Austritt: SPD-Ratsfrau möchte keine „Quoten-Migrantin“ sein

Fadime Özdemir (hier bei der Ratssitzung am Dienstagabend) ist frustriert und tritt aus der Fraktion SPD/FDP aus. Sie fühlte sich dort als „Quoten-Migrantin“, die sie aber nicht sein wolle. Foto: Schlegel
Fadime Özdemir tritt aus der Gruppe SPD/FDP aus, behält aber ihren Sitz im Rat. Das wurde am Dienstag bei der Ratssitzung bekannt gegeben. Eine Begründung: „Ich bin nicht die Quoten-Migrantin der Fraktion“. Die SPD wehrt sich gegen diesen Vorwurf.
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Bad Harzburg. Fadime Özdemir tritt aus der Gruppe SPD/FDP aus, behält aber ihren Sitz im Rat. Das wurde am Dienstag während der Ratssitzung bekannt gegeben. Begründung unter anderem: „Ich bin nicht die Quoten-Migrantin der Fraktion“. Die SPD wehrt sich gegen diese Unterstellung.
Die Probleme, die die 50-Jährige offenkundig mit der Zugehörigkeit zu einer Fraktion hat, wurden schon während der Haushaltsabstimmung deutlich. Özdemir stimmte meist anders als die SPD/FDP, abgesehen vom Pumptrack, der ihr auch ein Herzensanliegen sei, wie sie der GZ anschließend erklärte. Ansonsten hob sie ihren Arm mit der Gruppe CDU/Grüne/Freie Wähler – und nicht mit der SPD/FDP. Allerdings nicht, weil sie aus Frust oder Ärger generell gegen die SPD sei. „Ich habe halt eine eigene Meinung.“
Özdemirs Stimme hätte allerdings den Ausgang der Sache auch nicht zugunsten der Genossen wenden können. Die Mehrheitsverhältnisse im Rat sind nämlich deutlich: 18 Sitze haben CDU, Grüne und Stefan Schlue, 13 die SPD plus einen Sitz der FDP. Ohne Özdemir sind es für SPD/FDP zusammen nur noch 13. Wobei Andreas Baake von der Wählergemeinschaft den Genossen schon sehr nahe steht, das könnte Özdemirs Austritt kompensieren.
„Es hat nicht gepasst“
Was die SPD viel herber treffen dürfte, sind die Gründe für Özdemirs Entscheidung. Bei der Kommunalwahl im September 2021 war sie als parteilose Kandidatin auf Platz 12 der SPD-Liste gesetzt worden und hatte mit 230 Stimmen auch für sie selbst überraschend den Direkteinzug in den Stadtrat geschafft. Aber in der SPD/FDP-Fraktion „hat es nicht gepasst“, erklärte sie nun der GZ. Eine Aussage, die SPD-Fraktions-Chef Michael Riesen übrigens umgekehrt genauso unterschreiben könne, wie er auf GZ-Nachfrage sagte.
Ohne Details zu nennen, kritisiert Fadime Özdemir auch: „Ich bin nicht die Quoten-Migrantin der SPD und auch keine Marionette der Fraktionsführung.“ Sie verweist dabei auf die Aufstellungsversammlung zur Kommunalwahl 2021, bei der bei der Auswahl der Kandidaten als ein Kriterium auch „Migrationshintergrund“ genannt worden war. Die türkischstämmige Özdemir lebt seit ihrem 6.Lebensjahr in Deutschland, besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft – und „ich würde mich nicht als Migrantin bezeichnen“. Sie wolle nichts schlecht reden, sprach allerdings gegenüber der GZ auch von Doppelmoral in der Fraktion.
Zudem habe sie auch ein berufsbedingtes Zeitproblem, was die Fraktionssitzungen anbelange. Özdemir betreibt eine Physiotherapiepraxis und arbeitet dort jeden Tag bis 19 Uhr. Fraktionssitzungen indes beginnen bereits um 18.30 Uhr. Trotz mehrfacher Bitte sei das nicht geändert worden. Nun werde sie als Einzelratsmitglied „frei schwebend“ arbeiten und je nach ihrer Meinung abstimmen, ohne sich nach Fraktionen zu richten.
„Das ist vielleicht auch das Beste für sie“, so Fraktions-Chef Riesen. „Wir haben alles versucht, Fadime Özdemir in die Fraktion zu integrieren“, so Riesen und damit meint er nicht Integration mit Blick auf Özdemirs türkische Wurzeln, sondern Integration von politischen Neulingen.
„Wir haben immer wieder das Gespräch gesucht, haben alles versucht, mit ihr klarzukommen.“ Jeder könne eine eigene Meinung haben, einen Fraktionszwang gebe es nicht. Wohl aber eine Fraktionsdisziplin. Bei Fadime Özdemir habe es halt gehakt.