Pleiten, Pech, die Grill-Ninjas und ein Party-Crasher

Tut Goslar zu wenig für den Erhalt seiner Welterbesubstanz? Allein 14,4 Millionen Euro hat die elf Jahre lange Sanierung des Rathauses gekostet. Architekt und Studien-Autor Henning Frase bemängelt unter anderem das seit Jahren fehlende Pflaster vor eben jenem Rathaus auf dem Marktplatz. Foto: Roß
Der Architekt Henning Frase hat für die Welterbe-Schutzorganisation World Heritage Watch in einem Bericht Verfehlungen und Mängel im Umgang mit den Denkmälern der Altstadt aufgelistet. Das drückte die Stimmung im Jubiläumsjahr. Es gab auch andere Pannen.
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Als Goslar seinen 1100.Geburtstag am Welterbetag Anfang Juni mit der Eröffnung einer dreiteiligen Sonderausstellung feiert, tritt Henning Frase als maximaler Party-Crasher auf. Für die Welterbe-Schutzorganisation World Heritage Watch hat der Architekt in einem umfangreichen Bericht Verfehlungen und Mängel im Umgang mit den Denkmälern der Altstadt aufgelistet.
Kritik am Umgang mit dem Welterbe
„1100 Jahre Goslar: Ein Welterbe zerfällt – Bericht über ein institutionelles Versagen“: Markige Sprache und griffige Titel sorgen bei vielleicht auch ziemlich selbstverliebten Goslarern für – gelinde gesagt – Missstimmung. Was will der Mann, der sein Büro in einem Dorf bei Berlin, aber auch eine lange Goslarer Ahnenreihe hat, den welterbeerprobten und manchmal auch welterbeverzweifelten Goslarern erklären? Ganz einfach: Dass das von der Unesco verliehene Weltkulturerbe nicht zuerst und allein ein Tourismus-Label bedeutet, mit dem die Massen in die Goslarer Hotels, Gaststätten und Geschäfte gelockt werden sollen, um dort ihr Geld zu lassen. Weltkulturerbe bedeutet für Frase eben zuerst eine Verpflichtung. Und die Aufgabe, das Erbe der Vorfahren würdig und nach Kräften und Wissen fortzuführen.
Festball am Rammelsberg fällt aus
Der von Frase längst nicht immer mit nüchterner Zurückhaltung diktierte Denkzettel wirkt im Sommer vorerst nur wie ein kurzes Störfeuer. Goslar will feiern, Corona verhindert anfangs viel, das grandiose Video-Mapping startet mit Verspätung. Erst Ende April kommt mit der Rathaus-Eröffnung richtige Party-Stimmung auf, die aber auch nicht immer auf einem hohen Level gehalten werden kann. Auch ein vom Ersten Stadtrat zum Aushilfsmarketing-Experten mutierter Burkhard Siebert kann nicht verhindern, dass ein Festball am Rammelsberg am hohen Ticketpreis scheitert. Die Nachfrage bleibt vergleichsweise gering. Ob sich wie bei der Bürgerparade ein früheres Kümmern um buchstäblich zugkräftige Musik geholfen hätte?
„Selbstverliebtheit“ und „Shit happens“
Bisweilen verzettelt sich die Stadt beim vielen Feiern. Als die Grill-Ninjas im Frühjahr auf dem Marktplatz die Messer wetzen, ist auch die Notaufnahme des Goslarer Krankenhauses gefragt, weil ein Schulkonzept nicht eins zu eins auf die große Stadtbühne übertragbar ist und vielleicht doch eher die Kinder und nicht Macher und (Eigen-)Marketing im Blickpunkt stehen sollten. Hier wie auch bei der Vorstellung des Goslar-Kaffee-Mehrwegbechers durch hoch bezahlte und offenbar nicht immer ausgelastete Hauptverwaltungsbeamte schneiden sich die Organisatoren ins eigene Fleisch, weil nicht immer die Sache konsequent den Vorrang genießt. Siehe vorn unter Punkt „Selbstverliebtheit“ ...
Aber unter dem Strich steht eine bemerkenswerte Leistung der Regie, weil eben auch nicht jede immer alles richtig machen kann. „Shit happens“ eben manchmal. Und ganz ehrlich: Wer braucht schon eine Sinneskampagne zum Geburtstag, wenn er seine Heimatstadt auch ohne Schmecken und Fühlen liebt?