Bad Harzburger Zuchtluchs im Erzgebirge ausgewildert

Die Auswilderung des Luchses im Westerzgebirge. Foto: Archiv Naturschutz/R. Oehme
Eigentlich sollte Luchs-Kuder „Chapo“ im Nationalpark-Gehege an den Rabenklippen für Nachwuchs sorgen. Weil er darauf aber offenbar keine Lust hatte, ist er nun in die Freiheit entlassen worden. Was bedeutet das für das Bad Harzburger Zuchtprogramm?
Für nur 0,99 € alle Artikel auf goslarsche.de lesen
und im ersten Monat 9,00 € sparen!
Jetzt sichern!
Bad Harzburg. Der junge Karpatenluchs, der ursprünglich für ein Zuchtprogramm vorgesehen und dafür vor einigen Wochen in das Schaugehege des Nationalparks Harz an der Bad Harzburger Rabenklippe gebracht worden war, ist ausgewildert. Das schreibt der Nationalpark Harz in einer Pressemitteilung.
Wie berichtet, war der einjährige Kuder nach anfänglichen Schwierigkeiten – das Tier saß auf einem Baum und wollte partout nicht runterkommen – aus dem Tiergarten Nürnberg hergebracht worden. Dort war er gemeinsam mit seinen zwei Brüdern in einer 1860 Quadratmeter großen Luchsanlage unter besonderen Bedingungen aufgewachsen. Insbesondere wurde auf wenig Kontakt zu den Tierpflegenden und eine Fütterung mit Wildfleisch geachtet.
Planänderung nötig
Alle drei Brüder seien von Experten des Linking Lynx-Netzwerks als scheu und potenziell für Wiederansiedlungen geeignet eingestuft worden, schreibt der Nationalpark. Einer von ihnen sei für eine Wiederansiedlung in Thüringen vorgesehen. Der Bad Harzburger Luchs – „Chapo“, wie ihn der Nationalpark getauft hat (spanisch für „der Kleine“) – sollte Zuchttier für das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EPP) der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) werden. Der Verband untersucht Luchse auf ihre genetische Eignung und stellt auf der Grundlage der Ergebnisse Zuchtpaare zusammen.
Kaum war Chapo zu diesem Zweck Anfang Juni an die Rabenklippe gebracht worden, gelang es dem Luchs jedoch, über den Zaun des Geheges zu entkommen. Weit kam er dabei zwar nicht, mittels eines Narkosegewehrs konnte er wieder eingefangen werden und verbrachte danach einige Zeit in einem geschlossenen Gehege. Doch deutete sich bereits durch diesen Zwischenfall an, dass es schwierig werden könnte, mit dem Zuchtvorhaben. „Die Handhabung des Kuders erwies sich nicht ganz einfach“, resümiert der Nationalpark. „Der Luchs versuchte immer wieder einen Weg aus dem Gehege zu finden und kam nur schwer zur Ruhe.“ Da sich der Kuder offensichtlich nur schwer an die neue Umgebung gewöhnte, entschlossen sich die Verantwortlichen schließlich dazu, den Luchs für eine Auswilderung statt für das Zuchtprogramm vorzusehen.
Bevor das neue Zuchtpaar ankommt, möchte der Nationalpark Harz das Luchsgehege an den Rabenklippen umbauen. Foto: Schlegel/GZ-Archiv
Zur Vernetzung beitragen
Daraufhin wurde der Karpatenluchs, der bereits alle notwendigen Gesundheitschecks durchlaufen hatte, nach Sachsen gebracht. Dort wurde er jetzt im Rahmen des Projekts „ReLynx Sachsen“ im Westerzgebirge ausgewildert. Das Tier werde fortan dazu beitragen, als wilder Luchs eine neue Population in Sachsen aufzubauen, schreibt der Nationalpark. Diese soll als sogenannte Trittsteinpopulation fungieren, das heißt als Verbindung bestehender europäischer Luchsvorkommen. Damit werde er zur Vernetzung der Karpatenluchspopulation in Europa beitragen. Der Prozess bis zur Auswilderung sei von Expertinnen und Experten des Netzwerks Linking Lynx begleitet worden.
Und was bedeutet das nun für das geplante Zuchtprogramm in Bad Harzburg? Wie jüngst berichtet soll im Gehege an der Rabenklippe künftig ein Luchspaar leben, deren Nachwuchs an Artenschutzprojekte zur Auswilderung abgegeben oder zur Fortführung des Zuchtprogramms eingesetzt wird. „Noch im Herbst kommen zwei erfahrenere Zuchtluchse bei uns an: einer aus der Ukraine und einer aus der Schweiz“, hatte kürzlich der Leiter der Nationalparkverwaltung, Dr. Roland Pietsch, angekündigt.
Gehege wird umgebaut
Der Europäische Zooverband EAZA hat das Paar dem Nationalpark zugewiesen. Dieser wird damit Teil eines internationalen Erhaltungszuchtprogramms für Luchse namens „Ex-situ“. Pietsch erklärte, er erwarte bereits im nächsten Jahr Nachwuchs, und setze sich dafür ein, dass dieser auch direkt im Harz ausgewildert werden könne. Bis dahin werde jedoch das Gehege an den Rabenklippen erst noch vorbereitet. Nach der Erfahrung mit dem wilden Chapo sollen die Zäune umgebaut werden und das Areal so noch ausbruchssicherer gemacht werden.
Hintergrund
Das Luchsprojekt des Nationalparks Harz läuft schon seit fast 25 Jahren. Einen offiziellen Wiederansiedlungsversuch gab es in Deutschland erstmals Anfang 2000. 24 Luchse wurden bis 2006 ausgewildert. Mittlerweile haben sich die Raubkatzen über die Grenzen des Mittelgebirges hinaus ausgebreitet. Pietsch schätzte das Luchsvorkommen in den niedersächsischen Wäldern vom Harz bis zur Weser auf ungefähr 110 Tiere. Nachweise gibt es unter anderem in Höhenzügen wie Vogler, Ahlsburg, Hils sowie in Salzgitter und dem Hildesheimer Wald.