Zikaden zirpen auf dem Brocken

Eine typische Zikadenart auf der Brockenkuppe ist die Berg-Spitzkopfzirpe (Jassargus alpinus).
Zikaden gibt es auch im Harz, sogar auf dem Brocken. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Zoologen Dr. Werner Witsack, der vier Jahre lang die Harz-Zikaden erforschte. Nun stellte der Insektenforscher seine Ergebnisse vor.
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Wernigerode. Zikaden im Harz? Wenn von Zikaden die Rede ist, denken viele vermutlich eher an Urlaube am Mittelmeer oder in tropischen Ländern, wo das Zirpen dieser Insekten die Luft erfüllt. Oder sie haben vielleicht Berichte über das spektakuläre massenhafte Auftreten der sogenannten 17-Jahre-Zikaden in den USA gesehen. Weit weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass auch in Deutschland mehr als 600 Arten dieser Tiergruppe heimisch sind. Auch im Harz sind diese Insekten anzutreffen, wurden aber bislang kaum erforscht. Jetzt legt der Zoologe Dr. Werner Wisack eine umfangreiche Untersuchung über die Zikaden des Harzes vor.
Über die Zikadenarten auf Wiesenstandorten oder Offenlandhabitaten des Harzes gab es bisher nur wenige Angaben, und auch von den Offenstandorten des Hochharzes fehlten bis vor einigen Jahren systematische Untersuchungen. Diese Lücke hat nun Werner Witsack, ehemaliger Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ausgewiesener Zikadenexperte, mit einer Forschungsarbeit im Auftrag der Nationalparkverwaltung Harz geschlossen.

Mit Kescher und Motorsauger auf Zikadenjagd: Zoologe Dr. Werner Witsack.
Er hat über vier Jahre – von 2013 bis 2015 sowie 2017 – die erste Erfassung der Zikaden in verschiedenen Offenlandbereichen des Nationalparks im Gebiet von Sachsen-Anhalt vorgenommen. 2017 war im Rahmen dieser Untersuchungen auch der höchste Gipfel des Harzes an der Reihe. „Der Brocken ist durch seine Höhenlage und die dadurch bestehenden besonderen ökologischen Bedingungen als Extrem-Standort herausragend“, schreibt Witsack in seiner wissenschaftlichen Arbeit. „Daher war es von besonderem Interesse, die Zikadenfauna dort zu untersuchen.“
Auf fünf Untersuchungsflächen des Brockenplateaus mit unterschiedlichen Vegetationsstrukturen hat er dafür die kleinen Insekten mit standardisierten Methoden gefangen. Neben einem Insektenkescher benutzte Witsack dafür einen motorbetriebenen Laubsauger mit einem modifizierten Saugrohr.
Insgesamt wurden so 1872 Zikaden gefangen, die 45 Arten zugeordnet werden konnten. Darunter waren elf Arten, deren Bestände bundesweit als gefährdet angesehen werden und die deshalb auf der Roten Liste Deutschlands stehen. Drei der auf der Brockenkuppe nachgewiesenen Zikaden gelten sogar als deutschlandweit stark gefährdete Arten der Kategorie zwei der Roten Liste.
Damit haben sich die untersuchten Offenlandflächen trotz des dort herrschenden rauen Klimas als vergleichsweise artenreich und aus ökologischer und naturschutzfachlicher Sicht wertvolle Habitate erwiesen, stellt der Insektenforscher fest. „Die trotz der Höhenlage beobachtete Artenfülle auf den Untersuchungsflächen verbunden mit der Existenz von ökologisch anspruchsvollen Arten ist ein Hinweis für die hohe Umweltqualität der untersuchten Habitate auf dem Brocken.“
So entdeckte Witsack bei seinen Untersuchungen die auf der Roten Liste stehende Taigaspornzikade (Criomorphus borealis). Ebenfalls eine typische Zikadenart der Brockenkuppe ist die Berg-Spitzkopfzirpe (Jassargus alpinus).

Die Taigaspornzikade (Criomorphus borealis) steht auf der Roten Liste. Fotos: Kunz/Witsack
Zikaden als Pflanzensaft saugende Insekten haben nicht nur einen großen Einfluss auf die Vegetation, sondern haben auch eine wichtige Funktion als Nahrung für viele andere Tiere. Sie haben damit große Bedeutung für die Ökosysteme, in denen sie vorkommen. Die meisten Zikaden sind sehr auffällig gefärbt, aber dennoch gut getarnt und hervorragend an ihre Umgebung angepasst. Der Großteil der heimischen Arten ist mit einer Körpergröße von unter einem Zentimeter recht klein, weshalb sie bei einem Naturspaziergang wohl seltener als andere Insekten wahrgenommen werden. Zikaden reagieren sensibel auf Veränderungen der Umwelt. Für Wissenschaftler und Ökologen sind Zikaden besonders interessant, da sie häufig eine enge Bindung an bestimmte Lebensräume und Futterpflanzen haben und besondere Ansprüche an die Umweltbedingungen stellen. Auch reagieren sie sensibel und relativ schnell auf Veränderungen ihrer direkten Umwelt. Daher können sie bei wissenschaftlichen Untersuchungen als Zeigerarten (Bioindikatoren) dienen und geben Aufschluss über den Zustand ihres Lebensraumes. Über ein Drittel der heimischen Zikadenarten sind bundesweit gefährdet oder bereits ausgestorben.
Die Arbeit ist im Internet zu finden unter: www.nationalpark-harz.de/de/downloads/wissenschaftliche-arbeiten/