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Büttenreden und Bank-Dialoge

Goslarer Karnevals-Urgestein Anni John gestorben

Unvergessen: Anni John in ihrer Paraderolle als Berta mit ihrem damaligen Kollegen Gerrit Oelmann, der den Haanrich mimte.

Unvergessen: Anni John in ihrer Paraderolle als Berta mit ihrem damaligen Kollegen Gerrit Oelmann, der den Haanrich mimte. Foto: Schenk

Das Goslarer Karnevals-Urgestein Anni John ist im Alter von fast 102 Jahren gestorben. Als Büttenrednerin und Teil des Duos „Haanrich und Berta“ war die Mitbegründerin des Goslarer Karnevals weit über die Grenzen der Kaiserstadt bekannt.

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Von Petra Hartmann
Samstag, 08.02.2025, 04:00 Uhr

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Goslar. Ein Leben für die fünfte Jahreszeit: Das Goslarer Karnevals-Urgestein Anni John verstarb am Donnerstag, 30. Januar, knapp drei Wochen vor dem 102. Geburtstag. Weit über die Stadtgrenzen hinaus war Anna „Anni“ John, geborene Mattern, als Büttenrednerin und als weiblicher Part des Kabarett-Duos „Haanrich und Berta“ bekannt.

Als Gründungsmitglied des Goslarer Karnevals im Jahr 1951 und große Freundin des jecken Treibens war sie zu Hause auf den Prunksitzungen, und wenn sie zusammen mit ihrem Dialog-Partner Gerrit Oelmann die Goslarer Politik kommentierte, blieb kein Auge trocken. Das Paar auf der Bank, die Goslarsche Zeitung von der Nase, zog alles durch den Kakao, was in der Kaiserstadt Rang und Namen hatte. Freche Sprüche, bissige Kommentare und launige bis boshafte Seitenhiebe – ihre Bankreden sind bis heute unvergessen. Karneval ohne Anni John – das war eigentlich undenkbar für die Goslarer. Ob als Putzfrau, die eine verzweifelte Besucherin auf dem Weg zum Krankenhaus in die Verzweiflung treibt, oder als pütjerige alte Dame „Brunhilde“, die mit der Frage „Kann ich hier mal ‘ne Rede reden?“ die Bütt besteigt – Anni John war Kult und für alle Karnevalsfans und Gäste der Großen Karnevalsgesellschaft Goslar einfach ein Muss.

Abgesehen vielleicht von jenem Bürgermeister, der sie doch glatt einmal des Saales verweisen wollte. Er hatte sie nicht erkannt, ihr Punkerinnen-Kostüm mit Ratte auf der Schulter war einfach zu lebensecht gewesen ...

Ansonsten wusste die Goslarer Politik immer, was die Karnevals-Aktivistin der Stadt wert war: So verlieh ihr Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse die Ehrennadel der Stadt Goslar für ihre Verdienste um den Karneval.

Auch als „Filmstar“ war sie zu sehen: Der NDR kam zu ihrem 80. Geburtstag nach Goslar, zeichnete einen Dialog von Haanrich und Berta auf und interviewte die unverwüstliche Büttenrednerin.

Anni John war gebürtige Goslarerin, Tochter eines Bäckers, der später aus gesundheitlichen Gründen zum Maurer umschulen musste. Bei der Geburt war ihr rechtes Auge mit der Geburtszange beschädigt worden, und es blieb ihr ganzes Leben lang etwas kleiner und schwächer als das linke. Dies und der Umstand, dass sie ein Einzelkind war, sei wohl der Grund gewesen, dass sie von ihren Eltern besonders umsorgt wurde, so ihre Vermutung. Sie besuchte die Schiller-Schule, ein Hauswirtschaftsjahr schloss sich an. Im Krieg war sie Schwesternhelferin in einem Lazarett. Schließlich wurde sie Verkäuferin bei der Fleischerei Ahrberg. Anni John hatte drei Töchter, von denen eine jedoch früh an Masern verstarb, und eine Enkeltochter.

Ihren Lebensabend verbrachte sie im Seniorenheim Haus Abendfrieden. Dort konnte sie im Jahr 2023 auch ihren 100. Geburtstag feiern. Die Urnenbeisetzung findet auf Wunsch der Verstorbenen im engsten Familien- und Freundeskreis statt.

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