„Dramatischer Einbruch“: Amselbestände deutlich zurückgegangen

Bei Paul Kunze sind überall Nistkästen versteckt. Foto: Müller
Verschiedene Vogelarten verschwinden und Naturschützer schlagen Alarm. Vogelexperte Paul Kunze, ehrenamtlich aktiv beim Nabu und der Niedersächsischen Ornithologischen Vereinigung, erklärt die Gefahren und wie Einzelne helfen können.
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Wiedelah. Paul Kunze setzt sich ehrenamtlich in der Niedersächsischen Ornithologischen Vereinigung (NOV) und beim Naturschutzbund (Nabu) für den Schutz der Vogelwelt ein. Die NOV hat einen Goldregenpfeifer auf dem Logo. Doch es klingt schon fast wie eine Ironie des Schicksals, dass genau der in Mitteleuropa fast ausgestorben ist. Ein Grund dafür ist die menschengemachte Abtorfung von Mooren. Kunze erklärt die Zusammenhänge und warnt vor dem Verschwinden diverser Vogelarten, die keine Einzelfälle sind.
Goslarer waren fleißig
Erste Trends laut dem Nabu in der Region Südost-Niedersachsen zeigen, dass es in diesem Jahr viel weniger Wintervögel und „einen dramatischen Einbruch bei der Amsel“ gibt. Das schrieb Josephine Stangenberg in einer Pressemitteilung über die Zählaktion „Stunde der Wintervögel“. Sie ist Leiterin der Nabu-Geschäftsstelle Südost-Niedersachsen. In dieser Region blieben die Teilnehmerzahlen stabil. Im Landkreis Goslar haben sie sich „nahezu verdoppelt“. Die Daten zeigen, so Josefine Stangenberg, Entwicklungen in der Vogelwelt auf und „helfen, Naturschutzmaßnahmen daraus abzuleiten“. Wie in den Vorjahren hat bislang der Haussperling auch zwischen Gifhorn und Clausthal-Zellerfeld laut ihr „klar den Schnabel vorn“ und wurde „sechs Prozent häufiger gesichtet als im Vorjahr“. Niedersachsen weit hat der Haussperling derzeit ein geringes Minus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Kohlmeise folgt mit einem Minus von derzeit neun Prozent auf Platz zwei, die Blaumeise erhält die Bronzemedaille mit einem Minus von sieben Prozent.
Ein verheerendes Virus
Auf den Plätzen vier und fünf folgen Amsel und Feldsperling, allerdings mit sehr starken Rückgängen, wie Stangenberg berichtet. Das Usutu-Virus hat im vergangenen Jahr viele Amseln getötet, was sich auch in Südost-Niedersachsen bei den Ergebnissen zeigt. „Im Vergleich zu 2024 wurden bislang 32 Prozent weniger Amseln gemeldet“, so Stangenberg.

Im Vergleich zu 2024 wurden bislang 32 Prozent weniger Amseln gemeldet. Foto: Fotolia
Bewusstsein in Politik und Gesellschaft
Hierbei fehlt es den Menschen vor allem an Bewusstsein, findet Vogelexperte Kunze. Die sieht er als Basis für Respekt und Rücksichtnahme gegenüber der Natur. „In den letzten Jahrzehnten hat die Naturverbundenheit stark nachgelassen“, erinnert er sich. Schon die Jüngsten können laut ihm durch Schulgärten und Spielen in der Natur früh an das Thema herangeführt werden. Oder einfach nur einen Baum zu pflanzen, für den Klimaschutz, helfe bereits. Beim Stichwort Naturverbundenheit denkt er beispielsweise an das Buch „Rettet die Vögel, wir brauchen sie“, das vor 45 Jahren herauskam. Über das politische Handeln, trotz all der frühen Warnungen und Appelle, ist er enttäuscht. „Der Naturschutz hat nicht den Stellenwert, den er schon lange hätte bekommen müssen“.
Keine Einzelfälle
Die meisten Vögel in der Region ernährten sich von Insekten, die in den Wintermonaten allerdings nicht mehr da sind. Doch der Klimawandel brachte auch mildere Winter mit sich. Das ökologische Gleichgewicht verschiebt sich, auch im Hinblick auf Nahrung und Lebensräume für die Vögel. Die Folge: „Vogelarten werden verschwinden“. Der Goldregenpfeifer vom NOV-Logo ist kein Einzelfall. Als weiteres Beispiel nennt Kunze den Kuckuck. Normalerweise legt er seine Eier in die Nester der sogenannten „Wirtsvögel“. Ausgerechnet die brüten jedoch immer früher im Jahr, während der Kuckuck immer noch zur gleichen Zeit kommt. Ein komplexes, ineinander verzahntes System gerät aus den Fugen. Der Druck, sich winterlicher Kälte und Nahrungsmangel zu entziehen und zu uns zu fliegen, ist geringer, stellen beide fest. Die Misteldrossel und der Seidenschwanz wurden dieses Jahr in der Region kaum gezählt.
Was Einzelne tun können
Kunze befürwortet die Stunde der Wintervögel, schließlich ist er selbst „seit 50 Jahren“ beim Nabu. Vögel zu füttern, hält er für richtig und wichtig. Nur wenn, dann über das ganze Jahr und artgerecht. „Je nach Art brauchen manche Insekten und manche Körner“. Damit alles hygienisch bleibt, empfiehlt er zum Beispiel Futtersilos oder -bälle anstatt Futterhäuschen. „Sonst bleiben die Vögel sitzen, verrichten ihr Geschäft und übertragen Krankheiten.“ Die Zählaktion vom Nabu läuft noch bis zum 20. Januar.