Blei im Blut von Goslarer Schülern: Streit über Blenca-Studie

Mit einer Blutprobe beginnt die Teilnahme der Jungen und Mädchen an der Blenca-Studie. Foto: Landkreis Goslar
Die Blenca-Studie über Blei im Blut von Goslarer Vorschülern hat im Umweltausschuss für Zoff gesorgt. Die Ergebnisse liegen den Politikern noch nicht vor, da die Daten erst anonymisiert werden müssen. Aber die Eltern erhielten die Werte schon.
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Goslar. Eklat um den zweiten Teil der Blenca-Studie: Im Umweltausschuss des Landkreises warf Rüdiger Wohltmann (Linke) der Verwaltung Intransparenz vor und drohte damit, die Kommunalaufsicht einzuschalten. Hintergrund ist, dass einige Eltern, deren Kinder hohe Bleiwerte im Blut aufwiesen, bereits Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten bekommen haben, während der Politik die Daten noch nicht vorliegen.
Die Blenca-Studien – das Kürzel steht für „BLEi uNd CAdmium“ – untersuchen den Gehalt der genannten Schwermetalle im Blut von Kindern. Durchgeführt werden die Studien vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Ging es im ersten Blenca-Teil noch um Jungen und Mädchen in Oker und Harlingerode, so wurde für die Fortsetzung nun der Untersuchungsbereich auf das gesamte Kreisgebiet ausgeweitet. Insgesamt erhielten die Eltern und Erziehungsberechtigten von rund 1200 Vorschul-Kindern, die an den Schuleingangsuntersuchungen teilgenommen hatten, Einladung und Test-Kit für die Schwermetall-Untersuchung. Im Umweltausschuss des Landkreises gab es nun einen knappen Sachstandsbericht – der allerdings Wohltmann nicht genügte und für Ärger sorgte.
328 Kinder untersucht
Die von der Verwaltung vorgelegte Kurzinformation besagt, dass insgesamt 328 Kinder teilgenommen haben und die Beteiligung damit hoch genug sei, repräsentative Aussagen zu treffen. Für Zündstoff sorgte die Information, dass die Eltern und Erziehungsberechtigten bereits über die Werte des eigenen Kindes individuell informiert wurden und bei erhöhtem Blei-Anteil im Blut ein Angebot über medizinische Beratung erhielten: „Sofern bei einem Kind der Referenzwert für Blei im Blut überschritten worden ist, wurde ein medizinisches Beratungsangebot durch das LMU-Klinikum unterbreitet.“ Die bei Blenca1 zugrunde gelegten deutschen Referenzwerte liegen bei 15 Mikrogramm pro Liter für Mädchen und 20 Mikrogramm pro Liter für Jungen.
Wohltmann kritisierte, dass die Ergebnisse der Studie demnach offenbar schon vorlägen, dem Ausschuss aber nicht zur Verfügung gestellt würden.
Hohe Werte festgestellt
Tatsächlich scheint festzustehen, „dass es zum Teil sehr hohe Werte auch in anderen Teilen des Landkreises“ gegeben hat, wie der Ausschussvorsitzende Dr. Friedhart Knolle (Grüne) zusammenfasste. Die Ergebnisse, so das korrekte Prozedere, würden nun ausgewertet und dem Landkreis und der Politik dann in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt. Die Ersteller der Studie hätten jedoch beschlossen, „dass es bei bestimmten Werten ethisch nicht zu vertreten sei, die Eltern nicht zu informieren“. Die Eltern der betroffenen Kinder dürften selbstverständlich über diese Werte reden. „Wenn ein Bürger mit seinen Werten an die Öffentlichkeit geht, dann darf er das. Wir dürfen das nicht“, betonte Knolle. Er sagte jedoch zu, das Thema für den nicht-öffentlichen Teil der nächsten Umweltausschuss-Sitzung auf die Tagesordnung zu setzen.
Datenschutz hat Vorrang
Wie Dr. Walter Schmotz, der vonseiten der Kreisverwaltung die Studie mit betreut, werden die Ergebnisse jedoch erst im ersten Quartal 2025 erwartet. Die noch nicht anonymisierten Ergebnisse unterlägen allerdings dem Datenschutz und dürften nicht herausgegeben werden.
Laut Auskunft von Lea John, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU und Ansprechpartnerin für die Studie, sollen die Ergebnisse frühestens im April oder Mai für die Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Generell hätten alle Eltern nach der Analyse eine Auskunft über die Daten ihrer Kinder erhalten, sagte sie auf GZ-Nachfrage. Wie viele Kinder erhöhte Werte hatten, könne sie jedoch nicht sagen.
Mit Kommunalaufsicht gedroht
Für Wohltmann jedoch ist es völlig unverständlich, dass die Daten offenbar schon vorliegen, aber dem Ausschuss nicht zur Verfügung gestellt werden. „Wir haben die Studie in Auftrag gegeben, und jetzt liegen erste Ergebnisse vor“, ärgerte er sich. Hier würden Daten zurückgehalten. Sein letztes Wort in der Diskussion: „Ich kündige an, dass ich wahrscheinlich die Kommunalaufsicht einschalten werde.“
Inzwischen hat der Landkreis zu der Diskussion Stellung genommen: „Herr Wohltmann hatte der Verwaltung Intransparenz vorgeworfen. Ein Vorwurf, der uns nicht nur überrascht hat, sondern der auch vollkommen unzutreffend ist“, scheibt Landkreis-Pressesprecher Maximilian Strache. Wie Strache betont, „haben wir von Beginn an kommuniziert, dass die Ergebnisse der Studie in der ersten Jahreshälfte 2025 vorliegen werden. Uns nun vorzuwerfen, wir würden Ergebnisse zurückhalten, entbehrt jeglicher Grundlage und entspricht auch nicht dem Vorgehen, auf das sich die Politik im Kreistag verständigt hat. Alle Beschlüsse zur Durchführung der Blenca2-Studie wurden übrigens einstimmig verabschiedet. Insofern hat auch Herr Wohltmann der nun kritisierten Vorgehensweise zugestimmt.“
Fast die Hälfte betroffen
Die erste Blenca-Studie war an den beiden ehemaligen Hütten-Standorten Oker und Harlingerode durchgeführt worden und hatte alarmierende Ergebnisse geliefert. Fast die Hälfte der untersuchten Grundschulkinder – 40 von 89 – wiesen erhöhte Bleiwerte auf. Grund genug für den Landkreis, eine zweite Studie in Auftrag zu geben, die nun das gesamte Kreisgebiet umfasst.

Rüdiger Wohltmann Foto: Sowa

Dr. Friedhart Knolle Foto: Berg