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Förderverein wählt Vorstand neu

Das erste Gesangbuch: Ein Unikat in Goslars Marktkirchenbibliothek

Der neue Vorstand des Fördervereins der Marktkirche. Ralf Köhler-Haars (von links), Thomas Gunkel, Elke Brummer, Dr.Henning Hassdorf und Helmut Liersch.

Der neue Vorstand des Fördervereins der Marktkirche. Ralf Köhler-Haars (von links), Thomas Gunkel, Elke Brummer, Dr.Henning Hassdorf und Helmut Liersch. Foto: Privat

In der Goslarer Marktkirchenbibliothek liegt das einzige erhaltene Exemplar des ersten evangelischen Gesangbuchs. Auf der Mitgliederversammlung des Bibliotheks-Fördervereins stellte Helmut Liersch das „Ferbefaß-Enchiridion“ und seine Geschichte vor.

Von Redaktion Dienstag, 04.03.2025, 15:00 Uhr

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Goslar. Einen Vortrag über die wechselvolle Geschichte des Erfurter Ferbefaß-Enchiridions hielt Propst im Ruhestand und Bibliotheks-Beauftragter Helmut Liersch anlässlich der Mitgliederversammlung des Fördervereins der Marktkirchen-Bibliothek Goslar. Das einzig erhaltene, überaus wertvolle Exemplar dieses 1524 in Erfurt gedruckten Gesangbuches befindet sich im Besitz der Marktkirchenbibliothek.

Gesang im Gottesdienst? Der gehört wahrscheinlich für jeden Gottesdienstbesucher ganz selbstverständlich dazu und ist für viele sogar der Höhepunkt einer Messe. Diese „Selbstverständlichkeit“ war vor rund 500 Jahren ausschließlich den geistlichen Würdenträgern vorbehalten.

Vor der Reformation wurde in Kirchen nicht gesungen, sondern andächtig der in lateinischer Sprache gehaltenen Liturgie gelauscht. Dass die Mehrzahl der Gläubigen kein Wort davon verstand, schien damals nebensächlich.

Mit der Reformation sollte sich das grundlegend ändern: Martin Luther war der Auffassung, dass die Musik eine Gabe und ein Geschenk Gottes sei, den Teufel vertriebe und die Menschen fröhlich mache. Musik und der Gesang der Gemeinde wurden damit zu einem wesentlichen Bestandteil des Gottesdienstes. Damit alle den gleichen Text nach der gleichen Melodie singen konnten, wurden sogenannte „Ein-Blatt-Drucke“, also Textzettel, erstellt.

Das erste Gesangbuch

Doch damit nicht genug: In der Erfurter Pergamentergasse Nr.16, im Haus „zum Ferbefaß“, wurde 1524 das erste „richtige“ Gesangbuch mit allein achtzehn Liedern aus Luthers Feder gedruckt. Ein Verkaufsschlager, der auch eine benachbarte Druckerei im Haus „Zum schwarzen Horn“ auf den Plan rief. Eine Ausgabe dieses (jüngeren) Gesangbuches wurde übrigens vor wenigen Jahren in der Büchersammlung des Trinity College in Dublin gefunden.

Aber zurück nach Goslar: Wie und warum kam das „Enchiridion“ eigentlich in die Kaiserstadt? Eine Frage, die auch Helmut Liersch seit vielen Jahren beschäftigt und die sich dank seiner unermüdlichen Forschungsarbeit immer besser aufklären ließ. Das Büchlein war Bestandteil der Bibliothek von Andreas Gronewalt, einem Halberstädter Kleriker und Notar, der 1535 einen Großteil seiner Büchersammlung mehr oder weniger heimlich nach Goslar bringen ließ. Der Besitz reformationsfreundlicher Schriften war damals im Bistum Halberstadt verboten und in der Reichsstadt Goslar herrschte ein toleranteres Glaubensklima.

Doch auch hier wurde das auf den ersten Blick schmucklose Bändchen an unterschiedlichen Plätzen aufbewahrt. Ab April 1945 auf Beschluss des damaligen Kirchenvorstands sogar im Heizungskeller der Marktkirche.

Jetzt ruht das wertvolle Exemplar in einem Tresor und geht nur noch ab und zu auf Reisen. Im vergangenen Jahr zum Beispiel nach Wittenberg, wo es anlässlich der Verleihung der Lutherrose sogar vom ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck bestaunt wurde.

DER FÖRDERVEREIN HAT GEWÄHLT

Der Förderverein der Marktkirchenbibliothek hat auf seiner Mitgliederversammlung einen neuen Vorstand gewählt. Bei den meisten Positionen wurden die bisherigen Amtsinhaber bestätigt. Elke Brummer bleibt Vorsitzende, Dr. Henning Hassdorf stellvertretender Vorsitzender und Thomas Gunkel ist Kassenwart. Neu im Vorstand ist Ralf Köhler-Haars als Schriftführer. Er hatte das Amt nach dem Tod seines Vorgängers Dieter Schütze bereits kommissarisch ausgeübt. Alle Wahlen erfolgten einstimmig. Ferner gehört Helmut Liersch als Bibliotheksbeauftragter der Marktkirchengemeinde dem Vorstand an.

Der Verein hat aktuell 40 Mitglieder, auf der Sitzung anwesend waren 20 Personen. Zurzeit arbeitet eine Restauratorin an einigen der alten Bücher der Bibliothek, und der Verein wartet auf die Rückkehr seiner Schätze. Außerdem plant der Verein, eine Hörstation vor dem Schaudepot im Kulturmarktplatz einzurichten. Hier können sich Besucher dann per Kopfhörer über die Besonderheiten der Marktkirchenbibliothek informieren. Weiterhin möchte der Verein sein Projekt „Teaching Library“ fortführen. Hier können sich Schüler in Seminaren in verschiedene Themen, zum Beispiel Reformation oder Antisemitismus, einarbeiten und mit historischen Quellen arbeiten. ph

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