Raub oder Familienstreit? Kurioser Fall landet vor dem Amtsgericht

Justitia respektive das Schöffengericht muss sich mit der Frage beschäftigen, ob die Vorfälle zwischen dem 44-Jährigen und seiner Schwiegermutter ein Raub oder nur ein Familienzwist waren. Symbolfoto: Pixabay
Ein 44-Jähriger soll seine Ex-Schwiegermutter beraubt haben, nachdem er gedroht hatte, ihre Wohnung zu verwüsten. Dafür stand er vor Gericht. Allerdings sah das Opfer die Sache nicht mehr als so schlimm an, sie kocht dem Mann bereits wieder Essen.
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Bad Harzburg. „Bin froh, dass ich nicht in den Knast muss“, erklärte ein 44-jähriger Mann aus Bad Harzburg in seinem Schlusswort vor dem Amtsgericht. Selbiges geriet geläutert und kleinlaut, während der Angeklagte beim Auftakt der Schöffengerichtsverhandlung wegen Raubes und Erpressung eher renitent auftrat. Er kam trotzdem mit einer Bewährungsstrafe davon.
Dem Angeklagten musste vorab ein „blau-silbernes Taxi“ geschickt werden, wie Richter Julian Pinkwart humorig informierte – heißt: Er wurde von der Polizei zum Gerichtstermin gebracht. Letztlich wurde die schwere Anklage zu einem minderschweren Fall heruntergestuft, und der 44-jährige, unter Betreuung stehende Mann kam mit einer halbjährigen Strafe davon, die für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Damit blieb die Schöffenkammer zwei Monate unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Angeklagter ist verwirrt
Mit seinem Mundwerk war der 44-Jährige nicht zimperlich. Obwohl er eigentlich gar nicht kommen wollte, war sein Redeschwall kaum zu bremsen, als er dann doch von der Polizei begleitet im Gerichtssaal erschien. Dem teilweise verwirrten Mann war der Anlass der Gerichtsverhandlung zunächst nicht klar. Nach Verlesung der Anklage bestritt er die Vorwürfe, rückte aber stückweise davon ab, bis er mitten in der Beweiserhebung mit einem Geständnis herausplatzte. Er rechtfertigte die Tat damit, dass man ihm „übel mitgespielt“ habe.
Er wollte die Wohnung zertrümmern
Die ominöse Anschuldigung erklärte er jedoch bis zuletzt nicht. Und die sieht laut Staatsanwaltschaft so aus: Am Tattag im September 2022 klingelte er bei seiner Ex-Schwiegermutter, stürmte sodann in deren Wohnung und verlangte Geld und etwas zu Essen, sonst werde er die Wohnungseinrichtung zertrümmern. Die 63-Jährige machte ihm etwas zu essen, gab ihm aber kein Geld. So blieb die angeklagte Erpressung im Versuchsstadium hängen.
Wohl war der 63-Jährigen jedoch nicht, denn sie rief die Polizei. Das missfiel dem Angeklagten. Er verlangte die Herausgabe des Handys. Die Frau verweigerte das und presste das Gerät an den Körper. Es folgte ein Gerangel, in dessen Verlauf der 44-Jährige nach eigenem Bekunden „mittelstark“ an dem Handy zog und seinem Opfer das Gerät entwand. Er verließ die Wohnung und warf die Sim-Karte weg. Als die Polizei ihn kurze Zeit später in seiner Wohnung aufsuchte, gab er das Smartphone nach einigen Diskussionen mit den Beamten heraus.
Beim Opfer entschuldigt
„Hab’ ihr das Handy weggenommen weil ich ihr eins auswischen wollte“, gab der 44-Jährige zu. Er habe sich aber später bei seiner Schwiegermutter entschuldigt. Nun mache sie ihm wieder etwas zu essen und alles sei wieder gut. Eigentümlicherweise bestätigte die Geschädigte diese Aussage und gab an, kein Interesse daran zu haben, dass ihr Ex-Schwiegersohn bestraft werde. Der fraglos ungewöhnliche Umgang miteinander brachte die Verteidigerin des 44-Jährigen dazu, eine Täter-Opfer-Beziehung zur Gänze infrage zu stellen. Es sei niemand traumatisiert zurückgeblieben. Die versuchte Erpressung sei auch gar nicht als solche empfunden worden. Der 44-Jährige habe sein Verlangen „nur so dahingesagt“, womöglich gehörten solch harsche Töne in dieser Gesellschaft zum üblichen Umgangston, mutmaßte Rechtsanwältin Heike Lawin.
50 Euro für die Karte
Dem hielt die Schöffengerichtskammer jedoch entgegen, dass die Geschädigte immerhin die Polizei rief. Somit muss sich das Opfer bedroht gefühlt haben, hieß es in der Urteilsbegründung. Dennoch sei das Tatgeschehen nicht mit einem Straßenraub zu vergleichen, den der Gesetzgeber im Sinn gehabt hätte.
Das Geschehen sei wohl doch eher als familiäre Sache zu bewerten, zumal das Handy keinen großen Beutewert darstelle und die Bestohlene das Mobiltelefon ja auch zurückbekam, erklärte Julian Pinkwart. Allerdings muss der 44-Jährige seiner Schwiegermutter nun 50Euro für die weggeworfene Sim-Karte bezahlen.