Die Brockenbahn streicht Gipfeltouren

Mit Volldampf in den Sommerfahrplan: Die Harzer Schmalspurbahnen haben ihr Angebot ausgeweitet. Foto: Bahnsen
Weil Personal fehlt, vor allem Zugführer, haben die Harzer Schmalspurbahnen im Juli drei der elf täglichen Fahrten zum Brocken gestrichen. Das Unternehmen rechnet mit Umsatzeinbußen in mittlerer dreistelliger Höhe, sieht aber keinen anderen Weg.
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Harz. Auch die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) in Wernigerode, ein Unternehmen, das überwiegend vom Tourismus lebt, spürt den Arbeitskräftemangel. Weil Zugführer fehlen, hat sich das Unternehmen vor einigen Wochen entschieden, Fahrten zum Brocken zu streichen: Es ist die lukrativste Strecke auf dem 140 Kilometer umfassenden Netz. Die fehlenden Fahrten vermindern die Einnahmen.
Drei von täglich elf Brockenzügen haben die HSB bis Ende Oktober gestrichen, wenn der Sommerfahrplan ausläuft. Der ausgedünnte Fahrplan gilt bereits seit dem 8. Juli. Seinerzeit hatten die HSB zunächst die Touren um 13.25 Uhr ab Wernigerode und die um 16.47 Uhr von Drei Annen Hohne sowie die Rückfahrten gestrichen.
Zwei Wochen später, am 22. Juli, entfiel auch die Fahrt um 16.25 Uhr von Wernigerode aus (inklusive Rücktour um 18.31 Uhr). Es seien die Züge mit den geringsten Fahrtgastzahlen. Am häufigsten würden die Züge gebucht, die vormittags und zum Brocken fahren. HSB-Sprecher Dirk Bahnsen sagt, die Entscheidung, Fahrten zum Brocken zu streichen, sei nicht leicht gefallen, aber sie sei „unvermeidbar“ gewesen.
Zweifache Einbußen
Die HSB erwirtschaften etwa die Hälfte ihres Finanzbedarfs selbst. Wegen der gestrichenen Brockenfahrten rechnet das Unternehmen, das auf Zuschüsse der kommunalen Gesellschafter sowie der Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen angewiesen ist, mit Umsatzeinbußen „in mittlerer sechsstelliger“ Höhe, sagt Sprecher Bahnsen.
Die gestrichenen Fahrten zum 1141 Meter hohen Brocken schlagen doppelt negativ zu Buche. Neben den Einnahmen fehlen außerdem die Kilometerentgelte, die das Bahnunternehmen pro gefahrenen Kilometer vom Verkehrsträger in Sachsen-Anhalt erhält, der landeseigenen Nahverkehrsservice Nasa. Die HSB planen eigenen Angaben zufolge nicht, bei den Gesellschaftern um höhere Zuschüsse zu bitten. Die hätten erst vor zwei Jahren ihre Zahlungen verdoppelt, erklärt Bahnsen. Die fehlenden Einnahmen sollen durch „Kompensierung“ ausgeglichen werden. Wo Kosten vermindert werden könnten, sagt Bahnsen nicht. Aber weil weniger gefahren wird, sinken in einigen Bereichen die Kosten, erklärt der HSB-Sprecher weiter.
Häufiger Ausfälle
Dass Züge auch längerfristig ausfallen, ist nicht neu. Bahnsen sagt, jedes Jahr könnten zwei bis drei Wochen keine Züge zum Brocken fahren. Die häufigsten Gründe seien starker Sturm oder Brände. Die Waldbrände im vorigen Jahr führten zu einem zweiwöchigen Stopp, erklärt der HSB-Sprecher.
Derzeit fehlen vor allem Zugführer, sie erfüllen vielfältige Aufgaben. „Er ist derjenige, der der Chef im Zug ist“, sagt Bahnsen. Die Aufgabe umfasse etwa auch die Meldungen zum Stellwerk und sei nicht mit der des Lokführers zu verwechseln.
20-Prozent-Lücke
Wie viele Zugführer fehlen, will Bahnsen mit Blick auf konkurrierende Unternehmen nicht verraten. Er spricht von einem „erheblichen Engpass“ und sagt, das Unternehmen müsse derzeit mit „20 Prozent weniger Zugführern als benötigt“ auskommen. Der Bedarf sei unterschiedlich groß. Im Sommer würden mehr Zugführer benötigt als im Winter, wenn es ohnehin weniger Fahrten gebe. Zum allgemeinen Fachkräftemangel komme verschärfend hinzu, dass Mitarbeiter gekündigt hätten, andere seien langfristig erkrankt. 280 Mitarbeiter beschäftigen das Unternehmen.
Die HSB hätten vor der Frage gestanden, ob täglich entschieden werde, ob und wie viele Fahrten ausfallen oder ob angesichts des Personalmangels Fahrten komplett gestrichen werden. Das sei mit Blick auf eine „verlässliche Fahrplanung“ der bessere Weg gewesen, sagt Bahnsen.
Der Zugführer-Mangel könnte die HSB noch einige Zeit belasten. Zwei Jahre, sagt Bahnsen, dauere die Ausbildung. „Und fertig ausgebildete Zugführer“, erklärt er weiter, „gibt es derzeit nicht auf dem Markt.“
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