Prüfungsstress nach Einbruch: Abiturienten müssen neue Klausuren schreiben

Am Donnerstagmorgen war die Spurensicherung vor Ort. Die Einbrecher haben sich durch dieses kaputte Fenster Zutritt zu den CvD-Büros im Schulenzentrum Goldene Aue verschafft. Fotos: Kasemir/Heine
Einbrecher haben in der Nacht das CvD-Gymnasium heimgesucht. Weil auch der Tresor mit den Politik-Klausuren geknackt wurde, starteten die Abitur-Prüfungen heute niedersachsenweit verspätet. Am CvD schreiben alle zwölf Prüflinge mit.
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Goslar. Weil Einbrecher in der Nacht auf Donnerstag das Schulzentrum Goldene Aue heimgesucht und unter anderem den Verwaltungstrakt des Goslarer Christian-von-Dohm-Gymnasiums durchstöbert haben, werden heute in ganz Niedersachsen Ersatzklausuren im Fach Politik/Wirtschaft geschrieben. Die ungebetenen Gäste waren auch in das Büro des Oberstufenkoordinators eingedrungen, wo die eigentlichen Aufgaben vorschriftsmäßig verschlossen gelagert waren. Die Abitur-Prüfungen starten später, weil die Schulen zunächst die neuen Vorlagen neu herunterladen und kopieren müssen.
Wie Ulrich Schubert, Pressesprecher des Kulturministeriums in Niedersachsen, heute Morgen auf Anfrage bestätigte, habe das Krisenmanagement geklappt: Die Abitur-Prüfungen konnten zeitverzögert begonnen werden. Schule und Behörden hätten sich an einen entsprechenden Vorsorgeplan gehalten.
Das lange Warten habe genervt

Auch ein weiteres Fenster wurde durch die Täter beschädigt. Foto: Privat
Um an die neuen Abitur-Prüfungen zu gelangen, leistete das Ratsgymnasium laut Direktor Hans-Peter Dreß Amtshilfe. Zusammen mit RG-Koordinator Mario Stieglitz erledigte Torsten Worch aus der CvD-Schulleitung diese Aufgabe, weil am CvD auch Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen wurde. In Politik war das Ratsgymnasium heute deshalb nicht betroffen, weil die Schule nur Abiturienten für mündliche Prüfungen hat. Auch in den nächsten Tagen ist das CvD-Gymnasium wohl noch auf RG-Hilfe angewiesen. „Das hat auch prima geklappt, und wir danken für die super Unterstützung", erklärte Ehrenberg. Das Herunterladen der jeweiligen Abitur-Klausuren sei nämlich eine Art geheime Kommandosache. Nicht, wie etwa „Bild.de“ heute falsch meldete, die Fachlehrer, sondern nur der Oberstufenkoordinator habe einen Geheimcode, um die zentral zusammengestellten Arbeiten am Tag vorher herunterzuladen. Anschließend landen sie in einem verschlossenen Schrank oder Tresor.
Eingeschlagenes Fenster entdeckt
Wie Polizei-Sprecher Thorsten Ehlers erklärte, ging die Nachricht vom Einbruch um 3.48 Uhr bei der Goslarer Polizei ein. Ein Wachmann hatte am Schulzentrum ein eingeschlagenes Fenster entdeckt. Die unbekannten Täter durchsuchten demnach mehrere Räume, scheiterten aber bei dem Versuch, einen Tresor mitzunehmen. Dort waren die Politik-Aufgaben ursprünglich verschlossen gelagert. Beim Eintreffen der Polizei lagen sie nicht nur verstreut im Zimmer, wie es zuerst hieß, sondern sogar über den Schulhof verstreut. Aus polizeilicher Sicht auffällig ist es nach Auskunft von Ehlers, dass es zuletzt häufiger Einbrüche in Jürgenohler Einrichtungen gegeben habe. Seit Anfang März waren etwa das Jugendzentrum B6, die Kindertagesstätte St. Georg und das Vereinsheim des SV Rammelsberg betroffen. Auch aus Sicht von CvD-Direktor Ehrenberg hatten es die Diebe eher auf die Schränke der Lehrer abgesehen. Etliche seien aufgebrochen gewesen.
Am Schulzentrum „Goldene Aue“ ist bereits seit Jahren ein Sicherheitsdienst eingesetzt, wie Maximilian Strache, Pressesprecher des Landkreis Goslar auf Anfrage berichtet. Dabei handelt es sich um eine Braunschweiger Firma. Bezahlt werde der Einsatz aus dem Schulbudget. Vergleichbare Strukturen existieren an anderen Schulen nicht. „Der Sicherheitsdienst ist aber natürlich nicht die ganze Zeit vor Ort am Schulzentrum, sondern führt dort Streifen durch. Bei einer dieser Streifen in der Nacht wurde das offene/zerstörte Fenster entdeckt“, erklärte Strache.
Ähnlicher Fall am Ratsgymnasium 2018
Noch einmal zurück zum Ratsgymnasium: Kurios: Anfang Mai 2018 mussten schon einmal die Abitur-Aufgaben verändert werden, weil Unbekannte am langen Walpurgis-Wochenende ins Goslarer Ratsgymnasium eingebrochen waren.

Ein- und Aufbruch übers lange Wochenende: Der Schrank, in dem die Abitur-Unterlagen lagern, weist deutliche Spuren der (Un-)Tat auf. Archivfoto: Sowa
Auch damals waren die Einbrecher, die im Schulgarten des Ratsgymnasiums durch ein rückwärtiges Fenster eingestiegen waren, nicht auf die Abi-Klausuren aus. Sie lagen unversehrt im Stahlschrank. Allerdings konnte das Ministerium das Verbreiten der Arbeiten durch Abfotografieren nicht ausschließen. „Prüfungschaos nach Schuleinbruch in Goslar – Mathe-Abi ausspioniert?", fragte auch seinerzeit die „Bild“ in gewohnt großen Lettern. Das Ratsgymnasium schaffte es seinerzeit sogar bis ins „heute-journal“ des ZDF. Dass ein gewisser Sigmar Gabriel 1979 sein Abitur an der Schule gemacht hatte, beflügelte manche Medien zusätzlich. Die Täter ignorierten seinerzeit übrigens eine silberne Flöte, bedienten sich aber ebenfalls an den Fächern der Lehrer. Eine geraubte Klassenkasse mit einem dreistelligen Betrag tat vor Ort am meisten weh, interessierte aber nicht den Rest der Republik.
Kritik des Landesschülerrates Niedersachsen
Und der Rest des Landes? In einer Pressemitteilung kritisiert der Landesschülerrat Niedersachsen, dass der Aufgaben-Download zu lange dauerte und die Schüler warten mussten, bis sie schreiben konnten. Zudem habe die Kommunikation so schlecht geklappt, dass einige Schulen bereits angefangen hatten das Abitur zu schreiben, und bereits bearbeitete Aufgaben dann wieder eingesammelt wurden, heißt es weiter in der Mitteilung. „Besonders Personen die von ADHS betroffen sind, haben durch eine geringe Konzentration jetzt einen weiteren Nachteil. Zudem führt die aktuelle Situation zu enormem Druck und Stress bei allen Abiturienten, da diese mehr als 90 Minuten auf die neuen Aufgaben warten müssen“, lautet die Kritik. Und auch der Sprecher des Stadtschülerrats in Braunschweig, Atakan Koçtürk spricht gegenüber der „Braunschweiger Zeitung“ von „teils hysterischen Zuständen“ an den betroffenen Schulen.