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Wirtschaft im Harz

Chemie-Netzwerk will sich mit anderen Branchen austauschen

Mitglieder des Chemie-Netzwerks Harz bei einer Betriebsbesichtigung. Foto: Privat

Mitglieder des Chemie-Netzwerks Harz bei einer Betriebsbesichtigung. Foto: Privat

Der Vorstand um Dr. Carsten Steffin will auch branchenfremde Firmen zum Harzer Chemie-Netzwerk holen. Im Fokus stehen unter anderem Klimaneutralität und der Fachkräftemangel. Das Netzwerk will Ehemalige von der Rückkehr überzeugen.

Freitag, 27.10.2023, 06:00 Uhr

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Von Ralf Kimse

Langelsheim/Goslar. Das Chemie-Netzwerk Harz mit einigen Nordharzer Unternehmen will sich für weitere Industrieunternehmen in der Harzregion öffnen. Das sei das Ergebnis eines Strategie-Workshops, erklärt Netzwerk-Managerin Angelika Lucht. Viele der in den Arbeitskreisen behandelten Themen wie zum Beispiel Arbeitssicherheit, Personal, Ausbildung, Social Media und Klimaneutralität seien nicht auf die chemische Industrie begrenzt. Sie brächten sicherlich auch Firmen ohne Chemie als Schwerpunkt einen Zusatznutzen.

Angelika Lucht.

Angelika Lucht.

Die größte Schnittmenge gebe es sicherlich mit der Pharma-Industrie, sind Lucht und Dr. Carsten Steffin, Vorsitzender des Chemie-Netzwerks Harz und zugleich Langelsheimer Heubach-Werkleiter, sich einig. Doch die Branche sei in der Region nicht besonders stark vertreten. Daher solle die Öffnung auf breiterer Basis erfolgen.

Schnupperbeitrag

Derzeit gehören 18 Mitglieder dem 2016 als Innovationsnetzwerk gegründeten Verein an: neben Unternehmen auch Forschungseinrichtungen und weitere Institutionen aus der Harzregion. Sie bilden nach Luchts Worten „eine stabile Größe“. Allerdings sei es Ziel, mit mehr Unternehmen in den Austausch zu kommen. Organisierte Besuche förderten zum Beispiel die Zusammenarbeit vor Ort. Interessenten bietet das Chemienetzwerk seit August einen um 50 Prozent reduzierten Schnupperbeitrag. Dieser richtet sich nach der Größe der Belegschaft. Eine Aufnahmegebühr ist nicht vorgesehen. Im Fokus haben Lucht und Steffin, der als Werkleiter der Heubach GmbH in Langelsheim selbst aus der Chemie-Branche kommt, Unternehmen im Umkreis von 50 bis 70 Kilometern.

Sein Domizil hat der Verein in der Goslarer Klubgartenstraße – im selben Haus wie die Wirtschaftsförderung Region Goslar (WiReGo), die selbst Mitglied im Chemie-Netzwerk ist. Lucht weiß diesen kurzen Weg zu schätzen: „Das ist sehr vorteilhaft, wenn etwas schnell abzuklären ist.“ Zudem ist WiReGo-Geschäftsführer Dr. Jörg Aßmann als Schriftführer im Vorstand des Chemie-Netzwerks stets mit den aktuellen Themen vertraut. Darüber hinaus pflegt der Verein gute Kontakte zum Wirtschaftsnetzwerk Pro Goslar und zu Rewimet (Recycling-Cluster wirtschaftsstrategische Metalle), wobei nach Steffins Worten zum Teil Doppelmitgliedschaften bestehen.

„Wir kämpfen um den Nachwuchs“

Auch mit den Hochschulen in der Region steht das Chemie-Netzwerk im engen Austausch. Denn es sei wichtig, Forschung und Industrie miteinander zu verbinden, meint Steffin. Die Technische Universität (TU) Clausthal und Ostfalia, Hochschule für angewandte Wissenschaften, sind ebenfalls Mitglieder im Chemie-Netzwerk.

Die Vernetzung mit den Hochschulen könne dazu beitragen, zumindest einen Teil des beruflichen Nachwuchses in der Region zu halten, meint Steffin. „Wir kämpfen um den Nachwuchs“, betont er mit Blick auf den Mangel an Fachkräften: „Denn es macht keinen Sinn, wenn wir uns hier untereinander die Leute abwerben.“ Um künftige Fachkräfte auszubilden und in der Region zu halten, sei zudem ein intensiver Austausch mit Vertretern aus dem Bildungssektor angestrebt, erläutert Lucht. Zu diesem Zweck sollen sich Unternehmen der Region in den Schulen vorstellen.

