Ein-Personen-Stück über Lebenszeit und den Tod als Tabu

Eindrucksvolles Schauspiel von Annette Schramm auf der Bühne des Kulturkraftwerks. Foto: Habel
Zum Welthospiztag führte Annette Schramm auf Einladung des Christophorus Hauses im Kulturkraftwerk Harzenergie das Ein-Personen-Stück „Filippas Suche nach dem Tor zur Welt“ auf. Nachdenkliches über Leben, Tod und Zeit.
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Goslar. „Folgen Sie dem Weg der Filippa!“, forderte Annette Schramm ihr Publikum auf. In den folgenden 75 Minuten setzte die Schauspielerin und Autorin die innere Wandlung der Hauptperson eindrucksvoll in Szene. Zahlreiche Frauen und Männer hatten sich am Freitagnachmittag im Kulturkraftwerk getroffen und verfolgten konzentriert das Ein-Frau-Stück. „Filippas Suche nach dem Tor zur Welt“ feierte in Goslar Premiere. Die Veranstaltung hatten der Hospizverein Christophorus Haus und das Kulturkraftwerk ins Leben gerufen.
„Auf einem Bauernhof wurde Filippa großgezogen.“ Ihr Alltag sei bestimmt gewesen „durch viel Arbeit“, Vernachlässigung und Streit. „Sie half mit, so gut sie konnte, aus Leibeskräften.“ Bereits in den ersten Minuten bemerkte das Publikum Schramms einfühlsame und tragende Stimme, auch ihre klare Gestik. Mit der unterstrich sie die verschiedenen Stimmungen der Protagonistin. Dabei blieb Schramm stets gelassen.
Die Großeltern fehlen zuerst
Im Stück tritt bald das Erlebnis von menschlichem Verlust in Filippas Leben. „Opa lag tot im Bett. Oma wollte ihn wecken.“ Dann: „Zwei Jahre später verstarb die Oma.“ Und wie geht die Familie damit um? Schramm stand auf der Bühne, den Text vor sich auf einem Notenständer. Sie fuhr fort: „Die Plätze von Opa und Oma waren mit einem Male leer und keiner sprach darüber.“ Nun trat die Schauspielerin zur Seite, setzte sich einen schwarzen Hut auf den Kopf, rezitierte die Verse „Abends wenn ich schlafen gehe“ von Adelheit Wette. Die Frauen und Männer in den Sitzreihen lauschten andächtig; im Hintergrund tickte eine Uhr. Schramm beendete das Gedicht, klippte das Blatt mit den Zeilen an eine Wäscheleine. Die war quer über die Bühne gespannt. Im Rahmen der Vorführung fanden noch weitere Gedichte an der Leine ihren Platz, so auch von Goethe und Heiner van Sandt.
Lästige Verwandte
Im Stück verlässt Filippa den Bauernhof, zieht in die Stadt, um dort zu studieren. Von der Tante erhält sie einen Brief, sie fordert baldige Antwort. „Wenn du nicht sofort anrufst, bist du ein verlorenes Kind.“ Schramm zog sich eine grüne Jacke mit Blumenmuster über, fläzte sich auf einen Stuhl, öffnete den Umschlag, entnahm ein Blatt, trug den Inhalt vor und verzog das Gesicht. Dabei rollte sie die Augen, stöhnte genervt. „Warum wollten sie diese Verwandten nicht loslassen?“
Die Hauptperson führt Tagebuch. Schramm setzte sich auf einen Stuhl, öffnete ein gebundenes Buch, aus dem sie vortrug. Dann ein Schock. Die Tante hat sich das Leben genommen. „Filippa war fassungslos, wütend und sprachlos.“ Das Licht im Saal dimmte ab. Filippa kommt zu dem Schluss: „Letzten Endes wurde immer nur gearbeitet, für das Wesentliche blieb keine Zeit.“ Und „Ich darf mich nicht hängen lassen.“
Das Stück endete mit einer Mut machenden Szene. Die Hauptperson findet in einer Kapelle einen Stein mit der verwitterten Inschrift „Deine Sache ist in Arbeit. Kläre dich!“ Das Publikum dankte mit langem Beifall, Schramm lächelte und betonte: „Es hat mich sehr gefreut, hier zu sein.“