möchte Kirchenvorstand Peters im Frühjahr noch einen offiziellen Festakt zur Orgel-Einweihung feiern. Dabei soll nicht nur die erwartbare Toccata-Fuge von Bach in Moll erklingen. Peters will Stummfilme auf Leinwänden zeigen und durch Klänge der erneuerten Orgel begleiten lassen. Günter Beuleke, denkt er, hätte das bestimmt gefallen.
Die Goslarsche Zeitung gibt es auch als App: Einfach downloaden und überall aktuell informiert sein.