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GZ-Serie: Stadthalle im Pfalzquartier

„Pro Kaiserpfalzquartier“: Zukunftsweisendes Projekt für Goslar

Sieger-Entwurf des Architekturbüros Nieto Sobejano für das Kaiserpfalzquartier.  Grafik: Nieto Sobejano

Sieger-Entwurf des Architekturbüros Nieto Sobejano für das Kaiserpfalzquartier. Grafik: Nieto Sobejano

„Kein Bereich in unserer Stadt hat eine so bewegte Geschichte wie der Pfalzbezirk“, betont Dieter Freesemann, Vorsitzender der Goslarer Kulturinitiative. Er war bei den langjährigen Vorplanungen und Bürgerbeteiligungen zur Entwicklung des Pfalzquartiers dabei. 

Freitag, 22.03.2024, 14:00 Uhr

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Als Mitglied der Bürgerinitiative „pro KaiserPfalzQuartier“ plädiert Dieter Freesemann im folgenden Beitrag vehement für die geplante finanzielle Beteiligung der Stadt beim Bau der Stadthalle:

War es zunächst der umstrittene Abriss des Domes zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ist gut vorstellbar, dass seinerzeit auch der Bau der Kasernen nicht auf die uneingeschränkte Gegenliebe der Goslarer Bevölkerung gestoßen ist.

Rückblick auf Kasernen

Der später geplante Bau der Grenzschutzunterkunft „An der Kaiserpfalz“ stößt im Stadtrat zunächst ebenfalls auf Widerstand. Auch wenn der Bund dort damals ohne die Zustimmung bauen könnte, besteht beim Bundesgrenzschutz Einigkeit darüber, den Wünschen der Stadt so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Weiterhin zeigt sich der Bundesfiskus sehr großzügig, indem er zahlreiche Baumaßnahmen in der Stadt mit einem knappen Millionenbetrag unterstützt – und schließlich geht der Domplatz kostenlos in den Besitz der Stadt über.

Der bekannte Architekt Prof. Ernst Zinsser verzichtet damals bei dem Neubau aus Verkehrssicherheitsgründen auf die frühere Zufahrt vom Hohen Weg. Er gibt dem Gebäude kein Portal, sondern setzt mit dem „pultförmigen“ Treppenturm einen Akzent, der an die alten Wehrtürme der ehemaligen Stadtbefestigung erinnert.

Stadt kauft Filetstück

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 stellt man im Rahmen einer Strukturreform innerhalb der Bundesgrenzschutzbehörden fest, dass ihre Bediensteten inzwischen weit weniger Wohnraum benötigen. Die meisten pendeln täglich in Fahrgemeinschaften zwischen ihrem Wohn- und Dienstort hin und her. Auf der Grundlage einer neuen Raumbedarfsordnung räumt man daher ab 1996 beide Unterkünfte an der Kaiserpfalz und rückt am Rammelsberg zusammen, weil der größte Teil der über500 Polizeivollzugsbeamten nur noch einen Umkleideschrank benötigt. Mit der Auflösung des Standortes hat die damalige Räumung überhaupt nichts zu tun.

In der Folge kauft die Stadt das gesamte Areal vom damaligen Bundesvermögensamt. Hinsichtlich einer künftigen Nutzung gibt es seinerzeit zahlreiche Gedankenspiele. Fest steht für alle, dass es sich bei dem gesamten Areal um ein sogenanntes Filetstück handelt, mit dem man künftig schon allein mit Blick auf die fast 1000 Jahre alte Kaiserpfalz ausgesprochen sensibel umgehen muss.

Kein Einkaufszentrum

So werden beispielsweise Pläne für ein riesiges Einkaufszentrum nach einem von Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk in Auftrag gegebenen „Verträglichkeitsgutachten“ im Jahr 2014 zu den Akten gelegt, weil damit der „Tod der Innenstadt“ zu befürchteten ist. Es gibt allerdings Vorstellungen, wie man das Areal künftig überwiegend kulturell nutzen kann. So schwebt dem Goslarer Ehrenbürger Hans-Joachim Tessner der Bau einer Kunsthalle mit angrenzendem Hotel vor, in dem die bisherigen und künftigen Kaiserringträger ihren Platz finden sollen.