Es gelte dabei, deutlich zu machen, dass nicht unbedingt ein Studium erforderlich ist, um beruflichen Erfolg zu haben, meint Steffin. Auch solides Handwerk könne ein gutes Auskommen garantieren. Der Mittelweg in Form einer dualen Ausbildung sei ebenfalls interessant. Das Chemie-Netzwerk könne dabei Kontakte herstellen zu Unternehmen, die dafür infrage kämen.

Werben um Rückkehrer

Dr. Carsten Steffin

Dr. Carsten Steffin

Lucht richtet ihr Augenmerk zudem auf diejenigen, die schon vor vielen Jahren aus der Region abgewandert sind, denn der Fachkräftemangel ist mittlerweile auch im Harz deutlich zu spüren. Daher sei das Chemie-Netzwerk in diesem Jahr wieder beim Rückkehrer-Tag vertreten, der einen Tag nach Weihnachten stattfindet. Die Job-Messe für die Region wird am 27. Dezember von den Landkreisen Goslar und Harz angeboten. In Goslar findet sie in der Zeit von 11 bis 15 Uhr im Landkreis-Gebäude in der Klubgartenstraße 6 statt.

In diesem Zusammenhang unterstrich Lucht, „welch ein tolles Lebensumfeld der Harz zu bieten hat“. Um ehemalige Harzer, aber auch andere anzulocken, will das Netzwerk die Stärken der Region hervorheben. Diese seien in hoher Lebensqualität, Familienfreundlichkeit, überzeugenden Freizeitangeboten sowie in der Nähe zu mehreren Ballungszentren zu suchen.

Behäbige Bürokratie

„Wir müssen auf jeden Fall alles dafür tun, dass Unternehmen der Region vor Ort bleiben und ihre Produktion nicht in andere Teile der Welt verlagern“, meint Steffin. Neben dem sich verschärfenden Fachkräftemangel sieht er ein großes Problem in den Energiepreisen, die zu Beginn des Ukraine-Krieges in die Höhe geschossen seien. Zeitweilig hätten sie sich verdreifacht. Bei der energieintensiven Chemie-Industrie sei das ein enormer Kostenfaktor. Inzwischen hätten sich die Energiemärkte zwar beruhigt, allerdings auf einem weiterhin hohen Niveau. Da böten andere Länder bessere Rahmenbedingungen.

„Wir stehen im Wettbewerb mit allen Kontinenten“, mahnte Steffin. „Hierzulande können wir vor allem mit Qualität und Lieferzuverlässigkeit punkten.“ Doch auch auf diesem Feld würden andere Länder aufholen.

Klimaneutralität ist „Mammut-Aufgabe“

Der Fokus der im Netzwerk organisierten Firmen richtet sich daher ganz besonders auf die Entwicklung energiesparender, umweltschonender sowie materialeffizienter Produktionsprozesse. Steffin forderte in diesem Zusammenhang, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Die Bürokratie hierzulande sei einfach zu behäbig und somit ein echter Wettbewerbsnachteil.

In verschiedenen Arbeitskreisen, die zu regelmäßigen Treffen zusammenkommen, werden viele aktuelle Themen behandelt. Immer mehr in den Fokus rücke die Klimaneutralität, welche auch die Unternehmen vor Ort beschäftige, berichtete Steffin. „Bei dieser gesellschaftlichen Mammut-Aufgabe können wir viel voneinander lernen.“ Auch das Zukunftsthema Wasserstoff nehme bereits großen Raum ein, ergänzte Lucht in diesem Zusammenhang.

Netzwerker, keine Wettbewerber

Neben dem intensiven Erfahrungsaustausch der Mitglieder stehen auch Fachvorträge auf dem Programm. Im Veranstaltungsformat „Blitzlichter“ werden unter dem Motto: „Ein Abend – ein Thema“ kurze Fachvorträge von internen und externen Referenten angeboten. Neben dem Thema Energie steht die Arbeitssicherheit ganz oben auf der Agenda.

Der Kreis Arbeitssicherheit befasst sich unter anderem mit dem Notfallmanagement und Gefährdungsbeurteilungen. Ausbildungskooperationen, Fachkräftebindung, Demografie und Gesundheitsmanagement sind zum Beispiel Themen im „Arbeitskreis Personal“.

Darüber hinaus trifft sich mehrmals im Jahr die „Geschäftsführerrunde“ im Chemie-Netzwerk. Sie bildet für die Führungskräfte den Rahmen, sich besser kennenzulernen. Ein Vorteil dabei sei es, dass jedes Unternehmen einen anderen Schwerpunkt habe, erläuterte Steffin. „Daher sehen wir uns nicht als Wettbewerber.“

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