Ersatz für Odeon

Einhergehend mit dem Ende des Goslarer Odeon-Theaters, das aus Brandschutzgründen, einem scheinbar unlösbaren Grundwasserproblem und dringend notwendigen, kostenintensiven Instandhaltungs- und Umbaumaßnahmen im zweistelligen Millionenbereich verbunden ist, will Hans-Joachim Tessner nunmehr anstelle einer eigenen Kunsthalle dort eine städtische Mehrzweckhalle mit 10,2 Millionen Euro unterstützen.

 

Dieter Freesemann.  Foto: Kempfer

Dieter Freesemann. Foto: Kempfer

Mit den damals anstehenden Problemen im Odeon-Theater ist es dem Vernehmen nach nicht getan. Am Ende wird das in die Jahre gekommene Theater auf Dauer ein „Groschengrab“ werden. Allein das rentable Bespielen des allein in der Verantwortung der Stadt liegenden und nur für Schauspiel und Musikveranstaltungen geeigneten Theaters ist nicht möglich. Die jährlich in diesem Bereich zu erwartenden Kosten sind seinerzeit schon höher, als sie bei einem neuen Multifunktionsgebäude jemals zu erwarten wären.

Auch wenn der sich damals formierende Widerstand mit einer großen Demo und einer abschließenden Kundgebung auf dem Marktplatz gegen die Schließung wendet, müssen sich die „Freunde des Odeon“ und die Goslarer Kulturvereine schließlich einem Ratsbeschluss beugen, der das Ende des Theaters zur Folge hat. Im Oktober 2013 beginnt schließlich mit einem Auftaktforum unter der Leitung des Braunschweiger Städteplanungsbüros Ackers/Morese ein jahrelanger Planungs- und Entwicklungsprozess, an dem sich die Goslarer Bürgerschaft von Anfang an beteiligen kann und zu dem sie durch öffentliche Bekanntmachung eingeladen wird. Diesem Aufruf folgt im Mai 2014 zunächst eine ansehnliche Gruppe. Man diskutiert in Arbeitskreisen, Projekt- und Lenkungsgruppen darüber, was dort tatsächlich entstehen soll und welche Forderungen das zu entwickelnde Pfalzquartier künftig erfüllen muss, in dem man sich künftig ein Hotel und eine vielfach nutzbare Halle vorstellen kann.

Bürgerbeteiligung

Ob nun durch zwei Werkstätten oder Projekt- und Lenkungsgruppen: Zum Ende jeder Sitzung werden die zuvor meist mit großer Leidenschaft diskutierten und zu Papier gebrachten Arbeitsergebnisse von eingeteilten Sprechern präsentiert. Diese stellt das Planungsbüro bei der nächsten Zusammenkunft noch einmal zusammenfassend vor, bevor es zum nächsten Arbeitsschritt geht. Über Zwischenergebnisse wird auch der städtische Wirtschaftsausschuss in regelmäßigen Abständen unterrichtet. Dass sich das Verfahren letztlich über Jahre hinzieht, mag man sich seinerzeit überhaupt nicht vorstellen.

Impuls für Tiefgarage

In die Planungen bezieht man auch den Domplatz ein, für den man sich gegenüber der historischen Kaiserpfalz etwas „Intelligenteres“ als einen Großparkplatz vorstellen kann. Dem künftig fehlenden Parkraum begegnet man in dem Vorschlag mit einer Tiefgarage, die künftig sowohl von Hotelgästen als auch von Besuchern genutzt werden soll. Auch die Parkplätze von Bediensteten der Stadtverwaltung innerhalb des Quartiers sollen in den Abendstunden und an den Wochenenden nutzbar sein. In zahlreichen Zusammenkünften der Lenkungs- und Projektgruppen nähert man sich schließlich einem Gesamtergebnis: Auf dem Gelände können ein Hotel mit einer Tiefgarage und eine Multifunktionshalle entstehen. Der Domplatz soll in Form einer Parkanlage neu gestaltet werden.

Zwei Wettbewerbe

Im Dezember 2018 kommt es schließlich zu der Auslobung eines Architektenwettbewerbs. Ein weiterer für die Umgestaltung des Domplatzes wird ebenfalls ausgeschrieben. Künftig soll das gesamte Pfalzquartier gestalterisch verbessert und ein völlig anderes Gesicht als „neuen erlebbaren Freiraum“ mit einer angenehmen Aufenthaltsqualität bekommen. Den Gestaltungswettbewerb gewinnt der Landschaftsplaner Christoph Schonhoff, bei dem auch Icomos (Welterbe) mit am Tisch der Jury sitzt.

Applaus für Sobejano

Schließlich sind es sechs Vorschläge von namhaften Architekten, die in die engere Auswahl kommen. Die Modelle werden der Bevölkerung im Goslarer Museum zunächst vorgestellt und dort für mehrere Wochen gezeigt. Eine hochkarätige Jury, bei der erneut Vertreter von Icomos anwesend sind, entscheidet sich schließlich für den Entwurf des spanischen Stararchitekten Prof. Enrique Sobejano mit Büros in Madrid und Berlin. Sobejano stellt sich persönlich in einer Bürgerversammlung den zahlreichen Fragen der Goslarer Bürger und wird dort schließlich in dem vollbesetzten Schützenhaus mit großem Beifall verabschiedet.

Dem Gesamtvorhaben stimmt auch der Rat der Stadt Goslar wiederholt mit überwältigender Mehrheit zu. Umso mehr verwundert es, dass sich nun nach einem mehrjährigen, beispielhaften Planungsprozess Widerstand regt, inszeniert ausgerechnet von Angehörigen des damals entscheidenden Stadtrates.

Nachdem sich zahlreiche Gegenargumente in Luft aufgelöst haben, geht es den Wortführern inzwischen ausschließlich um eine finanzielle Beteiligung der Stadt, die sie völlig ablehnen. Angefangen hat der Widerstand jedoch schon, als man lediglich die Kubatur des Gebäudes kannte. Schon damals ist sie den Gegnern beispielsweise viel zu klein, obwohl das Odeon-Theater mit etwa 800 Plätzen meist auch nur zur Hälfte besetzt war.

Ich verstehe die Bürger, die sich Sorgen um unsere Stadtfinanzen machen. Allerdings frage ich mich, wie man sich eine Veranstaltungshalle vorstellt, die der Stadt nicht gehört und bei der sie überhaupt kein Mitspracherecht hat. Sollen etwa andere bestimmen, was dort stattfindet? Müssen wir dem Verkehrsgerichtstag oder weiteren wichtigen Tagungsinteressenten vielleicht sogar eine Absage erteilen, weil der Besitzer das Haus schon anderweitig vergeben hat?

Hoheit der Stadt

Nach meiner Überzeugung muss die Stadt mindestens mit 51 Prozent in einer noch zu gründenden Betreibergesellschaft die Mehrheit haben. Das muss sich unsere Stadt mit ihren etwa 50.000 Einwohnern leisten. Und das kann sie nach den Worten des seit Jahren für eine solide Finanzpolitik stehenden Kämmerers Dirk Becker auch.

Von Fachleuten präsentiert, weiß man inzwischen, dass wir uns auf eine „Multifunktionshalle“ freuen dürfen. Sie wird etwa 600 Sitzplätze bekommen und mit einer über100 Quadratmeter großen Bühne Platz für ein großes Orchester bieten und für so gut wie alle denkbaren Formate nutzbar sein. Umbaumaßnahmen für das jeweilige Vorhaben sind dort künftig in Windeseile umzusetzen.

Mit dem Kulturmarktplatz, der Kaiserpfalz, dem Dompark und den südlichen Wallanlagen kann in Goslar ein geschlossenes Areal miteiner hervorragenden Aufenthaltsqualität entstehen. Deshalb sollte sich eine deutliche Mehrheit mit einem Nein gegen das Begehren und somit für ein für unsere Stadt zukunftweisendes Projekt entscheiden. Nach fast dreißig Jahren des Diskutierens und Wartens ist es an der Zeit.

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